Peter Pfrunder, Gian Franco Ragno (Hrsg.): Roberto Donetta – Fotograf und Samenhändler aus dem Bleniotal. Zürich 2016.
Die Fotostiftung Schweiz in Winterthur zeigt momentan in einer eindrücklichen Ausstellung die Fotografien des Tessiners Roberto Donetta (1865-1932). Donetta fristete sein Leben während einer Zeitspanne von dreissig Jahren als wandernder Fotograf und Samenhändler und hinterliess nach seinem Tod rund 5‘000 Glasplatten, die nur durch Zufall erhalten sind. Sie dokumentieren auf präzise und einfühlsame Weise das archaische Leben der Menschen im damals noch abgeschotteten Valle di Blenio und den langsamen Einzug der Moderne.
In einer Epoche des Umbruchs wurde Donetta zu einem einzigartigen Chronisten, verstand sich aber gleichzeitig als Künstler. Als Autodidakt experimentierte er mit grosser Freiheit und wusste sein Medium virtuos einzusetzen. Seine Bilder sind eindringlich und humorvoll, heiter und todernst – ob sie nun Kinder, Familien, Hochzeitspaare, Berufsleute, den harten Alltag von Frauen und Männern oder den Fotografen selbst zeigen.
> Die Ausstellung in der Fotostiftung in Winterthur läuft noch bis zum 4. September 2016.
Ben Rawlence: Stadt der Verlorenen – Leben im grössten Flüchtlingslager der Welt. München 2016.
Im Rahmen der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise in Europa wurde im Mai dieses Jahres bekannt, dass die kenianische Regierung das grösste Flüchtlingslager der Welt, Dadaab, schliessen will. Rund 300‘000 Menschen wohnen dort, viele bereits seit der Gründung des Lagers vor 25 Jahren, andere wurden gar dort geboren. Es sind hauptsächlich Somalis, die vor Bürgerkrieg, islamistischen Shabaab-Milizen und Hunger geflohen sind.
Der britische Menschenrechtsaktivist und Autor Ben Rawlence hat sechs Einwohner von Dadaab begleitet und berichtet vom Leben in der Flüchtlingsstadt, in der die Leute neben dem Kampf gegen die Armut auch ein alltägliches Leben führen, Geschäften nachgehen, Schulen besuchen oder Fussball spielen.
Avenue – Das Magazin für Wissenskultur
„Wir Cyborgs“ – so lautet das Thema der ersten Nummer des neuen Schweizer Magazins „Avenue – Das Magazin für Wissenskultur“. Corinna Virchow und Mario Kaiser trotzen der vielbeschworenen Zeitschriftenkrise und wollen in ihrem Organ populärwissenschaftliche Themen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften verhandeln. Aussergewöhnlich ist das Vorgehen des Basler Paars: Die Inhalte des Magazins werden zunächst mit Open Access ins Netz gestellt, wo die Artikel kommentiert und kritisiert werden können; erst danach erscheint deren definitive Version mitsamt Kommentaren im gedruckten Heft.
Der Anfang ist gelungen. Die erste, 124 Seiten starke Nummer vermag zu überzeugen: Das Schwerpunktthema wird in den Rubriken „Leben & Denken“, „Kritiken & Berichte“, „Studium & Uni“ sowie „Forschung“ beleuchtet – neben einem Interview mit Klaus Theweleit über den technologischen Menschen findet sich ein Artikel von Sascha Dickel über die Beziehungsprobleme zwischen Mensch und Maschine oder eine Kritik zu Spike Jonzes Film „Her“. Vielversprechend lauten auch die Themen der nächsten beiden Ausgaben: Hochstapler und Pornografie.
> Website: www.avenue.jetzt