Uster ist randständig
Bei der Diskussion in der Stadt- und Regionalbibliothek Uster diskutierten Corine Mauch, Stadtpräsidentin Zürich, und Martin Bornhauser, Stadtpräsident Uster, unter der Leitung von Stefan Hotz, Redaktor NZZ, über bestehende und zukünftige Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen der grössten und der drittgrössten Stadt des Kantons Zürich.
Als ehemalige Abfall- und Umweltbeauftragte von Uster hatte Corine Mauch das Zusammenrücken von Uster und Zürich dank der S-Bahn persönlich miterlebt. Die verkehrstechnische Annäherung hat aber in den Köpfen nicht automatisch eine mentale Nähe produziert, die sich beispielsweise auch in einer Zusammenarbeit auf der politischen und der Behördenebene niedergeschlagen hätte.
Die Nähe von Uster zu Zürich ist gemäss Martin Bornhauser nicht in allen Belangen nur ein Segen. Zu den grossen Qualitäten von Uster gehört sein Angebot im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der Anbindung an den motorisierten Individualverkehr. Uster hat sich auch als Wohnstadt gut etabliert. Hingegen gibt es auf dem Platz Uster eindeutig zu wenige Arbeitsplätze: für die Arbeit und auch für den Kulturkonsum in der Freizeit reist man nach Zürich. Auf den Austausch von Zürich mit seinen Agglomerationsgemeinden angesprochen, betonte Corine Mauch, dass Zürich unbedingt auf sein Umland angewiesen sei. Den politischen Grenzen käme im konkreten Alltag der Menschen sowieso keine grosse Bedeutung zu.
Schnell wurde im Gespräch der zwei StadtpräsidentInnen deutlich, dass es nicht einfach ist, Formen der institutionellen Zusammenarbeit zu finden, die sowohl für grosse als auch für kleinere und kleinste Gemeinden eine geeignete Plattform darstellen. Der ‹Gemeindepräsidentenverband› (GPV) und die ‹Metropolitankonferenz› wären eigentlich wichtige Gremien der institutionalisierten Zusammenarbeit (und es gibt auch noch die ‹S-5-Stadt›, das ‹Zürcher Oberland› und den ‹Städteverband’…). Trotzdem wird in der Praxis vielmehr situativ und themenbezogen eine Zusammenarbeit gesucht.
Stefan Hotz stellte die (rhetorische) Frage in den Raum, ob denn der Druck und die Dringlichkeit der Probleme beim Thema Verkehr und Zersiedelung nicht stark genug seien, um eine konstantere Zusammenarbeit zu pflegen. Bornhauser wehrte sich und stellte klar, wo Uster – mit beschränkteren Ressourcen in der Verwaltung als beispielsweise Zürich – seine Prioritäten setzt: es möchte in erster Linie sein Image als schöne Wohnstadt gegen innen und gegen aussen bekannter machen und strebt eine führende Rolle in der Region Zürcher Oberland an. Auch hier sei jedoch das Denken noch sehr kommunal geprägt, die Dimension des Regionalen sei noch nicht in den Köpfen angekommen. Dabei, ergänzte Mauch, wäre es gerade für kleinere Gemeinden wichtig, sich zu einer Region zusammenzutun und sich dann als regionale Stimme beispielsweise bei der ‚Metropolitankonferenz’ Gehör zu verschaffen.
Als mögliche Form des Zusammengehens von Zürich mit seinen Agglomerationsgemeinden erwähnte Hotz die Auslagerung von gewissen Infrastrukturen wie zum Beispiel dem Hallenstadion. Mauch hätte damit grundsätzlich keine Probleme, denn funktional betrachtet bildeten Zürich und sein Umland ohnehin einen zusammenhängenden Raum. Nur in den Köpfen werde das noch nicht so wahrgenommen. Die gefühlsmässige Identität sei noch stark an eine bestimmte Gemeinde oder sogar an einen Stadtkreis gebunden: «Ein Schwamendinger bleibt (trotz Eingemeindung) ein Schwamendinger.» Viele Gemeinden im Umland von Zürich sähen sich zudem nach wie vor als ländlich geprägt und setzten sich mental vom urbanen Zürich ab.
Ein gewichtiges Thema bei Auslagerungen sei sodann die Verkehrsanbindung. Hier stellten sich wichtige ökonomische und ökologische Fragen der Mobilität, denn die Erfahrung zeige auch für den öffentlichen Verkehr: wird mehr Verkehrskapazität angeboten, so wird sie auch ausgeschöpft. Je schneller die Pendlerstrecken werden, desto längere Pendlerdistanzen werden in Kauf genommen. Bornhauser wünschte sich deshalb für Uster mehr Arbeitsplätze und Unternehmen, so dass Leben und Arbeiten an einem Ort möglich ist.
Stefan Hotz wollte von Mauch und Bornhauser schliesslich noch wissen, wo Zürich und Uster auch voneinander lernen könnten. Offenbar sind für gegenseitige Lernprozesse die Rahmenbedingungen in Zürich und in Uster doch zu unterschiedlich. Es kam vor allem die Zentrumsentwicklung zur Sprache, wobei die Ausgangslage in Uster, das kein eigentliches historisches Stadtzentrum besitzt, eine grundsätzlich andere ist als in Zürich. Dessen dichte Bebauung führe, so Mauch, unweigerlich zu einem starken Aufeinanderprallen der verschiedenen Nutzungsansprüche. Dem könne nur mit einer von Beginn weg partizipativ angelegten Gestaltung begegnet werden. Uster, versprach Bornhauser, werde die Zentrumsbildung trotz der Erfahrungen mit «Kern Nord» weiter vorantreiben, auch wenn der Weg dahin noch lang sei, da die Stadt das Land nicht selber besitze. Auch die Einkaufszentren gehörten ins Zentrum und nicht an den Stadtrand verbannt. Einig war man sich darüber, dass für das Funktionieren öffentlicher Räume der Parterregestaltung der Gebäude (Restaurants, Läden) eine entscheidende Rolle zukommt.
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In der Diskussion mit dem Publikum zeigte sich noch einmal, wie eng Stadt- und Verkehrspolitik zusammenhängen: Das Votum aus dem Publikum, nicht nur der private, auch der öffentliche Verkehr sei zurzeit zu preisgünstig, wies auf die Kostenwahrheit bei der Mobilität hin – ein komplexes Thema, das an diesem Abend nur gestreift werden konnte. Auch die Kulturpolitik wurde aus aktuellem Anlass (Stichwort «Nagelhaus») angesprochen. Bei Kunst im öffentlichen Raum sei die demokratische Diskussion immer schwierig, meinte Mauch, und nur ein früher Einbezug der Bevölkerung könne die Chancen für spezielle Projekte wie den Hafenkran erhöhen. Bornhauser plädierte dafür, Kultur und Sport ähnlicher zu gewichten, und sieht es als Aufgabe der Politik, dies politisch auch überzeugend zu kommunizieren. Kultur sei nicht etwas Elitäres, sondern biete auch Heimat. Das Publikum wollte zum Schluss noch einmal hören, wohin sich denn nun Uster orientiere: in Richtung Glatttal oder nach dem Zürcher Oberland hin? Martin Bornhauser misst dem Zürcher Oberland für Uster offensichtlich grössere Bedeutung zu, auch wenn Uster – im Gegensatz zu Wetzikon – beim Bund nicht als Agglomerationszentrum erwähnt ist. Der Stadtpräsident nimmt das sportlich und meinte lakonisch: «Uster ist randständig.» Sein Wille, dies zu ändern, war an diesem Abend spürbar.
Ulrike Schelling
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