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Bild + Ton: Karl Hofmaier

Karl Hofmaier wurde am 17. Mai 1897 als Sohn deutscher Staatsangehöriger in Basel geboren. Er machte eine Lehre als Schriftsetzer und schloss sich 1918 den sogenannten Altkommunisten an. Im Jahr 1921 gehörte Karl Hofmaier zu den Mitbegründern der Kommunistischen Partei Schweiz (KPS) und war von 1922 bis 1924 Mitglied der Parteizentrale. Anschliessend zog er mit seiner Frau Hedwig Hofmaier-Dasen nach Moskau, wo er in der Informationsabteilung der Komintern als Referent für Frankreich, Italien und Spanien arbeitete. 1925 wurde er von der Komintern zuerst nach Belgien und dann nach Italien delegiert. In Italien wurde er 1927 verhaftet und zu 21 bzw. 15 Jahren Gefängnis verurteilt, sieben Jahre später aber aufgrund einer Teilamnestie entlassen. Zurück in der Schweiz übernahm er verschiedene Leitungsfunktionen in der KPS. Seine letzte Reise führte ihn 1939 in die Sowjetunion. Während des Zweiten Weltkriegs übernahm Karl Hofmaier die alleinige Leitung der Partei. 1944 wurde er Zentralsekretär der neu gegründeten Partei der Arbeit (PdA), von der er 1946 wegen Veruntreuung von Parteigeldern abgesetzt und 1947 ausgeschlossen wurde. Er starb am 19. März 1988 in Zürich.

Die überwiegend privaten Aufnahmen aus dem Bestand Karl Hofmaier (SozArch F 5149) erstrecken sich über eine Zeitspanne von ca. 1880 bis in die späten 1980er Jahre. Neben zahlreichen Porträts von Karl Hofmaier und seiner Ehefrau Hedwig Hofmaier-Dasen sind einige Fotografien von Hedwigs Eltern und weiteren Familienmitgliedern vorhanden. Zudem zeigen viele Aufnahmen Karl Hofmaier während Auslandaufenthalten (oft in Begleitung seiner Frau) oder im Kreis von Familie, Freunden und Bekannten.

Neu im Archiv: Sonos: Schweizerischer Verband für Gehörlosen- und Hörgeschädigten-Organisationen

Der Schweizerische Dachverband für Gehörlosen- und Hörgeschädigten-Organisationen, Sonos, zählt aktuell 46 Mitglieder, darunter diverse Fürsorgevereine, Sprachheilschulen, Stiftungen, Genossenschaften, Heilpädagogische Zentren und Dienste. Sonos wurde 1911 unter dem Namen «Schweizerischer Fürsorgeverein für Taubstumme» (später: Schweizerischer Verband für Taubstummen- und Gehörlosenhilfe bzw. Schweizerischer Verband für das Gehörlosenwesen) in Olten gegründet.

Seit über 100 Jahren setzt sich der Verband dafür ein, Barrieren für Hörbeeinträchtigte und Gehörlose abzubauen und den betroffenen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen. Diesem Zweck dient ein breites Dienstleistungsangebot: von der Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung Hörbehinderter über die Koordination der beruflichen Aus- und Weiterbildungen bis hin zur Führung von Wohnheimen und spezialisierten Berufsfachschulen.

Diese Aktivitäten sind im Archiv von Sonos, das dem Schweizerischen Sozialarchiv Anfang 2017 übergeben wurde, in Textdokumenten, aber auch in Fotografien und Filmen hervorragend dokumentiert. Speziell zu erwähnen ist das sogenannte Sutermeister-Archiv. Dabei handelt es sich um Dokumente, die Eugen Sutermeister (1862-1931) zusammengetragen hat. Sutermeister war ein herausragender Pionier der Gehörlosenfürsorge. Selbst hörbehindert, wirkte er als Reiseprediger für Taubstumme, als Dichter und Journalist und seit 1911 auch als Zentralsekretär des «Fürsorgevereins für Taubstumme». Seine Sammlung enthält eine Fülle sozialgeschichtlicher Quellen zum Gehörlosenwesen, die bis ins frühe 19. Jahrhundert und teilweise sogar ins 18. Jahrhundert zurückreichen: Berichte, Eingaben, Briefwechsel, handgeschriebene Protokolle, Gesetze zu Taubstummenanstalten und Dokumente zu deren Organisation und vieles mehr. Den Alltag in Anstalten und Schulen hat Eugen Sutermeister auch fotografisch minutiös festgehalten.

Das Sonos-Archiv (SozArch Ar 621) wird zurzeit geordnet und neu verpackt. Es wird nach Abschluss der Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten allen Interessierten ohne Benutzungsbeschränkungen zur Verfügung stehen.

Buchempfehlungen der Bibliothek

Kurt Seifert: Eine Jahrhundertgeschichte – Pro Senectute und die Schweiz, 1917–2017. Baden, 2017

Postkarte von Pro Senectute, 1934 (F Ka-0001-080)

Als der Erste Weltkrieg 1917 seinem Ende zuging, betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Frauen 57, diejenige der Männer 54 Jahre. Es existierten weder soziale Auffangeinrichtungen noch eine Altersvorsorge, und für die grosse Mehrheit der Bevölkerung war Arbeit «bis ins Grab» die Regel. Es war denn auch die oftmals grosse materielle Not alter Menschen, die vor 100 Jahren zur Gründung der Stiftung «Für das Alter» – der heutigen «Pro Senectute» – führte.

Der Sozialwissenschaftler Kurt Seifert erzählt auf leicht lesbare Weise die Jahrhundertgeschichte der Entwicklung der schweizerischen sozialen Institutionen und führt uns vom Landesstreik über die AHV bis in die heutige Zeit, in der die Sicherung der Altersvorsorge im Zentrum steht und Pro Senectute sich für ein aktives, erfülltes Alter engagiert. Das Buch, in welchem auch zahlreiche Bilder aus den Beständen des Sozialarchivs abgedruckt sind, zeigt auf, wie dramatisch sich das Thema Altern in den letzten 100 Jahren gewandelt hat und welch grosse Rolle die Entwicklung tragfähiger sozialer Netze dabei spielte.

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl):

  • Ar 521 Archiv Pro Senectute Kanton Zürich
  • Ar 504 Pro Senectute Schweiz, Stiftungsarchiv
  • F 9045 und F 9046 Film- und Video-Beiträge von Pro Senectute
  • 132436 Matthias Ruoss: Fürsprecherin des Alters: Geschichte der Stiftung Pro Senectute im entstehenden Schweizer Sozialstaat (1917–1967), 2015

> Digitale Auswahl an Archivperlen aus dem Stiftungsarchiv auf der Website von Pro Senectute

 

Catherine Merridale: Lenins Zug. Die Reise in die Revolution. Frankfurt am Main, 2017

In «Lenins Zug. Die Reise in die Revolution» erzählt die britische Historikerin Catherine Merridale die Geschichte der berühmten achttägigen Zugfahrt Lenins im April 1917 von Zürich nach Sankt Petersburg, dem damaligen Petrograd.

Durch die unerwartete Kooperation der deutschen Obersten Heeresleitung ergab sich für den im Schweizer Exil lebenden Lenin 1917 die Möglichkeit, durch Deutschland nach Russland zu fahren. Anhand der Auswertung damaliger Fahrpläne, Agentendepeschen und Bankanweisungen liefert Merridale eine akribische Rekonstruktion dieser Reise; sie fuhr die Strecke auch selbst ab. Obwohl das Buch keine grundsätzlich neuen Fakten beinhaltet, bietet es dennoch eine spannende und unterhaltsame Lektüre.

«Reise Lenins durch Deutschland im plombierten Wagen», 1924

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl):

  • 79140 Fritz Platten: Die Reise Lenins durch Deutschland im plombierten Wagen, 1924
  • 96335 Peter Huber: Stalins Schatten in die Schweiz, 1994
  • Christian Koller: Vor 100 Jahren: Lenin im Sozialarchiv (SozialarchivInfo 1/2016)

> Die Zugfahrt Lenins von Zürich bis Schaffhausen wurde anlässlich des Jubiläums am 9. April 2017 mit einem Basler Theaterensemble in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bern, Basel und Zürich nachgespielt. Informationen dazu finden Sie auf der Plattform www.revolution-1917.ch/.

 

Karl Lüönd: Der Unerbittliche – Karl Schweri (1917–2001), Kämpfer für faire Preise. Zürich, 2017

Zum 100. Geburtstag von Karl Schweri am 31. März 2017 ist die Biografie des Denner-Gründers erschienen. Denner hat für das Buch erstmals seine Archive geöffnet – und viel Überraschendes freigegeben.

Kundinnen greifen bei Denner (Super-Discount Lindenplatz) beim preisgünstigen Bierangebot zu, 1967 (Quelle: e-pics, ETH-Bildarchiv online)

Karl Schweri konnte hart sein, schroff und streitbar. Jahrzehntelang war er als Störenfried in der kartellfreundlichen schweizerischen Wirtschaft unterwegs. So kritisierte er etwa das Bierkartell, das ihn boykottierte, da er die Ware billiger verkaufen wollte, als die Lieferanten es vorschrieben. Später legte er sich mit der Tabakindustrie an.

Mit dem Handel mit Perlonfasern und Kugelschreibern machte er kurz nach dem Krieg sein erstes Vermögen. Dann führte er bankenunabhängige Immobilienfonds ein und hatte die Idee für das erste Shoppingcenter der Schweiz in Spreitenbach. Da die Grossbanken ihn aus dem Geschäft drängten, scheiterte der Plan jedoch. Als 1967 die Preisbindung für Markenartikel aufgehoben wurde, erweiterte er seine Kette von vorwiegend aus Familienbetrieben hervorgegangenen Läden in kurzer Zeit zu einer grossen Anzahl von Denner-Supermärkten, in denen er Waren zu einem bis zu 40 Prozent günstigeren Preis als die Konkurrenz anbot.

Material zum Thema  im Sozialarchiv (Auswahl):

  • ZA 59.1 *4 Discountläden: Denner (Zeitungsausschnitte 1957-2006)
  • QS 95.3 Warenhäuser, Discountläden, Ladenketten (Broschüren/Flugschriften 1960-)
  • Gr 1621 Promarca (Hrsg.): Der Verzicht auf die festen Endverkaufspreise beim Markenartikel im Spiegel der Presse, 1967

11. Mai 2017, 19 Uhr: Buchpräsentation

Die Fremdenlegion – Fluchtpunkt für Deklassierte und Speerspitze im Kolonialkrieg

Peter Huber und Christian Koller stellen ihre beiden Bücher zur Fremdenlegion vor:

Peter Huber
Fluchtpunkt Fremdenlegion. Schweizer im Indochina- und im Algerienkrieg, 1945–1962

Rund 2’200 junge Schweizer Männer traten in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg trotz Verbot in die Fremdenlegion ein, um für die Kolonialmacht Frankreich fern von Europa in den Krieg zu ziehen. Was sie dazu bewogen hat, wie ihr Legionsalltag und wie das Leben nach der Heimkehr aus Fremden Diensten aussah, wird in diesem Buch eingehend thematisiert.


Christian Koller

Die Fremdenlegion. Kolonialismus, Söldnertum, Gewalt 1831–1962

Memoiren, Romane, Filme und Propagandaschriften haben den Ruf der Fremdenlegion als Sammelbecken von Kriminellen und Aussteigern, als sadistisch-militaristische Hölle oder als exotische Lebenswelt romantischer Helden verbreitet. Christian Kollers faszinierendes Buch liefert die erste auf aktuellen sozial- und kulturgeschichtlichen Zugängen basierende Beschreibung dieser Söldnertruppe.

Donnerstag, 11. Mai 2017, 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum
Mit anschliessendem Apéro, Eintritt frei

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 191 KB)

Transparent an der Demo gegen Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Bern, 22.10.1994 (Gertrud Vogler)
Transparent an der Demo gegen Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Bern, 22.10.1994 (Gertrud Vogler)

17. Mai 2017, 18 Uhr: Öffentliche Präsentation

«Willkommenskulturen» in der Schweiz nach 1945

Ungarn, Tibeterinnen und Tschechoslowaken; Chilenen, Tamilinnen, Kurden und Jugoslawinnen; Eritreer, Afghaninnen, Syrerinnen und Somalier – auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs suchen Menschen Zuflucht in der Schweiz. Manche finden Asyl und Aufnahme, andere stossen auf Abwehr und Ablehnung. Brennenden Flüchtlingsunterkünften und Zwangsausschaffungen stehen solidarische Freiplatzaktionen und Kirchenasyle gegenüber.

Dialogische Quellenpräsentation mit Jonathan Pärli, Historiker an der Universität Fribourg mit Forschungsschwerpunkt Geschichte der Asylbewegung und Asylpolitik in der Schweiz.

Mittwoch, 17. Mai 2017, 18 bis ca. 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 2 MB)

Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

> Öffentliche Präsentationen 2017

3. Mai 2017, 18 Uhr: Öffentliche Präsentation

70 Jahre AHV

Am 6. Juli 1947 begrüssten rund 80 Prozent der Stimmenden das neue AHV-Gesetz. Damit hatten jahrzehntelange Debatten endlich zu einem Ergebnis geführt und Anfang 1948 konnten die ersten Renten ausbezahlt werden.

Wir präsentieren Quellen zu Vorgeschichte, Entstehung und Entwicklung des Versicherungswerkes, das bald zum Symbol für den schweizerischen Sozialstaat schlechthin werden sollte.

Mittwoch, 3. Mai 2017, 18 bis ca. 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 2 MB)

Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

> Öffentliche Präsentationen 2017

12. April 2017, 18 Uhr: Öffentliche Präsentation

Die Stones – reif fürs Archiv?!

Das Sozialarchiv hat das Rolling-Stones-Archiv von Felix Aeppli übernommen: Tausende Tonträger und mehrere 100 Stunden Videomaterial warten auf den Fan und auf die Forscherin.

Was daran interessant ist und weshalb die Stones ins Sozialarchiv passen, erfahren Sie auf einem Streifzug durch das Archiv zusammen mit dem Stonologen Dr. Felix Aeppli.

Mittwoch, 12. April 2017, 18 bis ca. 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 2 MB)

Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

> Öffentliche Präsentationen 2017

Tarnschrift (Ausschnitt)
Tarnschrift (Ausschnitt)

22. März 2017, 18 Uhr: Öffentliche Präsentation

Alles falsch! Fakes im Archiv

Ein Fake ist ein Imitat, ein Schwindel oder die Vortäuschung falscher Tatsachen. Fakes waren und sind ein Mittel der politischen Agitation und Manipulation. Gute Fakes arbeiten mit Verfremdung, Übertreibung und Erfindung. Im besten Fall führen sie zu einem Nachdenken über die Sprache der Macht.

Das Sozialarchiv präsentiert originelle und witzige Fakes aus seinen Beständen.

Mittwoch, 22. März 2017, 18 bis ca. 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 2 MB)

Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

> Öffentliche Präsentationen 2017

30. März 2017, 18 Uhr: Buchpräsentation

«Ruth Gattiker: Pionierin der Herzanästhesie»

In ihrem neuen Buch «Ruth Gattiker: Pionierin der Herzanästhesie» erzählt die Historikerin und Journalistin Denise Schmid die Lebensgeschichte von Ruth Gattiker, einer der ersten Professorinnen an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Anhand der Biografie der führenden Herzanästhesistin ihrer Zeit gibt das Buch Einblicke in die Medizingeschichte des 20. Jahrhunderts; vor allem aber zeigt es das unabhängige Leben einer erfolgreichen Frau voller Tatendrang und fern von Konventionen.

Das Sozialarchiv präsentiert ausserdem Bücher zum Thema aus dem eigenen Bibliotheksbestand.

Donnerstag, 30. März 2017, 18 bis ca. 19.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

> Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 521 KB)

Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

> Denise Schmid: Ruth Gattiker – Pionierin der Herzanästhesie. Baden 2016.

Zwangserziehungsanstalt Aarburg (oberhalb der Stadtkirche), ca. 1910 (SozArch F 7000 Fe-0002-33)
Zwangserziehungsanstalt Aarburg (oberhalb der Stadtkirche), ca. 1910 (SozArch F 7000 Fe-0002-33)

Buchempfehlungen der Bibliothek

Kevin Heiniger: Krisen, Kritik und Sexualnot – die „Nacherziehung“ männlicher Jugendlicher in der Anstalt Aarburg (1893-1981). Zürich, 2016

In der 1893 auf der Festung Aarburg gegründeten Zwangserziehungsanstalt sollten jugendliche Straftäter vor der gemeinsamen Inhaftierung mit Erwachsenen und damit vor negativen Einflüssen bewahrt werden. Der Anteil administrativer Versorgungen betrug allerdings von Beginn an rund die Hälfte aller Einweisungen, womit die Anstaltsgeschichte von Aarburg nach Kevin Heiniger auch die „Fortsetzung von Verdingkinder- und Fremdplatzierten-Schicksalen“ darstellt.
Kompetenzkonflikte kurz nach der Eröffnung der Anstalt, Misshandlungsvorwürfe und die Suizide zweier Jugendlicher in den Jahren um den Ersten Weltkrieg, die medienwirksame Anstaltskritik von 1936 und schliesslich die Heimkampagne um 1970 sind die Sondierungspunkte dieses auf der Dissertation des Autors beruhenden Buchs. Im Zentrum der Untersuchung stehen neben der Institutionsgeschichte, die dank eines nahezu lückenlosen Aktenbestandes genauestens dokumentiert werden konnte, die Lebenswelt und die zwischenmenschlichen Beziehungen der Jugendlichen, die anhand der überlieferten Personendossiers nachgezeichnet werden. Insbesondere werden die sexuelle Unterdrückung und deren Folgen für die Jugendlichen aufgezeigt. Im Quellenanhang ist zudem das eindrückliche Tagebuch des Jugendlichen Oskar M. angefügt, der die Jahre 1942 bis 1945 in der Erziehungsanstalt verbrachte.

Für die Arbeit benutzte Archivquellen aus dem Sozialarchiv:

  • Ar 135.45.1 Strafanstalt Aarburg, 1936
  • Ar 201.89.5 Heimkampagne

Thomas Brückner: Hilfe schenken – Die Beziehung zwischen dem IKRK und der Schweiz 1919-1939. Zürich, 2017

Seit seiner Gründung ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit der Schweiz verbunden. Das neue, aus der Dissertation des Historikers Thomas Brückner entstandene Buch widmet sich den verschiedenen Dimensionen dieser Beziehung in den Jahren zwischen 1919 und 1939.
Der Autor geht das bisher noch wenig erforschte Thema unter dem Blickwinkel des Schenkens an, da die „Konzentration auf beziehungsstiftende Abhängigkeiten durch den Tausch“ einen wesentlichen Aspekt der Beziehung zwischen der Schweiz und dem IKRK darstellt. Er untersucht die humanitären Einsätze, die vor dem Zweiten Weltkrieg von der Schweiz und dem IKRK ausgingen und widmet sich dann den konstanten Tauschbeziehungen zwischen den Institutionen, welche beide fest aneinander band.

Für die Arbeit benutzte Quellen aus der Sachdokumentation des Sozialarchivs:

  • Dossier 49.5 Rotes Kreuz
  • KS 362/49 Internationale Hilfsaktionen

Philippe Bender und Patrick Bondallaz, in Zusammenarbeit mit Roland Böhlen: 150 Jahre für mehr Menschlichkeit – das Schweizerische Rote Kreuz 1866-2016. Bern,  2016

Um das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) geht es in der Festschrift zum letztjährigen 150-Jahre-Jubiläum. Das SRK wurde drei Jahre nach dem Internationalen Roten Kreuz 1866 in Bern von General Henri Dufour, Bundesrat Jakob Dubs und weiteren Persönlichkeiten gegründet. Die Publikation zeichnet die Entwicklung der humanitären Organisation von ihrem Ursprung im 19. Jahrhundert bis zum heutigen Tag nach. Die Historiker und SRK-Mitarbeiter Philippe Bender und Patrick Bondallaz fassen die wichtigsten Ereignisse in einem übersichtlich gestalteten und reich illustrierten Buch zusammen.

> Die digitale Umsetzung findet man auf geschichte.redcross.ch, wo neben weiterem Bild- auch Videomaterial zu finden ist.

Material zum Thema im Sozialarchiv:

  • Dossier 49.5 Rotes Kreuz
  • Ar 201.28 Griechenlandhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes
  • Ar 20 Schweizerisches Arbeiterhilfswerk SAH

Helmut Altrichter:  Russland 1917 – ein Land auf der Suche nach sich selbst. Paderborn, 2017

Russland 1917: Das ist ein Staat im Krieg, eine Gesellschaft in der Krise. Der Zar wird gestürzt, der Sturm der Revolution fegt über das Reich. Doch wie es mit Russland weitergehen soll, bleibt heftig umstritten.
In der aktualisierten Ausgabe des Klassikers zur Geschichte des Revolutionsjahres entwirft der Autor das Panorama eines entscheidenden Jahres in der russischen Geschichte und führt in ein Land auf der Suche nach sich selbst. Einig ist es sich nur in dem, was es nicht will: in der Ablehnung der zarischen Autokratie. Über die Zukunft Russlands ist sich die polarisierte Gesellschaft hingegen uneins. An den Rändern des Vielvölkerreichs kommt es zu Unabhängigkeitsbestrebungen.
Helmut Altrichter hat seine Darstellung der Situation und der Kräfte und Kämpfe von 1917 anlässlich des 100. Jahrestages der Russischen Revolution um eine Rückschau auf Zeit, Ereignis und Mythos vom heutigen Standpunkt aus ergänzt.

Kleine Auswahl weiterer Bücher zum Thema im Sozialarchiv:

  • 135309 Moshe Lewin: The Soviet Century. London, 2016
  • 135290 Mark D. Steinberg: The Russian Revolution 1905-1921. Oxford, 2017
  • 135343 Andy Willimott: Living the Revolution: Urban Communes & Sowiet Socialism, 1917-1932. Oxford, 2017

> Vom 24.2. bis 25.6.2017 findet im Schweizerischen Nationalmuseum die Ausstellung „1917 Revolution – Russland und die Schweiz“ statt.