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Paul Pflüger – Gründer des Schweizerischen Sozialarchivs

Der Gründer des heutigen Schweizerischen Sozialarchivs, Paul Pflüger (1865-1947), zählt zu den sozialpolitischen Pionieren der Schweiz. Als einer der ersten Pfarrer der Schweiz trat er 1895 in die Sozialdemokratische Partei ein. Als „roter Pfarrer“ wurde er 1898 in die Arbeitergemeinde Zürich III (Aussersihl, Industriequartier) berufen. In Zürich begann dann bald seine politische Karriere: 1900 Mitglied des Kantonsrates, 1901 des Grossen Stadtrates. 1910 wurde er als Vorsteher des Armen- und Vormundschaftswesens in die städtische Exekutive gewählt, der er bis 1922 angehörte. Von 1911 bis 1917 sass er auch im Nationalrat. Paul Pflüger war zwischen 1912 und 1914 Zentralpräsident der Grütlianer. Gleichzeitig amtierte er als Vizepräsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.

Ein sozialpolitischer Vorkämpfer

Politisch setzte sich Pflüger für den sogenannten Gemeindesozialismus ein: Mit Reformen auf kommunaler Ebene wollte er ein Stück Sozialismus verwirklichen und dabei den Lebensstandard der Bevölkerung schrittweise anheben. Im Stadtrat förderte er als Vorsteher des Armen- und Vormundschaftswesens den kommunalen Siedlungsbau, reorganisierte das städtische Fürsorgewesen und baute die öffentlichen Dienste aus. Er war ein Vorkämpfer für die Arbeitslosenversicherung und die AHV und setzte sich für die Emanzipation der Frau ein.

Verfasser von zahlreichen Schriften

Paul Pflüger hat ein ausgedehntes Schrifttum hinterlassen. In mehr als hundert Publikationen hat er sich mit den verschiedensten Fragen beschäftigt: Glaubensfragen, Jugendfragen, Arbeiterbildung, Alkoholismus, Prostitution, Militarismus, Boden- und Wohnungsfrage, Achtstundentag, Sozialversicherung, Wahlsystem, Grundlagen des Marxismus und Sozialismus – kaum ein Gebiet aus der sozialen und geistigen Welt, das er nicht berührt hätte.

Eine initiative Persönlichkeit

Paul Pflüger entfaltete eine rastlose Tätigkeit. Sie führte zur Gründung zahlreicher Vereine und Institutionen, welche die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft verbessern sollten. 1896 war er einer der Gründer der Zürcher «Volkshochschulkurse», ab 1897 gab Pflüger die «Socialwissenschaftliche Volksbibliothek» heraus, 1898 gründete er den «Zürcher Dienstbotenverein», 1899 den «Verein für Arbeiterbildungskurse», 1900 den «Jungburschenverein Aussersihl». 1906 erfolgte auf seine Initiative hin die Gründung der «Zentralstelle für soziale Literatur» (heute: Schweizerisches Sozialarchiv), im gleichen Jahr trat die «Akademisch-soziale Vereinigung» ins Leben, und 1915 erfolgte die Gründung des «Vereins für Familiengärten».
Pflüger war ein Mann der Tat. Zeitgenossen schildern ihn als charismatischen Arbeiterführer mit grosser Rednergabe, dem despotische Züge durchaus nicht fremd waren. Nach seinem Rücktritt aus dem Stadtrat 1922 zog sich Pflüger aus dem öffentlichen Leben zurück.

Literatur:

Nachlass im Schweizerischen Sozialarchiv, Zürich; Erich Gruner, Arbeiterschaft und Wirtschaft in der Schweiz, 1880-1914, Bd. 3, Zürich 1988, S. 606-610.

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