Im Frühjahr 1920 gingen in der Eidgenossenschaft die Emotionen hoch. Im Vorfeld der Abstimmung über einen Beitritt des Landes zum nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Völkerbund formulierten Befürworter wie der freisinnige Bundesrat Felix Calonder, Bauernführer Ernst Laur oder der religiös-sozialistische Theologe Leonhard Ragaz die Perspektive einer neuen Ära des Friedens, bei der die vielsprachige Schweiz eine Vorbildrolle in der Völkerversöhnung spielen könne und müsse. Demgegenüber richtete das rechte Nein-Komitee an die Stimmenden die Frage: „Willst du, indem du der Aufforderung des Machtbundes von Versailles folgst und ihm beitrittst, dein Vaterland, für dessen Freiheit und Unabhängigkeit deine Väter ihr Blut vergossen und deine Söhne mit schwersten Opfern an Kraft, Zeit und Mitteln während fünf Jahren an der Grenze gestanden haben, zum Vasallenstaat machen?“ Diese rhetorische Frage gleich selbst beantwortend empfahl es „ein mutiges, alteidgenössisches Nein!“. Aber auch von der Linken kam Opposition. Der gerade wieder aus dem Gefängnis entlassene Landesstreikführer Robert Grimm wetterte: „Früher haben die aristokratischen Beherrscher der Schweiz wenigstens nur einzelne Bürger an das Ausland, an Könige und Fürsten verkauft, jetzt verschachern sogenannte Demokraten das ganze Volk an das Verbrechertum der imperialistischen Grossmächte.“ Trotz der zum Teil verschiedenen parteipolitischen Konstellation glichen die Emotionen und teilweise auch die Argumente denjenigen wichtiger aussenpolitischer Urnengänge der jüngeren Vergangenheit, insbesondere der UNO-Abstimmung von 1986 und der EWR-Abstimmung von 1992. Im Unterschied zu diesen beiden Referenden nahmen 1919 indessen die Stimmenden den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund an.
Die Idee einer überstaatlichen Organisation zur Sicherung des Weltfriedens war nicht neu. Bei frühneuzeitlichen Völkerrechtsautoren wie dem Niederländer Hugo Grotius oder dem Neuenburger Emer de Vattel tauchten Begriffe wie „gentium societas“ bzw. „société des nations“ noch im Sinn einer ideellen Verbindung souveräner Staaten zum Zweck der Wahrung des Völkerrechts und Vermeidung des Krieges auf. Der Königsberger Aufklärungsphilosoph Immanuel Kant entwarf dann 1795 in seiner Schrift „Zum Ewigen Frieden“ eine Friedensordnung, die auf einem Völkerbund „republikanischer“, d. h. durch Gewaltenteilung gekennzeichneter Staaten und einem allen Menschen zustehenden weltweiten „Besuchsrecht“ beruhte. Nach der französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen entstand dann 1815 nicht ein republikanischer Völkerbund, sondern in Gestalt der von Zar Alexander I. angeregten „Heiligen Allianz“ ein konservativ-christlicher Monarchenbund, der sich nebst der Friedenssicherung auch die gemeinsame Abwehr revolutionärer und liberaler Bewegungen auf die Fahne schrieb und bis zur Jahrhundertmitte bestand, aber lediglich ein Beiprodukt der bis zum Ersten Weltkrieg dominanten „Pentarchie“ der fünf europäischen Grossmächte – Grossbritannien, Frankreich, Preussen bzw. Deutschland, Österreich und Russland – darstellte. Demgegenüber schwebte Frühliberalen wie dem italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini eine als „Vereinigte Staaten von Europa“ bezeichnete Föderation demokratischer Nationalstaaten, ein Bund der Völker statt der Fürsten, vor.
Die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern herausbildenden Friedensgesellschaften diskutierten dann als wichtige Instrumente der Friedenswahrung einen (europäischen oder globalen) Völkerbund als Wächter über das Völkerrecht und die internationale Streitschlichtung durch Schiedsgerichte. Die beiden Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 waren als Versuch, Schritte in diese Richtung zu unternehmen und einen Prozess der Abrüstung zu initiieren, nicht erfolgreich. Zwar gaben sie den Anstoss zu einer erheblichen Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts, der Versuch, eine obligatorische internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei zwischenstaatlichen Konflikten zu institutionalisieren, scheiterte aber am Widerstand einzelner Staaten, insbesondere des Deutschen Reichs. So gelang lediglich die Einrichtung des „Ständigen Schiedshofs“ im Haag 1900, der kein internationales Gericht im eigentlichen Sinne war, sondern nur eine Institution, die die freiwillige Anrufung der Schiedssprechung in internationalen Streitfällen erleichterte. Eine geplante dritte Haager Konferenz, an der über die obligatorische Gerichtsbarkeit nach dem Mehrheitsprinzip entschieden und Fragen einer internationalen Exekutive erörtert werden sollten, fand wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nicht mehr statt.
Während des Ersten Weltkriegs wurden Völkerbundideen zu einem regelmässigen Element pazifistischer Überlegungen zu einer zukünftigen Nachkriegsordnung. Bereits zwei Wochen nach Kriegsausbruch stellte der britische Politikwissenschaftler Goldsworthy Lowes Dickinson Ideen über eine zukünftige „League of Nations“ an und organisierte in der Folge ein pazifistisches Netzwerk, das die regierende Liberale Partei, die Labour Party und schliesslich auch den demokratischen US-Präsidenten Woodrow Wilson beeinflusste. Im April 1915 forderte ein grosser internationaler Frauenfriedenskongress im Haag unter anderem die Einrichtung eines ständigen internationalen Gerichtshofes und einer internationalen Organisation zur Friedenssicherung (vgl. SozialarchivInfo 5/2015). Aus dem Kongress ging eine pazifistische Frauenbewegung hervor, die dann im Mai 1919, organisiert von der Schweizerin Clara Ragaz, eine Frauenfriedenskonferenz mit 150 Delegierten aus 16 Ländern in Zürich abhielt und sich zur „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF) konstituierte. Das Archiv der Schweizer IFFF-Sektion befindet sich heute im Sozialarchiv. Auch die ebenfalls im Frühjahr 1915 auf Initiative der niederländischen Friedensbewegung entstandene „Central Organization for a Durable Peace“ entwickelte Ideen für ein System kollektiver Sicherheit.
In der Schweiz wurden bald nach Kriegsausbruch Völkerbundideen diskutiert. Die Buchhandlung des Grütlivereins publizierte im Herbst 1914 unter dem Titel „Der letzte Krieg!“ einen Verfassungsentwurf für einen Europäischen Staatenbund. Gleichzeitig gründete der Architekt und Radikalpazifist Max Rotter, dessen Nachlass im Sozialarchiv lagert, einen „Weltfriedensbund“, der sich die Errichtung einer „Weltrepublik“ auf die Fahne schrieb. Ebenfalls im Oktober 1914 konstituierte sich unter dem Präsidium des Völkerrechtlers Otfried Nippold ein pazifistisches „Studienkomitee“, das in der Folge unter dem Namen „Schweizerische Vereinigung zum Studium der Grundlagen eines dauerhaften Friedens“ zur Schweizer Sektion der „Central Organization for a Durable Peace“ wurde. Dessen Aktivitäten sind im Sozialarchiv im Bestand „Dokumentation Erster Weltkrieg“ mit Akten aus der Provenienz des demokratischen Nationalrats Emil Zürcher sowie im Nachlass des sozialdemokratischen Nationalrats Fritz Studer dokumentiert. Im Sommer 1915 erliess die Vereinigung einen „Aufruf“, der von 57 Politikern, Akademikern und anderen Persönlichkeiten unterschrieben war. Dazu gehörten zwölf Bundesparlamentarier (fünf Sozialdemokraten, drei Freisinnige, zwei Demokraten, ein Katholisch-Konservativer und ein Liberaler), unter anderem Robert Grimm, der wenige Wochen darauf die linkssozialistische Antikriegskonferenz von Zimmerwald organisierte, sowie Emilie Gourd, Präsidentin des Schweizerischen Verbandes für Frauenstimmrecht, Franz Bucher-Heller, Zentralpräsident der Schweizerischen Friedensgesellschaft, und fünf Regierungsräte. Zwar scheiterte das Vorhaben der Vereinigung, einen grossen internationalen Kongress in Bern zu organisieren, jedoch kamen 1915 und 1917 zwei Zusammenkünfte von Vertretern der Friedensbewegungen verschiedener Länder zustande.
Aus denselben Kreisen ging 1916/17 das „Schweizerische Komitee für Vorbereitung des Völkerbundes“ hervor. Sein Präsident war der aus Österreich stammende Sozialwissenschaftler, Pazifist und Sozialdemokrat Rudolf Broda, der schon vor dem Ersten Weltkrieg für einen Völkerbund geworben hatte. Das Vize-Präsidium hatte der Psychiater und Pazifist Auguste Forel inne, der kurz nach Kriegsausbruch den Aufsatz „Die Vereinigten Staaten der Erde“ veröffentlicht hatte. Im Weiteren gehörten dem Komitee neben einigen Juristen, Theologen und Pädagogen unter anderen der demokratische Zürcher Regierungsrat Johannes Stössel, der sozialdemokratische St. Galler Regierungs- und Ständerat Heinrich Scherrer sowie aus dem Nationalrat die Sozialdemokraten Gustav Müller und Howard Eugster, der Freisinnige Paul Raschein und der Demokrat Emil Zürcher an. Im Juni 1918 legte das Komitee den Entwurf einer „Welt-Völkerbundsverfassung“ vor.
Am 8. Januar 1918 hielt Präsident Wilson vor dem amerikanischen Kongress eine programmatische Rede über die Grundzüge einer zukünftigen Friedensordnung, in der er im letzten seiner 14 Punkte die Gründung eines Völkerbundes forderte: „A general association of nations must be formed under specific covenants for the purpose of affording mutual guarantees of political independence and territorial integrity to great and small states alike.“ Bereits im Mai 1916, knapp ein Jahr vor dem amerikanischen Eintritt in den Ersten Weltkrieg, hatte Wilson erstmal die Gründung eines Völkerbundes angeregt. Vier Monate später hatte der Konservative Robert Cecil, für den Wirtschaftskrieg zuständiger „Minister of blockade“ in der britischen Regierung, dem Kabinett ein „Memorandum on Proposals for Diminishing the Occasion of Future Wars“ vorgelegt, in dem er ein System kollektiver Sicherheit vorschlug. Auf Cecils Antrag setzte die britische Regierung dann Anfang 1918 eine Kommission zur Diskussion von Völkerbundvorschlägen ein. Sie legte im Mai einen Bericht vor, der auch der amerikanischen Regierung zugänglich gemacht wurde. Im November 1918 wurde Cecil Leiter der Völkerbundabteilung im britischen Aussenministerium und erarbeitete in dieser Funktion den „Cecil-Plan“, der dann 1919 an der Pariser Friedenskonferenz als Blaupause für die Völkerbundsatzung diente. Diese wurde am 28. April 1919 von der Vollversammlung der Friedenskonferenz angenommen und in die Friedensverträge integriert. Mit deren Ratifizierung war der Völkerbund am 10. Januar 1920 offiziell gegründet.
Der Versailler Vertrag enthielt auch eine Anerkennung der Schweizer Neutralität, zugleich wurden die neutralen Staaten eingeladen, dem Völkerbund beizutreten. Für die Schweiz kam diese Einladung nicht aus heiterem Himmel. Bereits im Juni 1918 hatte Bundespräsident Calonder das Thema erstmals im Nationalrat angesprochen und dabei ausgeführt: „Kein Volk kann lebendigeren Anteil an der Neugestaltung der Staatengemeinschaft nehmen als die kleine Schweiz. […] Auf die Dauer kann unbegrenzte Eigenmacht und völlige internationale Ungebundenheit keinem Volk wirkliche Vorteile bieten. Ein solches politisches System muss, wie alle ungebundene Macht, schliesslich auf Staaten und Menschen zerstörend wirken. Für einen kleinen Staat aber wie die Schweiz ist die rechtliche Ordnung ein Lebenselement, die Machtpolitik eine unverkennbare ständige Gefahr.“ In der Folge präsidierte Calonder eine Expertenkommission zur Völkerbundfrage und liess vom Zürcher Völkerrechtler Max Huber ein Gutachten zum Thema erstellen. Die Kommission arbeitete einen Entwurf für eine Völkerbundorganisation aus, die im Februar 1919 allen Teilnehmerstaaten der Friedenskonferenz sowie der Bundesversammlung zur Kenntnis gegeben wurde, sich aber nicht durchzusetzen vermochte. Unterlagen zur Arbeit dieser Kommission finden sich im Sozialarchiv im Nachlass des Kommissionsmitglieds Fritz Studer. Die wesentlichen Akten zum Beitritt der Schweiz zum Völkerbund und ihrer folgenden Politik in Bezug auf die Weltorganisation sind jüngst in einer Edition der Forschungsstelle DODIS publiziert worden.
Nach der Einladung zum Völkerbundbeitritt legte der Bundesrat dem Parlament am 4. August 1919 eine entsprechende Botschaft vor, die einen Beitritt befürwortete und breite Ausführungen zur Vereinbarkeit mit der Neutralität enthielt. Am 13. Februar 1920 präzisierte der Völkerbundsrat in seiner Londoner Erklärung die Frage der schweizerischen Neutralität bei einem Beitritt zum Völkerbund. Die Schweiz wurde von der Teilnahme an militärischen, nicht aber an wirtschaftlichen Sanktionen des Völkerbunds gegen Friedensbrecher befreit. Diese Formel wurde in der Folge als „differenzielle Neutralität“ bezeichnet. Die eidgenössischen Räte machten in ihren Beratungen im November 1919 den Schweizer Beitritt von demjenigen der Vereinigten Staaten abhängig, liessen diese „Amerikaklausel“ im März 1920 aber wieder fallen. Am 16. Mai konnten Volk und Stände über den Beitritt zum Völkerbund befinden, obgleich eine solche Volksabstimmung von der damaligen Verfassung nicht verlangt worden wäre.
Die Beitrittsbefürworter gründeten am 3. November 1919 das „Schweizerische Aktionskomitee für den Völkerbund“ unter dem Präsidium des freisinnigen Zürcher Ständerats Paul Emil Usteri. Dieses Komitee arbeitete mit den grossen bürgerlichen Parteien, dem Grütliverein, der Neuen Helvetischen Gesellschaft, der Schweizerischen Friedensgesellschaft und dem Schweizerischen Bauernverband zusammen. In der heissen Phase des Abstimmungskampfes verteilte es etwa eine Million Flugblätter. Argumentativ beschwor es Optimismus und Aufbruchstimmung. Nach der Katastrophe des Weltkrieges breche nun unter der Ägide des Völkerbundes eine Friedensphase an. Dabei dürfe die Schweiz nicht abseitsstehen, zumal sie mit ihrer Mehrsprachigkeit den erfolgreichen Prototypen des Völkerbundes darstelle. Der stark für den Völkerbundbeitritt engagierte Agronom und Direktor des Bauernverbandes Ernst Laur argumentierte sowohl friedenspolitisch als auch wirtschaftlich: Mit einem Völkerbund wäre seines Erachtens der Krieg 1914 nicht ausgebrochen. Zudem bilde die neue Organisation einen „Schutzwall gegen den Bolschewismus“. Ein Nicht-Beitritt der Schweiz würde dagegen der Exportindustrie schaden, worunter auch die Landwirtschaft zu leiden hätte.
Im bürgerlichen Lager der Deutschschweiz gab es aber eine grosse Zahl von Beitrittsgegnern, die im Krieg häufig Sympathien für die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn gehegt hatten und sich nun im „Komitee gegen den Beitritt der Schweiz zum Versailler Völkerbund“ zusammenschlossen. Dieses warnte etwa vor einem Souveränitätsverlust, der bis zum „Finis Helvetiae“, dem Ende der Schweiz, reichen würde: „Von dem Augenblick an, in dem die Schweiz dem Versailler Völkerbund angehört, gibt es keine freie, unabhängige, sich ihre Zwecke selbst setzende Schweiz mehr. Die Schweiz ist dann nur noch ein Vasallenstaat der Ententegrossmächte. Und ausserdem wird im Innern von diesem Augenblick an allmählich ein Zerfall beginnen, der jede Hoffnung auf ein späteres Wiederauferstehen der Schweiz in ihrer heutigen Form und ihren heutigen Grenzen schwinden lässt.“ Mit Genf als Sitz des Völkerbundes würde die Stadt, die jetzt schon eine grosse Zahl von Ausländern zähle, weiter internationalisiert. Ausserdem würde die Schweiz „dann künftig mehr von Genf aus regiert als von Bern. Und das bedeutet nichts anderes, als dass es mit der freien Schweiz endgültig zu Ende ist.“ Im Weiteren kritisierte das Nein-Komitee im Stile des damals weit verbreiteten Kolonialrassismus, dass im Völkerbund mit den lateinamerikanischen und wenigen unabhängigen afrikanischen Staaten „mindestens ein Dutzend halbwilder, gänzlich unkultivierter Neger- und Indianervölker“ beteiligt seien.
Der Schriftsteller Konrad Falke schrieb von einer „Friedenspsychose“, die mit der „Kriegspsychose“ von 1914 vergleichbar sei, und Nationalrat Rudolf Gelpke von der Bürger- und Gewerbepartei Basel bezeichnete den Völkerbund als „aus den heterogensten Völkern zusammengewürfelte Welt-Zwangsorganisation“. Theophil Sprecher von Bernegg, der während des Weltkriegs als Generalstabschef der Schweizer Armee fungiert hatte, meinte, es gehe „bei der ganzen Streitfrage nicht nur um den Fortbestand der alten, unabhängigen, von fremdem Einfluss freien Schweiz, sondern auch um ihre Ehre und zwar sowohl die Waffenehre als um die politische Ehre“. Im Völkerbund sänke die Schweiz zu einem „würdelosen Protektoratsstaat“ herab und bei Völkerbundsanktionen gegen Friedensbrecher hätte man die „Einbeziehung des schweizerischen Gebietes in den Kriegsschauplatz, den Krieg im eigenen Lande“ zu gewärtigen.
In der Arbeiterbewegung waren die Meinungen ebenfalls gespalten. Die Sozialdemokratische Partei gab die von Robert Grimm mit Vehemenz vertretene Nein-Parole heraus. Grimm titulierte die Friedenskonferenz mit ihrer harten Haltung gegen Deutschland als „Pariser Schmach“ und den von ihr entworfenen Völkerbund als „Bund der Imperialisten“. Die im Völkerbundvertrag vorgesehene Abrüstung und die Schiedsgerichte stammten aus dem „Arsenal der pazifistischen Wolkenschieber“. Der Abrüstungsartikel sei „Kautschuk“, da er die „nationale Sicherheit“ der Abrüstung voranstelle. Den Artikel über die territoriale Unversehrtheit der Mitgliedstaaten betrachtete Grimm als „Garantierung der den imperialistischen Siegern zugefallenen Beute“. Generell habe die Friedenskonferenz das „Selbstbestimmungsrecht der Nationen“ „mit Füssen getreten, die Forderung: keine Annexionen, keine Kontributionen in den Wind geschlagen.“
Im Unterschied zur SP arbeiteten die Grütlianer, die sich während des Weltkriegs von der SP getrennt hatten und nun mit geringem Erfolg eine „Sozialdemokratische Volkspartei“ aufzubauen versuchten, mit dem „Aktionskomitee für den Völkerbund“ zusammen. Vehementester Völkerbund-Befürworter auf der linken Seite war aber der Theologe Leonhard Ragaz, Ehemann der führenden IFFF-Aktivistin Clara Ragaz, der in zahlreichen Schriften und Artikeln für den Beitritt zur neuen Weltorganisation warb und die Nein-Parole der SP scharf kritisierte: „Ein altes, herrliches Ideal des Sozialismus, ‚der Weltfrieden’, sieht seiner Verwirklichung entgegen.“ Ragaz bezeichnete den 16. Mai 1919 als „Schicksalstag“ für die Schweiz wie auch den „schweizerischen Sozialismus“. Eine Ablehnung des Beitritts zum Völkerbund würde „einen Verzicht auf Mitarbeit an der neuwerdenden internationalen Ordnung“ bedeuten und damit „zugleich einen Verzicht auf alle die Lebenskräfte, die solch ein Mitwirken an einer grossen Sache in das wirtschaftliche, politische und geistige Leben eines Volkes ergiessen würde“. Der Völkerbund sei „kein Bund der Sieger“ und würde durch Beitritt der Schweiz noch mehr den „Charakter eines allgemeinen Bundes“ erhalten, der bald auch die Besiegten aufnähme. Auch sei der Völkerbund „nicht gegen den Sozialismus“, sondern „der Sozialismus des Völkerlebens“: „Sein Prinzip: die Ersetzung des Regimes der Gewalt und Ausbeutung durch eine Ordnung des Rechtes und der gegenseitigen Hilfe, ist auch das des wissenschaftlichen Sozialismus.“ Deshalb solle man trotz der Mängel des Völkerbunds „alle kleineren Gesichtspunkte“ beiseitelassen und sich „auf das Eine“ konzentrieren: „Es ist ein entscheidungsvoller Kampf, entscheidungsvoll für die Schweiz, den Sozialismus, die Menschheit, das Reich Gottes“.
Die Abstimmung lockte eine rekordhohe Zahl von 77,5% der stimmberechtigten Männer an die Urnen. Eine deutliche Mehrheit von 56,3% stimmten der Beitrittsvorlage zu, das Ständemehr wurde aber nur äusserst knapp mit 11,5 gegen 10,5 Standesstimmen erreicht. Hätten sich im Halbkanton Appenzell-Ausserrhoden 96 Stimmende statt für ein Ja für ein Nein entschieden, wäre die Vorlage am Ständegleichstand gescheitert (wobei umgekehrt fünf Nein-Stimmende des Halbkantons Appenzell-Innerrhoden mit einem Ja die Vorlage wieder hätten retten können). Während die Entente-freundliche lateinische Schweiz überwältigende Ja-Mehrheiten meldete (Waadt 93,2%, Neuenburg und Tessin jeweils 84,8%, Genf 83,0%), hatte die Vorlage in vielen Deutschschweizer Kantonen einen schweren Stand. Die deutlichste Ablehnung gab es im Kanton Uri mit 77,2% Nein-Stimmen, aber auch die bevölkerungsreichen Kantone Zürich, St. Gallen, Aargau, Basel (Stadt und Landschaft) und Solothurn, wo sich die Nein-Stimmen der isolationistischen und deutschfreundlichen Rechten sowie der linken Gegnerschaft kumulierten, meldeten ablehnende Mehrheiten, so dass in der Deutschschweiz insgesamt kein Volksmehr zustande kam.
Nach der Abstimmung organisierten sich die beiden Lager in dauerhaften Vereinigungen. Im Dezember 1920 entstand die „Schweizerische Vereinigung für den Völkerbund“, die zunächst vom freisinnigen und pazifistischen Altbundesrat Robert Comtesse präsidiert wurde und bis 1946 ein Bulletin herausgab. Akten zu dieser Vereinigung finden sich im Sozialarchiv im Nachlass von Fritz Studer. Die deutschfreundlichen Völkerbundgegner gründeten im Frühjahr 1921 den „Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz“ (VUS), zu dessen wichtigsten Exponenten der Gründungspräsident Eugen Curti, der Historiker und Erstunterzeichner der anpasserischen „Eingabe der 200“ von 1940 Hektor Ammann, der den VUS ab 1932 präsidierte, sowie der germanophile Theologe Eduard Blocher und der spätere Frontist Hans Oehler zählten. Hohe Offiziere wie Ulrich Wille sen. und jun., Theophil Sprecher von Bernegg, „Bürgerwehrgeneral“ Eugen Bircher (vgl. SozialarchivInfo 3/2019) und Gustav Däniker sen. waren ebenfalls Mitglieder oder Gönner des VUS. Als Mitgründer, Herausgeber und Schriftleiter der „Schweizerischen Monatshefte für Politik und Kultur“ öffnete Oehler die Spalten dieser Zeitschrift den Anliegen des VUS. Das Aufkommen der Frontenbewegung in den 30er Jahren, mit der es personelle Überlappungen gab, führte zum Ausscheiden demokratisch gesinnter Exponenten wie des Gründungspräsidenten Curti aus dem VUS. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Vorwurf des Anpassertums an Nazi-Deutschland den VUS ins politische Abseits und mündete in dessen Auflösung.
Der Völkerbund nahm seine Arbeit im November 1920 auf. Sitz war bis 1936 der „Palais Wilson“ in Genf, dann der neuerrichtete „Palais des Nations“ ebenda. Die Kandidatur von Genf, das seit 1863 bereits Sitz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz war, hatte vor allem dank des Engagements des liberalen Genfer Bundesrats Gustave Ador und des Ökonomen William E. Rappard das Rennen gegen die Mitkonkurrenten Brüssel und Den Haag gemacht. Der katholisch-konservative Schweizer Aussenminister Giuseppe Motta begrüsste am 15. November 1919 die erste Völkerbundversammlung mit den Worten: „Der Völkerbund wird leben, weil er ein Werk von Solidarität und Liebe sein muss.“
Ziel des Völkerbundes war es, die internationale Zusammenarbeit zu fördern, in Konfliktfällen zu vermitteln und die Einhaltung von Friedensverträgen zu überwachen. Ausserdem sollten sich die Mitgliedsstaaten im Falle eines kriegerischen Aktes gegenseitig beistehen. Die Hauptorgane des Völkerbundes umfassten die einmal pro Jahr tagende Völkerbundversammlung, in der jedes Mitgliedsland eine Stimme hatte und die meisten Beschlüsse Einstimmigkeit erforderten, der Völkerbundsrat mit ständigen und nichtständigen Mitgliedern, dessen Entscheidungen – unter Ausschluss beteiligter Konfliktparteien – einstimmig gefällt werden mussten, sowie das Generalsekretariat. Im Weiteren umfasste der Völkerbund den Ständigen Internationalen Gerichtshof, der sich zwischen 1922 und 1940 mit 22 zwischenstaatlichen Streitfällen befasste und 27 Gutachten erstellte, die Abrüstungskommission, die noch heute bestehende Internationale Arbeitsorganisation (vgl. SozialarchivInfo 2/2019), das Internationale Institut für geistige Zusammenarbeit (Vorläuferin der UNESCO), die Opiumkommission, die Flüchtlingskommission, die Antisklavereikommission, die Gesundheitsorganisation (Vorläuferin der WHO), die Kommission zur Bekämpfung von Frauen- und Kinderhandel, die Mandatskommission sowie verschiedene weitere administrative und beratende Kommissionen und Institute.
Der Mandatskommission oblag die Oberaufsicht über die sogenannten Mandatsgebiete, ehemalige deutsche Kolonien in Afrika und im Pazifikraum sowie Gebiete des zusammengebrochenen Osmanischen Reiches im Nahen Osten, die nicht sofort in die Unabhängigkeit entlassen, sondern im Auftrag des Völkerbundes von einzelnen Ländern, insbesondere den Kolonialmächten Grossbritannien und Frankreich, verwaltet wurden. Diese betrachteten die Mandate häufig eher als Arrondierung ihrer Kolonialreiche denn als treuhänderisch auf eine zukünftige Unabhängigkeit vorzubereitende Gebiete. Mit dem Mandatsgebiet Palästina übernahm Grossbritannien die Verantwortung für ein Territorium, das sich in der Folgezeit zunehmend zu einem Krisenherd entwickelte – dies nicht zuletzt als Resultat widersprüchlicher Versprechungen, die die Briten während des Ersten Weltkriegs arabischen und jüdischen Politikern bezüglich der Zukunft dieses Territoriums gemacht hatten. Die Franzosen sahen sich Mitte der 20er Jahren in ihrem Mandatsgebiet Syrien und Libanon mit einem grossen Aufstand konfrontiert, den sie brutal niederschlugen. Der Völkerbund selber verwaltete von 1920 bis 1935 das Saargebiet. Von 1919 bis 1939 stand die teilsouveräne Freie Stadt Danzig unter dem Schutz des Völkerbundes, der vor Ort durch einen Hochkommissar präsent war. Von 1937 bis zur Annexion durch Nazi-Deutschland im Herbst 1939 hatte dieses Amt der Basler Diplomat Carl Jacob Burckhardt inne.
Ein Grundproblem des Völkerbundes bestand darin, dass er zu keinem Zeitpunkt seiner Existenz alle bedeutenden Länder umfasste. War US-Präsident Wilson eine treibende Kraft hinter der Gründung der Organisation gewesen, so lehnte der amerikanische Senat, in welchem die Republikaner 1918 eine knappe Mehrheit gewonnen hatten, den Beitritt im November 1919 und April 1920 zwei Mal ab. Als im November 1920 der Republikaner Warren G. Harding zum Nachfolger Wilsons gewählt wurde, verschwand ein amerikanischer Beitritt zum Völkerbund definitiv von der Agenda. Deutschland, vom Versailler Vertrag als Schuldiger am Ersten Weltkrieg bezeichnet, konnte erst 1926 nach einem Prozess deutsch-französischer Annäherung durch die Konferenz von Locarno Völkerbundmitglied werden. Dadurch erschien die Organisation von Beginn weg als ein Instrument der westeuropäischen Siegermächte des Ersten Weltkriegs. Die Sowjetunion trat erst 1934 bei, wobei die Schweiz als einer von nur drei Staaten gegen ihre Aufnahme stimmte. Die (zukünftigen) Achsenmächte kehrten dagegen der ihren Zielen und Absichten entgegenstehenden Organisation im Verlauf der 30er Jahre den Rücken: Japan trat im Zuge seines Eroberungsfeldzugs in China im März 1933 aus, Deutschland folgte im Oktober 1933 wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme (wobei Hitler den Austritt noch durch ein Scheinreferendum bestätigen liess) und das faschistische Italien im Dezember 1937. Als Folge dieser Austritte kehrte die Schweiz mit Billigung des Völkerbundsrates am 14. Mai 1938 von der „differenziellen“ zur „integralen“ Neutralität zurück, die sie von wirtschaftlichen Sanktionsverpflichtungen entband.
Unter diesen Vorzeichen, die durch die Einstimmigkeitsanforderung der meisten wichtigen Beschlüsse noch verschärft wurden, hatte der Völkerbund bei wichtigen Konflikten der Zwischenkriegszeit – so der französisch-belgischen Besetzung des Ruhrgebiets 1923/24, dem Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 oder der Sudetenkrise 1938 – keinen Einfluss. In der Mandschurei-Krise 1931/32 machte der Völkerbund gegenüber dem Aggressor Japan grosse Zugeständnisse, was den Austritt Japans aber nicht verhinderte. Die Wirtschaftssanktionen gegenüber Italien während dessen mit völkerrechtswidrigen Mitteln geführtem Eroberungsfeldzug in Äthiopien 1935/36 liessen den italienischen Aussenhandel zwar um ein Drittel absacken, blieben letztlich aber zahnlos, da die Nichtmitglieder USA und Deutschland Mussolini weiterhin mit Öl und Kohle belieferten und die Sanktionen zwei Monate nach der vollständigen Unterwerfung Äthiopiens wieder aufgehoben wurden. Die Schweiz sperrte in diesem Zusammenhang ihre Rüstungslieferungen an Italien wie auch Äthiopien, begrenzte dagegen den Warenverkehr mit Italien lediglich auf den „courant normal“. Während des Zweiten Weltkriegs schliesslich umfasste der Völkerbund, nachdem die Sowjetunion Ende 1939 wegen des Angriffs auf Finnland (unter Stimmenthaltung der Schweiz) ausgeschlossen worden war, von den Grossmächten nur noch Grossbritannien und das 1940 von den Deutschen überrannte Frankreich und konnte entsprechend keine Rolle mehr spielen.
Dennoch ist die landläufige Vorstellung vom „gescheiterten Völkerbund“ zu einfach. Effektiv erreichte die Organisation bei der Lösung mehrerer Territorialkonflikte, die teilweise in Kriege zu eskalieren drohten, durchaus Erfolge, etwa 1920 in Bezug auf Spitzbergen, 1920/21 zwischen Finnland und Schweden um die Aland-Inseln (wobei Altbundesrat Calonder bei der Vermittlung eine Rolle spielte), 1921/22 zwischen Polen und Deutschland um Oberschlesien (dessen Abkommen in der Folge von einer „Gemischten Kommission“ überwacht wurde, die bis 1937 unter Calonders Leitung stand), 1923 zwischen Italien und Griechenland um die Insel Korfu sowie zwischen Frankreich, Polen und Litauen um das Memelland, 1926 zwischen der Türkei und dem Irak um die Provinz Mosul und 1933/34 zwischen Kolumbien und Peru um die Grenzstadt Leticia. Als 1925 an der bulgarisch-griechischen Grenze wegen eines Zwischenfalls Kämpfe ausbrachen, entsandte der von Bulgarien angerufene Völkerbund zur Stabilisierung der Lage französische, britische und italienische Offiziere in die Region. Vermittlungsversuche des Völkerbunds zwischen Bolivien und Paraguay im Konflikt um die Region Gran Chaco vermochten nicht zu verhindern, dass 1932 ein Krieg zwischen den beiden Staaten ausbrach. Der Völkerbund verhängte im Mai 1934 über beide Staaten ein Waffenembargo und verabschiedete im November einen Friedensplan, den aber nur Bolivien akzeptierte. Daraufhin wurden die Sanktionen gegen Paraguay aufrechterhalten, bis im Sommer 1935 ein Friedensschluss zustande kam.
Über die friedenserhaltenden und friedensvermittelnden Aktionen hinaus spielte der Völkerbund eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung des Völkerrechts, der Bekämpfung des internationalen Drogen- und Menschenhandels und der Zwangsarbeit sowie bei der Flüchtlingshilfe. Die Internationale Arbeitsorganisation initiierte bereits 1919 sechs Konventionen zu den Themen Arbeitszeit, Arbeitslosigkeit, Mutterschaftsschutz, Nachtarbeit von Frauen und Jugendlichen und Kinderarbeit. Im Auftrag des Völkerbundes bemühte sich der norwegische Diplomat und nachmalige Hochkommissar für das Flüchtlingswesen sowie Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen ab 1920 um die Heimkehr von Kriegsflüchtlingen und -gefangenen, von denen bis 1922 über 400’000 in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren konnten. Gleichzeitig engagierte sich Nansen für die Linderung der Hungerkatastrophe im bürgerkriegsversehrten Russland. 1922 initiierte der Völkerbund einen Reisepass für staatenlose Flüchtlinge und Emigranten (sogenannter „Nansen-Pass“), den bald eine grosse Zahl von Ländern anerkannten. 1922/23 machte sich Nansen nach dem Ende des griechisch-türkischen Krieges für die aus Kleinasien vertriebenen griechischen Bevölkerungsteile stark. Der daraufhin im Vertrag von Lausanne verankerte griechisch-türkische „Bevölkerungsaustausch“ erschien damals manchen als Modell einer humanen Lösung von Nationalitätenkonflikten, stellte allerdings nichts anderes als die Sanktionierung bereits erfolgter sowie noch bevorstehender Vertreibungen von rund zwei Millionen Menschen dar.
Im Jahre 1930 untersuchte eine Kommission des Völkerbunds auf Antrag der Regierung Liberias die Arbeitsbedingungen auf Gummiplantagen in amerikanischem Besitz und bestätigte dabei bestehende Vorwürfe über Zwangsarbeit. In der Folge erliess Liberia ein Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit. Im selben Jahr legte der sozialistische französische Aussenminister und Friedensnobelpreisträger Aristide Briand dem Völkerbund ein Memorandum für einen europäischen „Bund auf der Grundlage des Gedankens der Einigung“ als System kollektiver Sicherheit mit einem gemeinsamen Markt im Sinne der Vereinfachung des Güter-, Kapital- und Personenverkehrs vor. Der Vorschlag stiess beispielweise bei Giuseppe Motta auf Interesse, aber erst nach einem weiteren Weltkrieg sollten unter veränderten geopolitischen Vorzeichen Schritte zu seiner Realisierung folgen (vgl. SozialarchivInfo 4/2016).
Am Ende des Zweiten Weltkrieges war der Völkerbund nur noch ein Schatten der 1919 mit grossen Hoffnungen gegründeten Friedensorganisation. Aus einem Zusammenschluss der gegen die Achsenmächte kämpfenden Staaten waren in der zweiten Kriegshälfte die Vereinten Nationen (UNO) entstanden, die sich 1945 zu einer neuen, alle Grossmächte umfassenden Weltorganisation konstituierten und am 26. Juni ihre Charta verabschiedeten. Der Völkerbund beschloss daraufhin am 18. April 1946 seine Selbstauflösung. Die Schweiz spielte in der Folge zwar bei verschiedenen UNO-Unterorganisationen eine wichtige Rolle, trat der UNO selber in der Konstellation des Kalten Krieges aber aus Neutralitätsgründen nicht bei. Ein Postulat des Zürcher FDP-Nationalrats und NZZ-Chefredaktors Willy Bretscher setzte 1967 zwar die Beitrittsfrage auf die Tagesordnung, bewirkte unmittelbar aber nichts. Im März 1986 verwarfen Volk und Stände eine vom Bundesrat initiierte Beitrittsvorlage massiv mit 75,7% Nein-Stimmen und 0 zu 23 Standesstimmen. Das Ende des Kalten Krieges belebte die Debatte dann neu (vgl. SozialarchivInfo 5/2019). Zwar scheiterte 1994 die Beteiligung an UNO-Blauhelm-Missionen an der Urne, am 3. März 2002 wurde aber eine Volksinitiative für den Beitritt zur UNO mit 54,6% Ja-Stimmen und 12 zu 11 Standesstimmen angenommen. Am 10. September 2002 nahm die UNO-Generalversammlung in New York die Schweiz in ihre Reihen auf.
Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)
Archiv:
- Ar 1.150.1 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Schweizerische Aussenpolitik 1919–1965
- Ar 1.150.2 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Schweiz – Völkerbund und Sowjetunion
- Ar 1.160.1 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: UNO
- Ar 45 Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF)
- Ar 103.50.1 Nachlass Max Weber: Sozialdemokratische Partei ca. 1926–1972
- Ar 114.7 Nachlass Fritz Studer: Friedenssicherung
- Ar 124.11 Nachlass Max Gerber: Friedensbewegung, Antimilitarismus
- Ar 137.25.1 Nachlass Max Rotter: Politische Aktivitäten 1911–1928
- Ar 201.280.1 Dokumentation Erster Weltkrieg: Friedensbemühungen, Pazifismus
Sachdokumentation:
- KS 32/159 Friedensbewegung, Pazifismus, 1914–1918
- KS 32/170 Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit
- KS 34/15 Völkerbund: Idee, Projekte
- KS 34/16, a-e Völkerbund
- KS 34/17, a-d Völkerbund: Wirtschaftsfragen
- KS 34/18 Völkerbund: Soziale Fragen
- KS 34/19, a-b Schweiz und Völkerbund
- KS 362/37 Kinderschutz: Völkerbundsberichte
- QS 43.2 *2 Schweiz und UNO
- ZA 43.2 *2 Schweiz und UNO
Bibliothek:
- Beilagen zur Botschaft betreffend die Frage des Beitrittes der Schweiz zum Völkerbund. Bern 1919, Hf 5032
- Bonjour, Edgar: Neutralität und Völkerbund, ein Gutachten Walther Burckhardts, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 27 (1977). S. 342-348, D 4212
- Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Frage des Beitrittes der Schweiz zum Völkerbund vom 4. August 1919. Bern 1919, Hf 4656
- Burckhardt, Carl J.: Meine Danziger Mission, 1937–1939. 2. erw. Aufl. Zürich 1960, 26468
- Calonder, Felix: Schweiz und Völkerbund: Rede gehalten auf Einladung der Neuen Helvetischen Gesellschaft am 19. Oktober 1919 in der Volksversammlung zu Winterthur. Zürich 1920, 32/143-12
- Diethelm, Robert: Die Schweiz und friedenserhaltende Operationen 1920–1995. St. Gallen 1997, 101955
- Farquet, Christophe : Le secret bancaire en cause à la Société des Nations (1922–1925), in: Traverse 16/1 (2009). S. 102-115, D 5397
- Fisch, Jörg: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker: Die Domestizierung einer Illusion. München 2010, 123635
- Goetz, Ulrich: Frieden um jeden Preis? Völkerbund – UNO: Haltung der Schweiz. Zürich 1946, 32/56-8
- Grap, Gilbert: Differenzen in der Neutralität: Der Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz (1921–1934). Zürich 2011, 125353
- Grimm, Robert: Sozialdemokratie und Völkerbund. Bern 1920, Hf 4913
- Guggenheim, Paul: L’organisation de la société internationale. Neuchâtel o. J. [1944?], 15352
- Guggenheim, Paul: Völkerbund, Dumbarton Oaks und die schweizerische Neutralität. Zürich 1945, 13779
- Heinemann, Franz: Was muss man vom Völkerbunde wissen? In Fragen und Antworten gemeinverständlich beleuchtet. Olten 1920, Hf 2915
- Heusler, Andreas et al.: Fünf Stimmen über den Versailler Völkerbund. Basel 1920, 36218
- Jaeger, René: Ueber die Rolle der Neutralität im Völkerbund und die Gestaltung der dauernden Neutralität der Schweiz. Bern 1942, 13561
- Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden: Ein philosophischer Entwurf. Hg. Theodor Valentiner. Stuttgart 1965, Hf 7252
- Komitee gegen den Beitritt der Schweiz zum Versailler Völkerbund (Hg.): Schweizervolk wahre Freiheit! Die Frage des Beitritts der Schweiz zum Versailler Völkerbund. Bern 1920, 36218
- Kunz, Hans B.: Weltrevolution und Völkerbund: Die schweizerische Aussenpolitik unter dem Eindruck der bolschewistischen Bedrohung, 1918–1923. Bern 1981, 70628
- Laqua, Daniel (Hg.): Internationalism reconfigured: Transnational ideas and movements between the World Wars. London 2011, 129056
- Lowe, Chun-yip: Zum ewigen Frieden: Die Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls. Frankfurt 2015, 133047
- Milhaud, Edgard : Plus jamais! L’organisation de la paix : Le pacte de la Société des Nations, les amendements nécessaires. Genf 1919, 36982
- Moos, Carlo: Ja zum Völkerbund – Nein zur UNO: Die Volksabstimmungen von 1920 und 1986 in der Schweiz. Zürich 2001, 107950
- Moriaud, Paul: Der Völkerbund und die Schweiz. Bern 1919, 71942
- Nabholz, Hans: Der Kampf um den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund, in: Vom Krieg und vom Frieden: Festschrift der Universität Zürich zum siebzigsten Geburtstag von Max Huber. Zürich 1944. S. 219-254, 13424
- Payk, Marcus M.: Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg. Berlin/Boston 2018, 140456
- Peter, Anna Ruth: William E. Rappard und der Völkerbund: Ein Schweizer Pionier der internationalen Verständigung. Bern 1973, 51688
- Ragaz, Leonhard: Sozialismus und Völkerbund: Ein Wort zur Besinnung. Zürich 1919, Hf 1800
- Ragaz, Leonhard: Völkerbund und Sozialismus: Ein Wort an die Arbeiterschaft. Zürich o. J. [1919?], Hf 1773
- Ragaz, Leonhard: Sollen wir in den Völkerbund?, in: Neue Wege 13 (1919). S. 569-600, N 15
- Rappard, William E.: Die Politik der Schweiz im Völkerbund 1920–1925: Eine erste Bilanz. Chur 1925, Hg 727
- Ringgenberg, Cecile M.: Die Beziehungen zwischen dem Roten Kreuz und dem Völkerbund. Bern 1970, 40973
- Schürch, Ernst: Zwölf Fragen zum Völkerbund. Bern 1919, 46251
- Semmler, Kurt: Kirche und Völkerbund: Das Verhalten der evangelisch-reformierten Kirchen der Schweiz gegenüber dem Völkerbund. Zürich 1973, 48975
- Soiron, Rolf: Der Beitrag der Schweizer Aussenpolitik zum Problem der Friedensorganisation am Ende des ersten Weltkrieges. Basel 1973, 50723
- Sprecher von Bernegg, Theophil von et al.: Die Schweiz und der Völkerbund: Militärisches Gutachten. Basel 1920, Hf 5320
- Stettler, Bernhard: Die Stellung der Schweiz zum Sanktionssystem des Völkerbundes: Von 1919 bis zur Anwendung gegen Italien 1935/36. Bern 1977, 60236
- Veit, Moritz: Saint Simon und der Saintsimonismus: Allgemeiner Völkerbund und ewiger Friede. Leipzig 1832, HF 208
- Vögeli, Viktor: Völkerbund und Neutralität: Grundzüge der schweizerischen Auseinandersetzung von 1919/1920. Schwarzenbach 1949, 16949
- Wehberg, Hans: Die Völkerbundsatzung: Erläutert unter Berücksichtigung der Verträge von Locarno, des Kriegsächtungspaktes usw. 3. erw. Aufl. Berlin 1929, 36264
- Wilson, Woodrow: Memoiren und Dokumente über den Vertrag zu Versailles anno 1919. 3 Bde. Leipzig 1923-1924, 12809: 1-3
- Zala, Sacha und Marc Perrenoud (Hg.): La Suisse et la construction du multilatéralisme, vol. 2: Documents diplomatiques suisses sur l’histoire de la Société des Nations 1918–1946 = Die Schweiz und die Konstruktion des Multilateralismus, Bd. 2: Diplomatische Dokumente der Schweiz zur Geschichte des Völkerbundes 1918–1946. Bern 2019, 142472
- Ziele und Organisation des Völkerbundes. Genf 1930, 36270
- Zoller, Otto: Die Schweiz im Völkerbund und im Friedensvertrag von Versailles: Tatsachen und Dokumente. Zürich 1919, 46219
- Zurlinden, S.: Der Völkerbund und die Schweiz. Zürich 1919, Hf 2934
Periodika:
- Das freie Wort: Unabhängiges Organ für Völkerbund und Schweizerpolitik, D 3252
- Die Tätigkeit des Völkerbundes, N 1063
- Der Völkerbund: Mitteilungen der Schweizer. Vereinigung für den Völkerbund, ZZ 326