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Garnprobe bei den Emser Werken, um 1940 (Foto: Urheber:in unbekannt / SozArch F 5031-Fb-0047)
Garnprobe bei den Emser Werken, um 1940 (Foto: Urheber:in unbekannt / SozArch F 5031-Fb-0047)

Buchempfehlungen der Bibliothek

Regula Bochsler: Nylon und Napalm. Die Geschäfte der Emser Werke und ihres Gründers Werner Oswald. Zürich, 2022

«Nylon und Napalm » erzählt die spannende Geschichte der Emser Werke und ihres Gründers Werner Oswald. Die 1936 gegründete Firma «Holzverzuckerungs AG» (HOVAG) produzierte mit staatlicher Unterstützung einen Ersatztreibstoff, im Volksmund «Emser-Wasser» genannt. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das im Vergleich zum Benzin qualitativ schlechtere «Emser-Wasser» zu teuer und es mussten neue Umsatzmärkte erschlossen werden.
Mithilfe von Industriespionage und ehemaligen Chemikern aus Nazi-Deutschland – unter ihnen auch verurteilte Kriegsverbrecher – baute Oswald in Domat/Ems eine Kunstfaserproduktion auf. Daneben wurden aber auch Flab-Raketen, Minen und Zünder sowie die Napalm-Variante «Opalm» entwickelt und hergestellt. Da der Export von «Opalm» vom Bund verboten wurde, liess Werner Oswald die Brandbomben in Deutschland produzieren. «Opalm» wurde in mehreren Bürgerkriegen in Südostasien und Jemen eingesetzt. Von der Existenz des «Opalms» erfuhr die Autorin durch Zufall über den Nachlass eines ehemaligen Chemikers der Ems-Chemie. Der Zugang zum Firmen-Archiv der Ems-Chemie blieb Regula Bochsler aber verwehrt.

Jessikka Aro: Putins Armee der Trolle. Der Informationskrieg des Kremls gegen die demokratische Welt. München, 2022

Im Februar 2017 flüchtete die finnische Journalistin Jessikka Aro aus ihrer Heimat. Seit 2014 hatte sie über Web-Trolle des Putin-Regimes recherchiert. Nach der Publikation ihres ersten Artikels begann eine Verleumdungskampagne, die zweieinhalb Jahre anhielt und von telefonischen, digitalen und physischen Belästigungen bis hin zu Morddrohungen begleitet war.
Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Leidensgeschichte stellt Aros Buch Strategien, Methoden und Reichweite der Trollfabriken dar. Im Vordergrund stehen dabei nicht deren bekannte Kampagnen wie in der Ostukraine im Vorfeld der Errichtung der Marionetten-«Volksrepubliken» 2014, beim Brexit-Referendum oder den amerikanischen Wahlen 2016. Der Fokus liegt auf Attacken gegen verschiedene Persönlichkeiten und Organisationen seit 2005. Als häufigste, von klassischen Propaganda- und Geheimdienstmethoden entlehnte Techniken identifiziert Aro den «faulen Hering» (einer Zielperson durch falsche Beschuldigungen einen «üblen Geruch» anheften), die «grosse Lüge» (Behauptungen verbreiten, die so unfassbar sind, dass sie für nicht erfunden gehalten werden) sowie das «Prinzip 40 zu 60» (40% Falschinformationen unter 60% Fakten mischen).
Das Buch ist im Original 2019 erschienen. Die intensive Tätigkeit der putinistischen Trolle während der Corona-Pandemie und seit dem Überfall auf die Ukraine ist noch nicht abgedeckt. Die Lektüre empfiehlt sich trotzdem und schärft auch den Blick für Troll-Aktivitäten im helvetischen Cyberspace.

Weitere Literatur zum Thema:

  • Clack, Timothy und Robert Johnson (Hg.): The world information war: Western resilience, campaigning and cognitive effects. London/New York 2021, 147682
  • Davydiuk, Mykola: Wie funktioniert Putins Propaganda? Anmerkungen zum Informationskrieg des Kremls. Stuttgart 2021, in Bearbeitung
  • Fridman, Ofer: Russian «hybrid warfare»: Resurgence and politicisation. London/Oxford 2018, 140268
  • Jasper, Scott: Russian cyber operations: Coding the boundaries of conflict. Washington D.C. 2020, 145333
  • Jaster, Romy und David Lanius: Die Wahrheit schafft sich ab: Wie Fake News Politik machen. Ditzingen 2019, 141247 Ex.2
  • Limonier, Kevin: Ru.net: Géopolitique du cyberspace russophone. Paris 2018, 142675
  • Mueller, Robert S.: Der Mueller Report. Berlin 2019, 143073
  • Payton, Theresa: Manipulated: Inside the cyberwar to hijack elections and distort the truth. Lanham 2020, 145628
  • Reimon, Michel und Eva Zelechowski: Putins rechte Freunde: Wie Europas Populisten ihre Nationen verkaufen. Wien 2017, 142864
  • Schaeffer, Ute: Fake statt Fakt: Wie Populisten, Bots und Trolle unsere Demokratie angreifen. München 2018, 139305
  • Van Herpen, Marcel H.: Putin’s propaganda machine: Soft power and Russian foreign policy. Lanham 2016, 125837
  • Yablokov, Ilya und Precious N. Chatterje-Doody: Russia Today and Conspiracy Theories: People, Power and Politics on RT. London/New York 2022, 148053

Kim, Dong-Jin, and David Mitchell: Reconciling Divided States. Peace Processes in Ireland and Korea. London, 2022

This book is a compilation of essays that presents a complex image of the peacebuilding process in Ireland and Korea through various perspectives such as the origins of the struggle, achieved agreements, socio-economic development, and many others. During the course of the book, we get acquainted with relatively different experiences. Yet, they still have similarities that allow us to spot the main patterns of peace-making, while not generalizing each case.
A separate mention goes to the chapter which describes outcomes of different peace-making strategies such as political agreement in Northern Ireland, the military armistice in the Korean Peninsula, and military force in Sri Lanka. It might not be the most obvious idea to compare the socio-political struggles of two countries that lie apart for more than 8’000 km, however, this is something that we certainly need and will be using as an insight book while navigating the current world of international relations.

Christiane Hoffmann: Alles, was wir nicht erinnern. Zu Fuss auf dem Fluchtweg meines Vaters. München, 2022

Aus Angst vor der Roten Armee flüchtet der Vater von Christiane Hoffmann 1945 aus dem kleinen Dorf Rosenthal in Schlesien, dem heutigen polnischen Różyna. 75 Jahre später, nach dem Tod ihres Vaters, beschliesst die Tochter, den Weg zu erwandern, 550 km nach Westen. Es wird ein sehr persönliches, literarisches Buch über Flucht und Heimat, über die Schrecken des Krieges und über das, was wir verdrängen, um zu überleben. Die Journalistin läuft bis an ihre physischen und psychischen Grenzen durch die Albträume ihrer Kindheit, um zu erinnern, was der Vater vergessen hat. Das Buch verschränkt ihre Familiengeschichte mit der Historie, Zeitzeugenberichte mit Begegnungen auf ihrem Weg. Sie fragt sich, wie Familien, Gesellschaften mit der Vergangenheit umgehen und was heute vom Fluchtschicksal bleibt. Der Bericht hat eine ungeahnte Aktualität erhalten und bestätigt Christiane Hoffmanns Aussage, dass «der Schrecken höchstens für zwei Generationen» hält.
Christiane Hoffmann studierte Slawistik, Geschichte und Journalistik und arbeitete als Journalistin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und den Spiegel. Seit Januar 2022 ist sie erste Stellvertretende Sprecherin der deutschen Bundesregierung. Sie ist mit Tim Guldimann, dem früheren Schweizer Diplomaten, verheiratet.

Wolfgang Bauer: Am Ende der Strasse. Afghanistan zwischen Hoffnung und Scheitern. Eine Reportage. Berlin, 2022

Kaum ein deutscher Journalist kennt Afghanistan so gut wie Wolfgang Bauer. Der Reporter der Wochenzeitung «Die Zeit» war regelmässig vor Ort und kehrte auch nach dem Fall Kabuls im August 2021 noch einmal in das Land zurück. Er bereiste die afghanische Ring Road, einen 2’200 Kilometer langen kreisförmigen Highway, der die wichtigsten Städte des Landes miteinander verbindet. Durch diese Reisen versucht der Autor, «ein Land zu verstehen, das mich provoziert, mit meinen Werten in Frage stellt, mich verwirrt, nach vielen Jahren noch».
Wolfgang Bauer sucht also nochmals Schauplätze auf, die er seit seiner ersten Reise kurz nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001 besuchte. So berichtet er beispielsweise aus Kandahar, der «inoffiziellen Hauptstadt». Neben Zehntausenden Klimaflüchtlingen, die aufgrund der extremen Trockenheit im Land Zuflucht gesucht haben, hat auch die Binnenvertreibung wieder stetig zugenommen. Bauer erzählt von diesen Menschen und versucht auch die Rolle des Westens zu ergründen. Obwohl es in diesem geschundenen Land wenig Grund zur Zuversicht gibt, verfolgt der Autor mit seinem Buch das Ziel, «die Hoffnung wiederzufinden».

Adrian Juen: Die häusliche Ordnung schulischer Pädagogik. Zur Praxis der Hauswarte und Hausmütter an den Zürcher Lehrer:innenseminaren, 1900-1950. Zürich, 2022

Was heute der «Facility Manager» ist, war früher – zumindest in den Schulhäusern – der «Abwart» (Frauen waren wohl eher als die «Frau vom Abwart» anzutreffen). Auch an den Zürcher Lehrer:innenseminaren Küsnacht, Unterstrass und an der Höheren Töchterschule wirkten zwischen 1900 und 1950 zahlreiche Hauswarte und eben auch Hausmütter. Bei ihnen handelt es sich um kaum erforschte Akteur:innen – dabei ist eine Schule ohne sie nicht denkbar. Wie heute noch regulierten sie den Zugang zu den Gebäuden, waren für die Reinigung verantwortlich und kontrollierten Heizung, Beleuchtung und Wartung der Schulanlagen. Sie beaufsichtigten zudem die Schüler:innen und waren oft Respektspersonen – im positiven wie negativen Sinn.
Die Dissertation von Adrian Juen untersucht das Wirken der Hauswarte an den Zürcher Lehrer:innenseminaren, die über gut dokumentierte und umfassende Archivbestände verfügen. Dabei geht der Verfasser der Frage nach, inwiefern Hauswarte und Hausmütter die Schulen mit ihren komplexen Sozialgefügen prägten, und es werden auch persönliche Geschichten erzählt. Es geht um den undefinierbaren «Schulhausgeruch», der uns noch allen in der Nase steckt, oder um den Hygienediskurs, der die Schulhäuser seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erfasste.

Bestände in der Sachdokumentation des Sozialarchivs:

  • Dossier 14.0 *P Erziehung, Pädagogik
  • Dossier 15.0 Schule, Volksschule; Schulsysteme, Schulpolitik
15. December 2022Susanne Brügger back