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Buchempfehlungen der Bibliothek

David F. Walker, Markus Kwame: The Black Panther Party. A graphic novel history. Emeryville, 2021

In ihrer Graphic Novel beleuchten Journalist David F. Walker und Illustrator Markus Kwame Anderson den historischen Hintergrund der Black Panther Party. Das tun sie vor allem anhand von Einzelschicksalen und zentralen Ereignissen, die sich zu einem tragischen Gesamtbild der strukturellen Diskriminierung und Unterdrückung der Afroamerikaner:innen zusammenfügen. Die biografisch-anekdotische Herangehensweise behalten sie bei der Erzählung über das Wirken der Black Panthers bei. Dazu gehört deren zu wenig beachtetes soziales Engagement sowie der Einfluss, den sie auf andere nationale und transnationale Bewegungen von Minderheiten ausgeübt haben.
Sie veranschaulichen die machiavellistischen Bemühungen der US-Regierung, die Black Panthers zu zerschlagen und zu diffamieren. Dem so bewusst beförderten Klischee von gewalttätigen Terroristen kam die Position der Black Panthers zur Gewaltfrage entgegen: Im Gegensatz zu Martin Luther King betrachteten sie Gewalt als ein legitimes Mittel zur Selbstverteidigung.
Walker und Anderson versuchen, das Bild von den Black Panthers wieder geradezurücken, reflektieren aber auch kritisch deren interne Widersprüche und Konflikte. Charakteristisch für diese Graphic Novel ist neben der farbintensiven und klaren Bildsprache Andersons die hohe Informationsdichte, die vereinzelt eine flüssige Lektüre ins Stocken geraten lässt. Dennoch ist es eine kompakte und visuell ansprechende Einführung in die komplexe Geschichte der Black Panther Party und der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Tobias Roth (Hg.): Gartenstadtbewegung. Flugschriften, Essays, Vorträge und Zeichnungen aus dem Umkreis der Deutschen Gartenstadtgesellschaft. Berlin, 2019

Der Band versammelt Texte von Autor:innen aus dem Umkreis der Deutschen Gartenstadtgesellschaft. Entstanden im Jahrzehnt von 1903 bis 1913, reagierten sie auf Wohnungs- und Umweltprobleme in der Grossstadt, die bis heute aktuell geblieben sind. Insbesondere die Aussagen zur Umweltproblematik könnten teilweise eins zu eins heute wiederholt werden: «Zurück zur Natur wollen wir durch die Gartenstadt», forderte beispielsweise der Steglitzer Gartendirektor Fritz Zahn im Jahr 1906.
Am Anfang einer bald gesamteuropäischen Bewegung stand Ebenezer Howards Schrift «Tomorrow. A Peaceful Path to Real Reform», die 1898 erschien und 1902 erneut aufgelegt wurde, nun unter dem eingängigeren Titel «Garden Cities of Tomorrow». Man wollte Problemen wie Wohnungsnot, hygienisch katastrophalen Bedingungen und Überbevölkerung mit dem Konzept der Gartenstadt Gegensteuer geben, wobei es nicht nur um die Begrünung von urbanem Lebensraum gehen sollte, sondern auch um die Demokratisierung desselben oder, wie es der deutsche Autor Heinrich Hart etwas poetischer ausdrückte, um seine Gestaltung «als ein Paradies, einen Garten ohne Ende, einen Garten in spriessender Fülle, einen Garten voll tiefen Friedens und ungetrübter Seligkeit für seine Bewohner».

Bestände im Sozialarchiv (Auswahl):

Ambros Uchtenhagen (Hg.): 30 Jahre Schweizer Drogenpolitik, 1991–2021. Zürich, 2022

Vor rund einem Jahr ist der Zürcher Psychiater Ambros Uchtenhagen 94-jährig verstorben. Noch einige Monate vorher, im März 2022, erschien eine von ihm herausgegebene Chronik zur Schweizer Drogenpolitik, welche Uchtenhagen massgeblich geprägt hat. Eine Drogenpolitik, die Anfang der 1990er-Jahre mit dem Vier-Säulen-Modell bahnbrechend war und mit den bisherigen Regelungen radikal brach.
Die von Uchtenhagen verfasste Chronik beschreibt die Besonderheiten der neuen Massnahmen und vor allem deren Umsetzung in den Bereichen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Ausserdem werden die Auswirkungen auf nationaler und internationaler Ebene, die Grenzen des neuen Regimes und die Herausforderungen dargestellt, die noch zu bewältigen sind. Ergänzend zur Chronik und ihrem Quellenmaterial enthält das Buch eine Reihe von Beiträgen wichtiger Protagonist:innen, die neben Uchtenhagen die Schweizer Drogenpolitik beeinflusst haben, darunter Vertreter:innen verschiedener Berufsbereiche wie Psychiatrie, Sozialarbeit oder Soziologie. Sie alle erzählen noch einmal von ihren Erfahrungen in den letzten dreissig Jahren.

Bestände im Sozialarchiv (Auswahl):

Anna Rosenwasser: Rosa Buch. Queere Texte von Herzen. Zürich, 2023

Für manche ist LGBTQ ein überflüssiger Trend, andere verstehen den Ausdruck nicht. Viele Personen wiederum sind in diesen Buchstaben zu Hause – Anna Rosenwasser ist eine von ihnen. Die bisexuelle LGBTQ-Aktivistin und Politinfluencerin schreibt über Geschlecht und Anziehung in ehrlichen, humorvollen und manchmal «hässigen» Texten. Sie schreibt nicht nur für diejenigen, die längst wissen, dass sie queer sind, sondern genauso für alle, denen dieses Wort neu – und, wer weiss, vielleicht mittelsympathisch – ist. Ausserdem setzt sich die Autorin in ihren Texten auch immer wieder mit ihren jüdischen Wurzeln auseinander.
Das «Rosa Buch» versammelt Texte von Anna Rosenwasser aus den Jahren 2018 bis 2022. Teilweise handelt es sich dabei um Kolumnen, welche sie für diverse Zeitschriften und Zeitungen – darunter Saiten, das Mannschaft Magazin oder die Schaffhauser AZ – geschrieben hat, bei einigen Texten um Erstveröffentlichungen. Für das «Rosa Buch» hat die Autorin Passagen aus den Texten kommentiert, welche sie mittlerweile anders oder genauer sieht, leichter oder ernster nimmt. Mit dem ergänzenden Stichwortregister und dem Glossar ist ein Buch entstanden, welches nicht zwingend von Anfang bis Schluss gelesen werden muss und zum Schmökern einlädt.

Bestände im Sozialarchiv (Auswahl):

Hannah Ross: Revolutions. Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten. Hamburg, 2022

Radfahrerinnen sind eine Inspiration, ob sie nun auf Medaillenjagd gingen, die Welt erkundeten oder sich für das Frauenwahlrecht einsetzten. «Das Ross, auf dem Frauen in eine neue Welt ritten» – so beschrieb das US-amerikanische Munsey’s Magazine 1896 treffend die politische Bedeutung des Fahrrads in seinen Anfängen. Die Erfindung des Fahrrads im Jahr 1900 wurde als «Game Changer» betrachtet. Wenige Dinge, die jemals von Menschen benutzt wurden, haben eine so grosse Revolution in den sozialen Verhältnissen bewirkt wie das Fahrrad. Die Frauen befreiten sich buchstäblich aus dem Korsett, nicht nur kleidermässig. «Weg mit den Korsetts, her mit dem Lycra», wie es im Buch etwas salopp heisst.
Nur schon das Sitzen auf einem Fahrradsattel stellte zur damaligen Zeit für viele ein offenkundig sexuelles Verhalten dar, und sie sahen darin eine Gefahr für die Moral der Frauen und auch für ihre Fortpflanzungsorgane. Es wurden spezielle Sattel entwickelt, die eine sexuelle Stimulation verhindern sollten. Man sprach von «Bicycle Walk» (die Füsse bewegten sich angeblich kreisförmig) und «Bicycle Face» (verzerrte Gesichtszüge). Das Harper’s Magazine empfahl als Gegenmassnahme, Kaugummi zu kauen.
In «Revolutions» erzählt Hannah Ross die spannende und unterhaltsame Geschichte des Fahrrads aus weiblicher Perspektive. Sie führt uns von den Anfängen des Radfahrens im 19. Jahrhundert, als Frauen unglaubliche Widerstände überwinden mussten, bis in die Gegenwart und rund um die Welt.
Leider ist es Frauen in Afghanistan inzwischen wieder verboten, Fahrrad zu fahren.

Bestände im Sozialarchiv (Auswahl):

Christian Suter, Stephen Brown, Dolgion Aldar, Tamir Chultemsuren (Hg.): Democratic Struggles in Challenging Times. Insights from Mongolia and around the World. Zürich/Ulaanbataar, 2021

Es gibt aus demokratischer Sicht auch heute erfreuliche Dinge. Entgegen aller politikwissenschaftlicher Theorieerwartung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten in der Mongolei trotz des Fehlens demokratischer Traditionen sowie grosser Probleme mit Armut und Korruption eine demokratische Regierungsform gehalten, die mit den diktatorischen Systemen der Nachbarstaaten Russland und China kontrastiert. Das Land, das trotz der nomadischen oder mönchischen Lebensweise eines Grossteils seiner Bevölkerung und der völligen Absenz einer Industrie oder einer Arbeiterschaft 1924 von einer buddhistischen Theokratie zur kommunistischen «Volksrepublik» mit starker Abhängigkeit von der Sowjetunion wurde, in der Folge alle Wirrungen der sowjetischen Geschichte nachvollzog und 1989/90 eine unblutige Revolution mit Massenprotesten und Hungerstreiks erlebte, besitzt ein Zweiparteiensystem aus der postkommunistischen Volkspartei und der aus den Protesten von 1990 hervorgegangenen Demokratischen Partei, die sich regelmässig in der Regierung ablösen.
In jüngster Zeit ist die Mongolei zum Zufluchtsort Tausender von der Mobilisation für den Ukrainekrieg bedrohter Russen geworden. Der auf eine Konferenz des Independent Research Institute of Mongolia und der Zürcher World Society Foundation zurückgehende Band mit neun Artikeln beleuchtet dieses interessante Land. Ein erster Teil befasst sich mit Struktur und Funktionsweise der mongolischen Demokratie und ihrer Zivilgesellschaft. Ein zweiter Teil öffnet den Blick für international vergleichende Studien, die um den Zusammenhang von Demokratie und der Verwaltung natürlicher Ressourcen kreisen.

Ebenso greifbar im Sozialarchiv (Auswahl):

22. September 2023 zurück