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Still aus «LIBERTY, LOVE AND LONELINESS II», Philip Ortelli, 2024
Still aus «LIBERTY, LOVE AND LONELINESS II», Philip Ortelli, 2024

25.11.2024, 18.30 Uhr: Le Foyer – In Process

Artist-Archivist-Artist

Philip Ortelli & Philipp Gufler

Philip Ortelli nutzt Archive, um die Geschichte von LGBTQIA+-Gemeinschaften zu rekonstruieren. Er entnimmt öffentlichen Archiven Material, führt ihnen aber auch neues zu – so auch im Fall des schwulenarchivs, das im Schweizerischen Sozialarchiv untergebracht ist. Darin fand Ortelli Konvolute mit Geschichten queeren Lebens, denen er seine eigene sammelnde Arbeit in den Sozialen Medien gegenüberstellt.

Im Zentrum von Philipp Guflers künstlerischer Arbeit stehen Bilder und Geschichte(n) queeren Lebens. Historische Persönlichkeiten, Entwicklungen und einschneidende Ereignisse aus unterschiedlichen Zeitspannen treten in einen Dialog und erzählen eine intersektionale queere Geschichte. Seit zehn Jahren ist Gufler aktives Mitglied des selbstorganisierten Forums Queeres Archiv München, das er ebenso mit Material speist wie für seine Arbeiten anzapft.

Gezielt verwischen Ortelli (*1991 in Bern) und Gufler (*1989 in Augsburg) die Grenzen zwischen archivarisch-dokumentierender und künstlerisch-produzierender Praxis. Beide stellen sich in die Tradition privater Archivar:innen, die unabhängig von vorherrschenden Geschichtsordnungen sammelten, was sie wichtig fanden, und damit marginalisierte Vergangenheit in die Zukunft retteten.

Gespräch mit Philip Ortelli, Philipp Gufler und Stefan Länzlinger (Leiter der Abteilung Archiv im Schweizerischen Sozialarchiv), moderiert von Yasmin Afschar.
Anschliessend Apéro.

In Zusammenarbeit mit «Le Foyer – In Process» (www.lefoyer-lefoyer.ch).

Montag, 25. November 2024, 18.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 239 KB)

zVg Hansueli Trachsel
zVg Hansueli Trachsel

2.12.2024, 18.30 Uhr: Die Welt ist mein Haus – Das Leben der Anny Klawa-Morf

Sie war engagiert, charismatisch und liebenswert. Anny Klawa-Morf (1894-1993) kämpfte ein Leben lang für die Idee einer gerechteren Gesellschaft und für die Gleichstellung der Frauen. Hautnah erlebte sie die Revolutionen nach dem Ersten Weltkrieg und kam um ein Haar ums Leben. Bittere Erfahrungen in der Familie machten sie misstrauisch gegenüber Männern, bis sie im lettischen Revolutionär Janis Klawa ihre grosse Liebe fand. Mit ihrem unbeirrbaren Glauben an das Gute beeindruckte sie viele Menschen und zeigte unzähligen Kindern den Weg zu einer besseren Welt. Rückblickend auf ihr fast hundertjähriges Leben erklärte sie: «Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis einmal der Gedanke der Gleichberechtigung Wirklichkeit wird. Dazu braucht es viel Kleinarbeit, aber diese Kleinarbeit lohnt sich.»

Zum 130. Geburtstag von Anny Klawa-Morf wurde ihre Lebensgeschichte von der Anny-Klawa-Morf-Stiftung neu herausgegeben.
Der Nachlass von Anny Klawa-Morf mit Dokumenten und einer reichen Fotosammlung befindet sich im Schweizerischen Sozialarchiv.

Begrüssung durch Jakob Tanner (Stiftungsrat Anny-Klawa-Morf-Stiftung), Buchpräsentation mit der Autorin Annette Frei Berthoud und Vorführung des Films «Anna Klawa-Morf – Nachdenken über eine Arbeiterfrau» (1993) von Hans-Dieter Rutsch.
Anschliessend Apéro.

Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Anny-Klawa-Morf-Stiftung (anny-klawa-morf.ch).

Montag, 2. Dezember 2024, 18.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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5.12.2024, 18 Uhr: «Schandfleck» oder «Ruhmesblatt»?

Der schweizerische Landesstreik in der Erinnerungskultur, 1918–1968

Die Schockwellen des Landesstreiks von 1918 waren jahrzehntelang spürbar. Die klassenkämpferische Konfrontation prägte die politische Kultur der Schweiz während der Zwischenkriegszeit, dem Zweiten Weltkrieg und der frühen Nachkriegszeit entscheidend mit. Erst in den 1960er Jahren setzte eine quellenbasierte Aufarbeitung des Ereignisses durch die Geschichtswissenschaft ein.
Daniel Arthos Buch geht der Frage nach, wann und in welchen Formen der Generalstreik nach 1918 thematisiert, zum Gegenstand politischer Debatten erhoben und politisch nutzbar gemacht wurde. Dabei identifiziert er die Deutungsmuster, Wendepunkte und Zäsuren, welche die Erinnerungskultur des Landesstreiks besonders geprägt haben. Die Studie ist das erste umfassende erinnerungskulturelle Panorama des Landesstreiks von 1918 bis 1968 und darüber hinaus.

Buchvernissage mit dem Autor Daniel Artho sowie Brigitte Studer (Universität Bern), Roman Rossfeld (Universität Bern) und Christian Koller (Schweizerisches Sozialarchiv).
Anschliessend Apéro.

Donnerstag, 5. Dezember 2024, 18 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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6.11.2024, 18 Uhr: Vergiftete Schweiz

Eine andere Geschichte der Industrialisierung

Die Geschichte der Industrialisierung wird in der Regel als Geschichte von Pionieren und Unternehmen erzählt. Es ist bekannt, dass Uhren und Textilien zu den Schweizer Exportschlagern des 19. Jahrhunderts gehörten und sich aus der Textilindustrie die Maschinen-, dann die Farben- und die chemische Industrie entwickelten. Fabriken siedelten sich mit Vorliebe an Flüssen an, die Energie lieferten sowie als Transportweg und Abfallgrube dienten. Hingegen wissen wir erstaunlich wenig darüber, wie sich die Industrialisierung vor Ort konkret auf die Menschen und ihre Umwelt ausgewirkt hat.
Claudia Aufdermauers Buch beleuchtet diese Schattenseiten der Industrialisierung. Es schreibt eine Umweltgeschichte der Industrialisierung mit Fokus auf dem 19. und frühen 20. Jahrhundert – und ihren Auswirkungen bis heute.

Buchvernissage mit der Autorin Claudia Aufdermauer.
Anschliessend Apéro.

Mittwoch, 6. November 2024, 18 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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23.10.2024, 18.30 Uhr: Mein Bruder Marco – eine Annäherung

Buchpräsentation mit Gespräch im Rahmen des Literaturfestivals «Zürich liest»

«Lieber Marco. Du verfehltest deinen 66. Geburtstag nur knapp. Wer hätte das gedacht. Du wurdest trotz ruinösem Lebenswandel ziemlich alt. Und starbst doch viel zu früh.» Mit diesen Worten beginnt Ueli Mäder einen rund zweihundertseitigen Brief an seinen Bruder Marco, der nach langer Alkoholsucht vor rund zehn Jahren verstorben ist.

Ueli Mäder ist Soziologe und verknüpft nicht zuletzt deshalb die Lebensstationen von Marco mit den Weltereignissen und dem sozialen Wandel der Zeit. Welche gesellschaftlichen Umstände, unter denen sein Bruder häufig litt, prägten dessen Weg? Was machen wir aus dem, was unsere Umwelt mit uns macht? Diese Fragen sollen anhand des Buches über Marco Mäder aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.

Mit Ueli Mäder und Susanne Brügger (Schweizerisches Sozialarchiv).
Anschliessend Apéro.

Mittwoch, 23. Oktober 2024, 18.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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Die Veranstaltung ist ausverkauft!

9.10.2024, 19.30 Uhr: Die andere Schweiz. Asyl und Aktivismus 1973–2000

Buchvernissage

Jonathan Pärlis Buch schreibt erstmals die Geschichte der Schweizer Asylbewegung im späten 20. Jahrhundert. Angesichts der «neuen Flüchtlinge» aus dem Globalen Süden setzte in den westlichen Ländern seit den 1970er Jahren eine restriktive Wende in der Asylpolitik ein. Als Reaktion darauf entstand eine international vernetzte Solidaritäts- und Protestbewegung, die sich auch in der Schweiz entfaltete. Hierzulande waren es insbesondere die Geflüchteten aus Zaïre, Chile, der Türkei oder Sri Lanka, die Impulse für den neuen asylpolitischen Aktivismus gaben. In kollektiven Protesten und individuellen Wortergreifungen bis hin zu zivilem Ungehorsam mass die Asylbewegung die Schweiz an ihrem Ruf als traditionellem Asylland.
Jonathan Pärli analysiert den Asylaktivismus in seiner demokratiepolitischen Bedeutung und rekonstruiert seine facettenreiche und vielstimmige Geschichte zwischen Politik, Humanitarismus und enttäuschten Hoffnungen.

Buchvernissage mit dem Autor Jonathan Pärli und Damir Skenderovic (Universität Fribourg).
Anschliessend Apéro.

Mittwoch, 9. Oktober 2024, 19.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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Bild: Hans Sigg (aus der Tonbildschau «Die Heinzelmänner der Stadt Zürich», 1982/AVA Scheiner AG)
Bild: Hans Sigg (aus der Tonbildschau "Die Heinzelmänner der Stadt Zürich", 1982/AVA Scheiner AG)

26.9.2024, 18.30 Uhr: AVA Scheiner AG – 50 Jahre filmischen Schaffens

Audiovisuelle Produktionen mit gesellschaftlichem Auftrag

Vor mehr als 50 Jahren gründete Peter Scheiner die Firma AVA Audiovisuelles Atelier, heute AVA Scheiner AG. Schon bald holte der ausgebildete Kameramann seine Frau Susanne, ehemals Gymnasiallehrerin, als Mitarbeiterin an Bord. Peter Scheiner fungierte fortan als Produzent, Regisseur und Kameramann, Susanne Scheiner als Drehbuchautorin und Regisseurin. Im Auftrag von Firmen, Verbänden und staatlichen Institutionen produzierten sie zusammen in der Folge über hundert Tonbildschauen, Filme und Videos.

Das Sozialarchiv konnte nun die Produktionen mit einem Bezug zu seinen Sammelschwerpunkten übernehmen, also Auftragswerke etwa zu Arbeitsbedingungen und Lohnsystemen, Abfallentsorgung und Umweltschutz, Ölverbrauch und Energiesparen, landwirtschaftlichen Genossenschaften oder Alterswohnen.

Aus diesem Anlass präsentieren wir einige Highlights und diskutieren mit Peter und Susanne Scheiner über ein halbes Jahrhundert filmischen Schaffens mit gesellschaftlicher Relevanz. Es ist auch ein Wiedersehen mit beinahe in Vergessenheit geratenen Formaten wie der Tonbildschau und mit Schauspielerinnen und Sprechern wie Johanna Lier, Jörg Schneider oder Leon Huber.

Anschliessend offerieren wir einen kleinen Apéro.

Donnerstag, 26. September 2024, 18.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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Bitte melden Sie sich für die Veranstaltung via www.ava-scheiner.ch an.

Zeichnung: Béatrice Gysin
Zeichnung: Béatrice Gysin

19.9.2024, 18.30 Uhr: Berta – Eine Lebensgeschichte aus dem 20. Jahrhundert

Berta kam 1884 als viertes Kind einer armen Aargauer Bauernfamilie auf die Welt und wurde als Kleinkind fremdplatziert. Als eines von Zehntausenden Kindern in der Schweiz, die von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen betroffen waren, erlebte sie eine Kindheit voller Entbehrungen mit 16-Stunden-Arbeitstagen. Eine Ausbildung blieb ihr verwehrt. Später war Berta eine von Zehntausenden Frauen, die ihren Lebensunterhalt als Dienstmädchen verdienen mussten. Auch da galten harte Arbeitsbedingungen mit 7-Tage-Woche, vollständiger Abhängigkeit vom Arbeitgeber und überlangen Arbeitstagen. Und schliesslich war Berta eine von Zehntausenden Schweizerinnen, die ausgebürgert wurden, weil sie einen Ausländer heirateten. Als ihr deutscher Ehemann im Ersten Weltkrieg kämpfen musste, hatte sie als «Ausländerin» keinen Anspruch auf Unterstützung durch die Behörden.

Dennoch hat Berta ihren Humor zu Lebzeiten nie verloren und konnte ihrer Tochter und ihren Enkelkindern die Geborgenheit geben, die sie selber nie erleben durfte. Die Bieler Künstlerin Béatrice Gysin hat das Schicksal ihrer Grossmutter in einem besonderen Buch nachgezeichnet. Es ist eine Mischung aus einer Graphic Novel, einer sehr kurz gehaltenen Biografie und wissenschaftlichen Texten zum sozialhistorischen Umfeld von Bertas Lebensgeschichte.

Buchpräsentation mit den Autorinnen Béatrice Gysin, Mirjam Janett und Bettina Wohlfender.
Anschliessend Apéro.

Donnerstag, 19. September 2024, 18.30 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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Vor 15 Jahren: Die Finanzkrise

Die Vorgänge um die Credit Suisse vor anderthalb Jahren liessen Begriffe wieder auftauchen, die im Jahrzehnt zuvor beinahe alltäglich gewesen waren, etwa «bailout», «temporary public ownership» und vor allem: «too big to fail». Die Finanzkrise, die vor 15 Jahren ihren Höhepunkt erreichte, ist zwar aufgrund der seitherigen Krisenakkumulation bereits ein bisschen in Vergessenheit geraten, viele der damals offenbarten und verschärften Problemlagen sind aber bis heute nicht wirklich bewältigt.

Von der Hypotheken- über die Banken- zur Weltwirtschaftskrise

Wie frühere Wirtschaftskrisen entstand die Finanzkrise aus einer Reihe sich gegenseitig verstärkender Faktoren. Eine wesentliche Ursache war die sogenannte Subprime-Krise im spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkt der USA. Beim Subprime-Markt handelte es sich um Hypothekarkredite an Schuldner:innen mit geringer Kreditwürdigkeit. Sein Marktanteil am gesamten Hypothekenmarkt wuchs von knapp 5 Prozent im Jahr 2001 auf über 14 Prozent im Jahr 2006. Über zwei Drittel aller Subprime-Kredite wiesen einen variablen Zins auf und waren also mit einem Zinsänderungsrisiko verbunden. Als Ursachen dieser Immobilienblase gelten etwa die Niedrigzinspolitik im Nachgang des Platzens der Dotcom-Blase von 2000, die laxe Regulierung des amerikanischen Bankensektors, falsche Bewertungen durch Ratingagenturen sowie die steigende Ungleichheit der Einkommensverteilung. Als die amerikanische Zentralbank Anfang 2007 die Leitzinsen leicht erhöhte, flaute der Immobilienboom ab. Bald waren aufgrund der variablen Zinsen viele Hausbesitzer:innen nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zu bedienen.

Die Immobilienkredite waren in komplexe, scheinbar sichere Finanzprodukte verpackt und weiterverkauft worden. Dadurch entwickelte sich das Platzen der Subprime-Blase unmittelbar zur Bankenkrise mit internationalen Kettenreaktionen. Im Juni 2007 gingen zwei von der Investmentbank Bear Stearns verwaltete Hedgefonds bankrott. Verstärkt wurde die prekäre Situation durch den Umstand, dass viele Banken mit einem sehr geringen Eigenkapitalanteil arbeiteten, um eine höhere Gewinnquote zu erzielen. In der Krise funktionierte diese «Hebelwirkung» dann in die umgekehrte Richtung. Als Grund für dieses riskante Verhalten wurden in der Krise die gewinnbasierten Bonussysteme der Spitzenmanager:innen kritisiert.

Den Beginn der Finanzkrise markierte der 9. August 2007, als die Zinsen für Interbankfinanzkredite vor allem in den USA, aber auch international sprunghaft anstiegen. Die Wertverluste der Subprime-Kredite verringerten das Eigenkapitel der Banken weiter. Die dadurch erforderlich gewordenen Refinanzierungsbemühungen wurden behindert durch eine abnehmende Risikobereitschaft von Investor:innen und schwindendes gegenseitiges Vertrauen zwischen den Banken. Einen Höhepunkt erreichte diese Krise am 15. September 2008 mit dem Kollaps der amerikanischen Grossbank Lehman Brothers. Kurz darauf mussten die Investmentbanken Goldman Sachs, Merrill Lynch und Morgan Stanley von Geschäftsbanken übernommen werden. Bis Ende 2008 meldeten in den USA 21 Banken Konkurs an und 62 Hedgefonds gingen bankrott. Der Interbankenmarkt kam weltweit praktisch zum Erliegen. Kurzfristig überschüssige Liquidität wurde nicht mehr bei anderen Geschäftsbanken, sondern bei den Zentralbanken angelegt.

Im Verlauf des Jahres 2008 wirkte sich die Finanzkrise zunehmend auf die Realwirtschaft aus, zunächst in den USA, dann in Westeuropa und Japan sowie ab Herbst 2008 weltweit. Zu diesem Zeitpunkt gaben die Aktienmärkte nach dem Rückgang des Vorjahres infolge der Bankenkrise ein zweites Mal stark nach. Am 3. April 2009 schätzte der Internationale Währungsfonds (IWF) die weltweiten Wertpapierverluste infolge der Krise auf vier Billionen Dollar. Zeitgleich kam es auf den Rohstoffmärkten zu starken Preisrückgängen. Die Industrieproduktion in der Eurozone brach vom Frühjahr 2008 bis Frühjahr 2009 um mehr als 20 Prozent ein – ein mit der Grossen Depression der frühen 1930er-Jahre vergleichbarer Absturz. Das reale Bruttoinlandsprodukt der wirtschaftlich entwickelten Länder schrumpfte 2009 um 3,4 Prozent.

Fast überall auf der Welt führte die Finanzkrise zur Rezession oder einem deutlich abgeschwächten Wirtschaftswachstum. Der globale Warenhandel verringerte sich zwischen 2008 und 2009 um 12,4 Prozent. Auch auf den Arbeitsmärkten schlug sich die Krise nieder. War in der Europäischen Union die Arbeitslosenquote 2004 bis 2008 von 9,3 auf 7 Prozent gesunken, so stieg sie nun wieder an auf 9 Prozent im Jahr 2009 und 10,9 Prozent im Jahr 2013. Erst dann drehte der Trend erneut und ging die Arbeitslosenquote bis 2017 auf 7,6 Prozent zurück. In den USA stieg die Arbeitslosenquote von 4,6 Prozent im Jahr 2007 auf 9,6 Prozent im Jahr 2010 (den höchsten Stand seit 1982/83) an und ging dann bis 2016 sukzessive auf 4,9 Prozent zurück. Viele Menschen in den USA verloren ihr Haus und ihre Ersparnisse.

Die Länder, welche aufgrund der Finanzkrise zwar Wachstumseinbrüche verzeichneten, aber nicht in eine Rezession stürzten, lagen mehrheitlich in Afrika. Parallel zur Finanzkrise entfaltete sich aber auch eine Nahrungsmittelpreiskrise, die 2007/08 ihren Höhepunkt erreichte und auch mit dem im Zuge der Finanzkrise verstärkten Wechsel zu Grundnahrungsmittelspekulationen in Verbindung gebracht wurde. Andere ökologische, demografische, kulturelle und wirtschaftliche Ursachen standen nicht direkt mit der Finanzkrise im Zusammenhang. Verschiedene Grundnahrungsmittel, deren Preise sich bereits von 2002 bis 2004 verdoppelt hatten, verteuerten sich bis 2008 weiter. So verdreifachten sich 2005 bis 2008 die Preise von Reis, Mais, Weizen und Sojabohnen. Dies hatte insbesondere in Teilen Asiens und im subsaharischen Afrika gravierende Auswirkungen. Nach Schätzungen der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO stieg die weltweite Zahl der Hungernden in der Krise bis 2009 um 75 bis 100 Millionen auf eine Milliarde Menschen.

Am schärfsten im Vergleich zur Bevölkerungszahl war die Krise in Island. Seit der Jahrtausendwende hatten die drei grossen Geschäftsbanken dieses Landes stark ins Auslandsgeschäft expandiert. So hatte die zur grössten isländischen Bank Landsbanki gehörende Online-Bank Icesave mit Sparangeboten viele Gelder aus Grossbritannien und den Niederlanden angelockt. Im Herbst 2008 konnten die drei Grossbanken aufgrund der Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten ihre kurzfristigen Schulden nicht mehr refinanzieren und wurden unter staatliche Insolvenzverwaltung gestellt. Die isländische Krone verlor massiv an Wert und konnte schliesslich nicht mehr frei gehandelt werden. Die Marktkapitalisierung der isländischen Börse fiel um mehr als 90 Prozent. Bis Ende 2008 verdreifachte sich die Arbeitslosigkeit. Die ausländischen Geschäftsbereiche der drei Grossbanken meldeten Konkurs an, die ausländischen Bankkonten wurden eingefroren, was einen diplomatischen Streit Islands mit Grossbritannien und den Niederlanden nach sich zog. Das isländische Bruttosozialprodukt sank in den ersten sechs Monaten des Jahres 2010 um 5,5 Prozent, das Haushaltsdefizit wuchs 2009 und 2010 auf 10 Prozent des Bruttosozialprodukts und die Staatsschulden erreichten 2011 101 Prozent des Bruttosozialprodukts.

Die Finanzkrise forderte die Zentralbanken und Regierungen stark. Als «lender of last resort» versorgten die Zentralbanken Finanzinstitutionen mit Liquidität. Ebenso senkten sie zur Stimulierung der Wirtschaft die Leitzinsen sukzessive auf ein rekordniedriges Niveau. Diverse Regierungen griffen Banken mit Finanzspritzen und Bürgschaften unter die Arme und beschlossen Konjunkturpakete. Anfang November 2008 musste die US-Regierung mit der American International Group auch den grössten Versicherungskonzern des Landes mit 150 Milliarden Dollar stützen. Die deutsche Bundesregierung schuf im Oktober 2008 einen Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMS) von 100 Milliarden Euro. Verschiedene Banken wurden vorübergehend vollständig oder teilweise verstaatlicht («temporary public ownership»), so in Grossbritannien im Februar 2008 Northern Rock und im Oktober 2008 die Royal Bank of Scotland, in Island im Oktober 2008 die Kaupthing Bank, Landsbanki und Glitnir, in Irland im Januar 2009 die Anglo Irish Bank oder in den Benelux-Staaten im September 2008 die Fortis-Gruppe und im Februar 2013 SNS Reaal. Von 2008 bis 2012 wandten die EU-Staaten zur Rettung ihrer Banken 5,1 Billionen Euro Steuergelder auf. In den USA kostete die Stabilisierung maroder Finanzhäuser in den Krisenjahren 5 Prozent der Wirtschaftsleistung, in Deutschland sogar 12 Prozent.

Auch setzten Bestrebungen ein, zukünftigen Finanzkrisen vorzubeugen. Die EU schuf auf 2011 hin das Europäische Finanzaufsichtssystem mit drei Finanzaufsichtsbehörden für das Bankwesen, das Versicherungswesen und das Wertpapierwesen sowie den «Europäischen Ausschuss für Systemrisiken» zur Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von systemischen Risiken innerhalb des EU-Finanzmarktes. 2014 entstand die Europäische Bankenunion mit dem «Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus», der in der Eurozone eine zentrale Aufsicht der Grossbanken durch die Europäische Zentralbank (EZB) einführte, sowie dem «Einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus» mit Regeln für die geordnete Abwicklung oder Sanierung von illiquiden Banken. Der von den Zentralbanken zahlreicher Länder gebildete «Basler Ausschuss für Bankenaufsicht» legte Ende 2010 einen neuen Empfehlungskatalog («Basel III») für Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften vor. Anders als in der Grossen Depression der 1930er-Jahre, aus der die Wirtschaftstheorie und -politik des Keynesianismus erwuchs (s. SozialarchivInfo 5/2020), und der Ölpreiskrise der 1970er-Jahre, die den Übergang vom Keynesianismus zum Neoliberalismus nach sich zog (s. SozialarchivInfo 4/2023), ging aus der Finanzkrise aber kein neues dominantes Paradigma der Wirtschaftspolitik hervor.

Von der Finanzkrise zur Eurokrise

Ab 2009 entstand aus der Finanzkrise die Eurokrise. Die öffentlichen Schulden der EU-Länder erhöhten sich im Zuge der Krise stark. Von 1996 bis 2007 hatte sich der Schuldenstand insgesamt verringert und betrug 2007 57,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit dem Einsetzen der Finanz- und Wirtschaftskrise erhöhte er sich aber über 60,8 Prozent (2008) und 78,9 Prozent (2010) auf 86,5 Prozent im Jahr 2014, um danach bis 2017 auf 81,6 Prozent zurückzugehen. Hinzu kamen strukturelle Ungleichgewichte in der Eurozone mit anhaltend hohen Leistungsbilanzdefiziten in einigen Euro-Ländern und anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüssen in anderen.

Als Beginn der Eurokrise gilt die Offenbarung der neugewählten sozialistischen Regierung Griechenlands im Oktober 2009, dass ihre konservative Vorgängerin in grossem Stil Haushaltsmanipulationen betrieben hatte und die Neuverschuldung im Jahr 2009 statt wie bisher angekündigt 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes 12,7 Prozent betragen werde. Daraufhin schossen die Zinsen für griechische Staatsanleihen in die Höhe, was den Schuldendienst verteuerte. Die griechischen Banken hatten anders als etwa in den USA, Irland oder Spanien nicht mit riskanten Immobiliengeschäften Verluste gemacht, gerieten nun aber aufgrund der Staatsschuldenkrise ebenfalls in einen Abwärtssog.

Im April 2010 wurde der erste europäische Hilfsplan für Griechenland verabschiedet. Die langsame Reaktion der EU auf die Griechenlandkrise förderte aber die «Ansteckung» Portugals und Irlands, die nun ihrerseits in einen Abwärtsstrudel gerieten. Im April 2010 stufte die Rating-Agentur Standard & Poor’s Portugal, dessen Haushaltsdefizit 2009 bei 9,4 Prozent lag, dessen Gesamtverschuldung mit 77 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aber nicht übermässig hoch war, als zweites Euro-Land nach Griechenland in seiner Kreditwürdigkeit herab. Damit erhöhten sich die Zinsen, die für neue Staatsanleihen gezahlt werden mussten, was die aktuelle Haushaltskrise verschärfte. Ein massives Sparprogramm der Regierung führte zu einer Protestwelle und 2011 zu einem Regierungswechsel.

In Irland, dessen Staatsverschuldung 2007 lediglich 25 Prozent betrug, führten fallende Immobilienpreise, die Abhängigkeit von ausländischen Direktinvestitionen sowie ein kaum reguliertes Bankenwesen zu einer Abwärtsspirale. Die umfangreichen staatlichen Massnahmen zur Stützung der Banken liessen die Staatsverschuldung bis 2011 auf 109 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen, worauf die Regierung mit einem Sparprogramm antwortete. Die Rezession in Irland wurde damit durch eine deflationäre Spirale verschärft. 2009 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um über 7 Prozent, die Arbeitslosenzahlen stiegen 2008 bis 2010 von 8 auf über 13 Prozent. Ab Anfang 2010 stuften die Ratingagenturen Irland mehrfach ab, wodurch die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe schossen. Vor diesem Hintergrund bat die irische Regierung im November 2010 die EU und den IWF um Hilfe.

Irland erhielt wie Griechenland und Portugal ein Hilfsprogramm der im Mai 2010 entstandenen, zeitlich befristeten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Als deren Nachfolger wurde 2012 der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) als dauerhafter «Euro-Rettungsschirm» geschaffen, der die EFSF-Programme für Irland (bis 2013) und Portugal (bis 2014) übernahm. Zugleich begann die EZB mit dem Aufkauf von Staatsanleihen der Krisenstaaten. Anfang 2012 beschlossen 25 der 27 EU-Staaten den Europäischen Fiskalpakt mit strengen Obergrenzen für die Staatsverschuldung und der Selbstverpflichtung, eine Schuldenbremse im nationalen Recht zu verankern. Dies war primär ein politisches Signal.

Die Griechenlandkrise flammte noch mehrfach wieder auf, so im Sommer 2011, als klar wurde, dass der durch die Rezession weiterwachsende Schuldenberg kaum je würde abbezahlt werden können, und im Mai 2012, als bei Neuwahlen die Parteien, die den mit der «Troika» aus EU-Kommission, IWF und EZB ausgehandelten Sparplan unterstützten, abgestraft wurden. Auch kamen Spekulationen über ein mögliches Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro («Grexit») auf. In der ab 2008 anhaltenden Rezession schrumpfte das griechische Bruttoinlandsprodukt bis 2013 um etwa ein Viertel. Die Staatsverschuldung wuchs von 2007 bis 2014 von 107 auf 177 Prozent des (kleiner gewordenen) Bruttoinlandsprodukts, die Arbeitslosigkeit stieg bis 2014 auf 26 Prozent. 2011 wies Griechenland in der Eurozone mit 31 Prozent die höchste Quote von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohter Personen auf. Die Selbstmordrate stieg von 2010 bis 2011 um über ein Viertel.

Zum Zeitpunkt des zweiten Hilfsplans für Griechenland im Oktober 2011 griff die Krise auch verstärkt auf Spanien, Italien und Zypern über. Nach einer Erholung 2010 wurden die von der Krise besonders betroffenen Staaten 2011 bis 2013 in eine erneute Rezession gestürzt. Die spanische Staatsverschuldung befand sich bei Ausbruch der Finanzkrise 2007 mit 36 Prozent auf einem niedrigen Stand. Die Finanzkrise schlug sich in Spanien stark auf die Immobilienpreise sowie den Arbeitsmarkt nieder. 2007 bis 2010 stieg die Arbeitslosenquote von 8 auf 20 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit betrug auf dem Höhepunkt der Krise sogar 42 Prozent. Massnahmen gegen die Rezession und zur Stützung von Finanzinstitutionen liessen die Staatsverschuldung bis 2014 auf 118 Prozent ansteigen. Italien war dagegen mit einer Staatsschuld von 103 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schon vor der Krise hoch verschuldet. Bis 2014 stieg die italienische Staatsverschuldung auf 132 Prozent. In Zypern wirkten die engen Verflechtungen mit dem griechischen Finanzsystem sowie die umfangreichen Einlagen russischer Geschäftsleute als Risikofaktoren des Bankwesens. Der ESM stabilisierte 2012 bis 2014 Spanien und 2013 bis 2016 Zypern sowie 2015 bis 2018 erneut Griechenland mit Hilfsprogrammen.

Zivilgesellschaftlicher Protest und politische Auswirkungen

Die Finanzkrise erschütterte nicht nur die Wirtschaft und stürzte Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Armut, sondern hatte auch politische Rückwirkungen und führte zur Entstehung neuer sozialer Bewegungen. Ab Sommer 2011 entfaltete sich in den USA die Protestbewegung «Occupy Wall Street» mit ihren zentralen Forderungen nach einer stärkeren Kontrolle des Banken- und Finanzsektors, Verringerung des Einflusses der Wirtschaft auf politische Entscheidungen und Reduktion der sozialen Ungleichheit. Die Bewegung, die unter dem Motto «We are the 99 percent» stark über die Social Media mobilisierte, hatte von Beginn weg prominente Fürsprecher:innen wie die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, den New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg sowie die Ökonomen Jeffrey Sachs und Joseph E. Stiglitz und wurde von zahlreichen Intellektuellen, Schauspieler:innen, Filmschaffenden und Schriftsteller:innen sowie Gewerkschaften und der hackaktivistischen Szene «Anonymous» unterstützt. Die eigentlichen Proteste begannen am 17. September 2011 mit der Besetzung des Zuccotti-Parks in der Nähe der New Yorker Wall Street. Ab 1. Oktober erschien die Protestzeitung «Occupied Wall Street Journal». Am 5. Oktober fand eine Demonstration von etwa 10’000 Personen mit Unterstützung und Beteiligung zahlreicher Gewerkschaften statt. Bald gab es auch «Occupy»-Aktionen in anderen amerikanischen Städten, etwa Protestcamps, die auch Obdachlose aufnahmen, Demonstrationen sowie «Move Your Money»-Aktionen, bei denen «Occupy»-Gruppen ihre Guthaben von Geschäfts- auf Genossenschaftsbanken übertrugen. Im November 2011 wurden mehrere Camps, darunter dasjenige im Zuccotti Park, polizeilich geräumt. Daraufhin kam es am 17. November zu Zusammenstössen mit der Polizei, als Aktivist:innen den Zugang zur New Yorker Börse zu blockieren versuchten.

Rasch breiteten sich die «Occupy»-Proteste international aus. Grössere Aktionen gab es etwa in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Grossbritannien, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark, Griechenland, Chile und Hongkong. An bundesweiten Demonstrationen in Deutschland nahmen am 15. Oktober 2011 rund 40’000 Personen in etwa 50 Städten teil. Aus der deutschen «Occupy»-Bewegung erwuchs ab 2012 das kapitalismus- und globalisierungskritische Netzwerk «Blockupy» mit Schwerpunkt in Frankfurt am Main. 2012 und 2013 rief «Blockupy» zu Aktionstagen gegen die EZB auf. 2014 gab es mehrere Aktionstage, etwa anlässlich der Europawahlen. Anlässlich der Eröffnung des EZB-Neubaus in Frankfurt am 15. März 2015 kam es nach einem «Blockupy»-Aufruf zu Blockaden und einer Demonstration von 17’000 Personen, in deren Verlauf auch Ausschreitungen stattfanden.

Schon vor «Occupy» gab es in verschiedenen von der Finanzkrise besonders stark betroffenen Ländern Protestbewegungen, die sich dann teilweise mit «Occupy» vermischten. In Island kam es im Winter 2008/09 zu wöchentlichen Protesten, an denen sich 3’000 bis 6’000 Menschen (1 bis 2 Prozent der Gesamtbevölkerung) beteiligten. Teilweise wurden staatliche Institutionen tagelang blockiert. In Griechenland entfaltete sich 2010 eine erste Protestwelle gegen die Sparmassnahmen und Steuererhöhungen im Gefolge der Schuldenkrise. Am 5. Mai fanden ein landesweiter Generalstreik und eine Massendemonstration mit 100’000 bis 500’000 Teilnehmenden in Athen statt, an deren Rand es zu Strassenschlachten kam. Am 23. Februar 2011 gab es erneut Proteste und Streiks, an denen bis zu 100’000 Menschen teilnahmen.

In Spanien mobilisierte seit Anfang 2011 die Graswurzelbewegung «¡Democracia Real YA!» («Echte Demokratie Jetzt!»). Am 15. Mai kam es zu Aufrufen und Protesten in 58 spanischen Städten, so dass fortan auch vom «Movimiento 15-M» bzw. den «Indignados» («Empörten») die Rede war. In Madrid wurde für fast einen Monat die zentrale «Puerta del Sol» besetzt. Am 19. Juni 2011 gab es Demonstrationen in mehr als 80 spanischen Städten, an denen sich allein in Madrid Hunderttausende beteiligten. Für den 15. Oktober 2011 rief «¡Democracia Real YA!» zu weltweiten Protesten auf, die dann teilweise mit Aktionen der «Occupy»-Bewegung zusammenfielen und in den folgenden Jahren am selben Datum wiederholt wurden. Aus diesen Protesten entstand Anfang 2014 die linke Protestpartei «Podemos», deren Popularität in den ersten Monaten rasch anstieg. Bei den Europawahlen im Mai 2014 kam sie auf 8 Prozent der Stimmen, bei den Parlamentswahlen im Dezember 2015 sogar auf knapp 21 Prozent. Das selbstgesteckte Ziel, die sozialistische PSOE als stärkste linke Kraft abzulösen, wurde damit knapp verfehlt. In der Folge stagnierte die Partei, die ab 2017 sozialistische Minderheitsregierungen stützte, erlebte in den späten 2010er-Jahren einen Rückgang der Wähler:innenstimmen und fusionierte mit anderen linken Gruppierungen.

Von den spanischen Protesten beeinflusst war die neuerliche griechische Protestbewegung der «Aganaktismenoi» («Empörten»), die ihren Höhepunkt von Mai bis August 2011 erlebte und sich sowohl gegen die einheimische politische Elite als auch gegen die Sparvorgaben der europäischen Institutionen richtete. An Grossdemonstrationen in Athen beteiligten sich am 29. Mai 2011 80’000 bis 100’000 Menschen, am 5. Juni gar zwischen 200’000 und 500’000. Am 7. Februar 2012 gab es einen 24-stündigen Generalstreik und fünf Tage darauf demonstrierten erneut eine halbe Million Menschen in Athen. Zeitgleich entfaltete sich in Portugal die «Geração à rasca» («Generation in der Bredouille»). Am 12. Mai 2011 demonstrierten in Lissabon 200’000 bis 300’000 Menschen, in Porto 80’000 und viele weitere in Funchal, Ponta Delgada und Viseu, gefolgt von Protesten der Gewerkschaften. In Grossbritannien gab es ab 2010 verschiedene Proteste gegen die Sparpolitik der neuen konservativ-liberalen Koalitionsregierung. Sie erreichten einen Höhepunkt am 26. März 2011 mit dem vom «Trades Union Congress» organisierten «March for the Alternative» in London, an dem sich 250’000 bis 500’000 Personen beteiligten.

Viele dieser Proteste waren beeinflusst vom Essay «Indignez-vous!», den der ehemalige französische Résistance-Kämpfer und UNO-Diplomat Stéphane Hessel im Oktober 2010 veröffentlicht hatte und der sofort zum Bestseller wurde. Hessel beklagte für Frankreich den Verlust des auf Menschenrechten und Sozialstaat beruhenden Konsens von 1945 und rief zum Widerstand gegen Unterdrückung und Sozialabbau sowie für Frieden, Zivilisation und Umweltschutz auf. Für den 14. November 2012 riefen auf Initiative der spanischen und portugiesischen Gewerkschaften Arbeitnehmer:innenorganisationen und soziale Bewegungen in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern Europas zu einem europaweiten Protesttag auf. Daran beteiligten sich Millionen von Menschen. In Spanien, Portugal, Italien, Zypern und Malta wurde zum Generalstreik aufgerufen, in Frankreich, Griechenland und Belgien zu Protestveranstaltungen. In Spanien und Portugal brachte ein 24-stündiger «gesamtiberischer» Generalstreik das Wirtschaftsleben teilweise zum Erliegen. In Belgien legten die Eisenbahner den Zugverkehr den ganzen Tag weitgehend lahm. In mehreren französischen und italienischen Städten gab es Demonstrationen, in Griechenland und Italien mehrstündige Streiks. In Deutschland solidarisierten sich der Gewerkschaftsbund, die SPD und die Linkspartei mit den Streikenden. Der Flugverkehr von und nach Südeuropa wurde beeinträchtigt.

Auch rechtsradikale und verschwörungstheoretische Kreise versuchten auf den Zug der Antikrisen-Proteste aufzuspringen, mit allerdings begrenztem Erfolg. An den «Occupy»-Protesten in den USA liessen sich zuweilen Exponenten der neonazistischen Organisation «New Order» blicken. Rechtsextreme Zeitschriften in Deutschland bedienten in ihren Beiträgen zur Finanzkrise klassische antisemitische Stereotypen. Auch in anderen Ländern waren verschwörungstheoretische Splittergruppen an den Protesten präsent. Die 2012/13 als explizite Anti-Euro-Partei gegründete Alternative für Deutschland (AfD) hatte zunächst eine marktliberale Ausrichtung, spielte bei den Antikrisen-Protesten keine Rolle und wurde wenig später von rechtsradikalen Kräften übernommen. Der putinistische Propagandasender «Russia Today» berichtete auffällig intensiv von den «Occupy»-Protesten, schwankte dabei zwischen vorgespielter Empörung über Polizeigewalt gegen Demonstrierende und Diskreditierung der Bewegung durch Hinweis auf «Drahtzieher» aus liberalen Polit- und Wirtschaftskreisen und griff das Thema, das die Gespaltenheit westlicher Gesellschaften offenbaren sollte, dann 2021 nochmals auf.

Bei Wahlen führte die Finanzkrise insbesondere in den besonders betroffenen Staaten Europas zu grossen Verschiebungen, die sich aber zunächst hauptsächlich innerhalb der etablierten Parteiensysteme vollzogen und die jeweiligen Regierungen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung, und deren Sparprogramme abstraften. Erst in einer zweiten Phase traten auch neue, teilweise aus den Protestbewegungen hervorgegangene Akteur:innen auf den Plan. Die aufgrund der Protestwelle vorgezogenen Neuwahlen in Island führten im April 2009 zu einem Absturz der bisher regierenden konservativen Unabhängigkeitspartei und zur erstmaligen Mehrheit der Linksparteien. Die neue Regierung reichte im Juli ein EU-Beitrittsgesuch ein, das aber obsolet wurde, nachdem die isländischen Stimmberechtigten in zwei Referenden Entschädigungszahlungen an die vom Icesave-Bankrott Geschädigten ablehnten (März 2010: 93 Prozent Nein, April 2011: 57 Prozent Nein). Bei den nächsten Parlamentswahlen 2013 erlitten dann die linken Regierungsparteien massive Verluste. Ähnlich schlug das Pendel in Irland hin und her: Im Februar 2011 erzielte die bislang regierende liberalkonservative Fianna Fáil, die mehr als die Hälfte ihres Stimmenanteils verlor, das schlechteste Resultat ihrer Geschichte. Fünf Jahre darauf straften die irischen Wähler:innen dann die neuen Regierungsparteien Fine Gael und Labour ab.

In Portugal erlitt die regierende Sozialistische Partei im September 2009 zwar Verluste von 8,5 Prozent, blieb aber stärkste Partei und konnte weiterhin die Regierung stellen. Nach dem Scheitern eines Sparpakets, gegen das es starke Proteste gegeben hatte, im Parlament aufgrund der Verweigerung der bürgerlichen Opposition, gab es im Juni 2011 dann vorgezogene Neuwahlen, die zu einem Regierungswechsel führten. In Spanien hatten die Wahlen vom März 2008 nur geringfügige Verschiebungen ergeben und die sozialistische Regierung war im Amt geblieben. Vorzeitige Neuwahlen im November 2011 zeitigten dann massive Verluste für die Sozialistische Partei, wobei aber die anderen Parteien nur je geringe Gewinne verzeichneten. Bei den nächsten Wahlen 2015 erlitt dann die konservative Volkspartei, die 2011 die Regierung übernommen hatte, starke Verluste und es zogen zwei neue Kräfte, die aus den Antikrisen-Protestbewegungen hervorgegangene «Podemos» (20,7 Prozent) und die liberalen «Ciudadanos» (13,9 Prozent), ins Parlament ein. In Italien hatte im April 2008 die Rechtskoalition um Silvio Berlusconi die bisher regierende Mitte-Links-Koalition besiegt. Bei den nächsten Wahlen im Februar 2013 verlor Berlusconi dann fast die Hälfte der bisherigen Stimmen, während die im politischen Spektrum schlecht zu verortende, populistische Fünf-Sterne-Bewegung (die zur Frage der Beteiligung Italiens am Euro widersprüchliche Signale aussandte) aus dem Stand auf 25,6 Prozent kam.

In Griechenland gewann im Oktober 2009 die sozialistische PASOK die Wahlen und machte die Haushaltsmanipulationen der bisherigen konservativen Regierung publik. Bei der vorzeitigen Neuwahl nach zweieinhalb Jahren Krisenmanagement im Mai 2012 stürzte die PASOK dann von 44 auf 13 Prozent ab, aber auch die konservative ND verlor fast die Hälfte des bisherigen Stimmenanteils. Grosse Zuwächse erzielten die linkssozialistische SYRIZA (+12 Prozent), die rechtspopulistische ANEL (+10,6 Prozent) und die neonazistische Partei der «goldenen Morgenröte» (+7 Prozent). Da auf der Basis dieses Wahlresultats keine Regierungsbildung erfolgen konnte, gab es im folgenden Monat Neuwahlen, die grosse Gewinne für die ND und SYRIZA brachten. Daraufhin ging die ND eine Koalition mit kleinen Mitte-links-Parteien ein.

Bei den vorgezogenen Neuwahlen im Januar 2015 verbuchte SYRIZA erneut starke Gewinne und wurde mit 36,4 Prozent klar stärkste Partei. Sie bildete daraufhin eine Koalition mit der rechtspopulistischen ANEL. Die beiden Parteien von gegensätzlichen Enden des politischen Spektrums verbanden die Ablehnung der Austeritätspolitik und eine Äquidistanz zwischen der EU und Russland. Die darauffolgenden Verhandlungen mit der «Troika» über einen neuen Reformplan führten zu keiner Einigung. Im Juli 2015 legte die griechische Regierung den Vorschlag der «Troika» den Bürger:innen in einem Referendum vor und empfahl Ablehnung. Dem folgte das Stimmvolk mit 61,3 Prozent Nein. Kurz darauf übermittelte die griechische Regierung der Euro-Gruppe indessen einen Plan, der weitgehend dem im Referendum abgelehnten Vorschlag entsprach und auf dessen Basis rasch ein Kompromiss gefunden werden konnte. Das griechische Parlament billigte den Kompromiss, allerdings nur dank der Stimmen der Opposition, da der linke Flügel der SYRIZA ausgeschert war. Dies führte zu einer Regierungsumbildung und Neuwahlen im September 2015, die kaum Verschiebungen brachten und in eine Weiterführung der bisherigen Regierungskoalition mündeten.

Die Schweiz in der Finanzkrise

Auch an der Schweiz ging die Finanzkrise nicht spurlos vorbei. Die spektakulärste Auswirkung auf die Schweiz war die UBS-Krise. Im Dezember 2007 musste die UBS, die in den Vorjahren eine risikoreiche Expansionsstrategie auf dem amerikanischen Markt verfolgt hatte und zur exponiertesten ausländischen Bank am US-Immobilienfonds- und Derivatemarkt geworden war, infolge der durch die Finanzkrise erlittenen Verluste Abschreibungen in Höhe von 10 Milliarden Dollar vornehmen. Bis März 2008 mussten weitere 25 Milliarden Franken abgeschrieben werden. Im April 2008 kündigte die UBS zusätzliche Abschreibungen von 19 Milliarden an und wies für das erste Quartal 2008 einen Reinverlust von 12 Milliarden aus. Zudem wurden verschiedene personelle Wechsel in der Führungsetage angekündigt.

Um einen drohenden Konkurs der UBS abzuwenden, sprachen am 16. Oktober 2008 Bund und Nationalbank der UBS bis zu 60 Milliarden Unterstützung zu: Davon sollte die Nationalbank toxische Wertpapiere der UBS übernehmen und in eine auf den Caymaninseln eingerichtete Zweckgesellschaft («Bad Bank») einbringen und der Bund stellte 6 Milliarden Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zur Verfügung. Für das Geschäftsjahr 2008 wies die UBS einen Reinverlust von 19,7 Milliarden Franken aus, das grösste je von einem Schweizer Unternehmen erlittene Defizit. Anschliessend stabilisierte sich die Situation allmählich. Mittelfristig erwies sich der Rettungsplan als für alle Beteiligten profitabel. Die Nationalbank nahm mit dem Verkauf der UBS-Wertpapiere in den folgenden Jahren bis zu 5 Milliarden Franken ein. Der Bund verdiente 1,2 Milliarden Zinseinnahmen auf dem der UBS gewährten Darlehen.

Die staatliche UBS-Rettung löste intensive öffentliche Debatten über die Bonussysteme der Banken aus, an denen sowohl eine Förderung riskanter Transaktionen als auch eine Mentalität des «Abzockens» kritisiert wurde. Zudem kamen Diskussionen über die «too big to fail»-Problematik auf. Dabei wurde die UBS-Rettung teilweise mit der nicht erfolgten staatlichen Rettung der Swissair sieben Jahre zuvor kontrastiert (s. SozialarchivInfo 4/2021). Im November 2009 beauftragte der Bundesrat eine Expertenkommission mit der Erstellung eines Berichts zu Möglichkeiten der Limitierung von Grossunternehmen ausgehender volkswirtschaftlicher Risiken. Daraus ging eine als «too big to fail»-Vorlage bezeichnete Revision des Bankengesetzes hervor, die im September 2011 von den Eidgenössischen Räten verabschiedet wurde und 2012 in Kraft trat. Sie verpflichtete die systemrelevanten Banken, bis 2018 höhere Eigenmittel aufzubauen, strengere Liquiditätsvorschriften zu erfüllen und ihre Risiken besser zu verteilen. 2012 beschlossen Bundesrat und Parlament ein weiteres Massnahmenpaket zur Bankenregulierung, mit dem ab 2013 Vorgaben von «Basel III» umgesetzt wurden.

Mit der UBS-Rettung waren die USA-Probleme dieser Bank freilich noch nicht ausgestanden. Wenige Monate später starteten die US-Behörden Ermittlungen gegen die UBS wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Dies setzte erneut politische Prozesse in Gang: 2012 stimmten die Eidgenössischen Räte sogenannten Gruppenanfragen nach dem amerikanischen «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) zu. 2014 trat die Schweiz dann der Erklärung der OECD über den automatischen Informationsaustausch (AIA) in Steuerangelegenheiten bei, der das Bankgeheimnis in Bezug auf ausländische Kund:innen abschaffte.

Die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise waren in der Schweiz weniger gravierend als in anderen Ländern. 2008 verzeichnete die Schweizer Volkswirtschaft noch ein Wachstum von 2,2 Prozent. 2009 erfolgte dann ein Einbruch um 2,2 Prozent, aber ab dem Folgejahr wurden wieder positive Wachstumsraten erzielt. Auch schaffte es die Schweiz, ohne zusätzliche Staatsschulden durch die Krise zu kommen. Sie profitierte dabei nicht zuletzt von den Massnahmen der Zentralbanken und Regierungen der EU und USA zur Wirtschaftsankurbelung in den Gebieten, in welche fast 70 Prozent der Schweizer Exporte gehen. Auch die Schweizerische Nationalbank war in der Krise aber über die UBS-Rettung hinaus aktiv. Ende 2008 reduzierte sie im Gleichschritt mit den Zentralbanken der führenden Wirtschaftsgebiete ihre Zinssätze. Im Zuge der Eurokrise führte sie dann 2011 zur Stützung der Schweizer Export- und Tourismusindustrie einen Mindestwechselkurs von 1.20 Franken pro 1 Euro ein, der bis 2015 durch Interventionen in den Devisenmarkt verteidigt wurde. Dadurch erhöhten sich die Devisenreserven der Nationalbank stark.

Die Arbeitslosenquote sprang 2008 bis 2009 von 2,6 auf 3,7 Prozent, ging aber bereits im folgenden Jahr leicht zurück und pendelte sich dann wieder bei um die 3 Prozent ein. Im Januar 2009 stellten die Gewerkschaften den Plan für ein 5-Milliarden-Konjunkturprogramm des Bundes vor, das die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich durchgerechnet hatte. Das Programm hatte den Schwerpunkt auf Investitionen in den ökologischen Umbau, so in den Bereichen Öffentlicher Verkehr, Lärmsanierung, Hochwasser-, Gewässer- und Lawinenschutz, öffentliche Gebäudesanierung und erneuerbare Energien. Am 19. September 2009 organisierten der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse einen «nationalen Aktionstag gegen die Krise», bei dem auf dem Bundesplatz rund 30’000 Menschen gegen Sozialabbau und Manager-Lohnexzesse sowie für ein Konjunkturpaket demonstrierten. Bei der offiziellen Politik drangen sie damit aber nicht durch.

Als Ableger der internationalen «Occupy»-Bewegung entstand im Herbst 2011 «Occupy Paradeplatz». Am 15. Oktober besetzten rund 1’000 Personen für mehrere Stunden den zentralen Platz des Zürcher Finanzviertels mit Transparenten wie «Banken in die Schranken – Transaktionssteuer jetzt», «Schluss mit der Raffgier» oder «Rettet Menschen, nicht Banken». Neben Juso, Jungen Grünen und globalisierungskritischen Linken beteiligte sich an den Protesten unter anderem auch «We are Change Switzerland», der Schweizer Ableger einer internationalen Bewegung um den rechtslibertären und als Verschwörungstheoretiker kritisierten Investigativjournalisten Luke Rudkowski. Anschliessend entstand auf dem Lindenhof ein Protestcamp von etwa 70 Aktivist:innen in 35 Zelten, das rund einen Monat bestand. Am 15. November 2011 wurde es von der Polizei geräumt. In der Folge führte der harte Kern der Bewegung den Protest vor der St.-Jakobs-Kirche am Stauffacher fort, verlor jedoch rasch an Beachtung und löste das Camp nach zwei Wochen auf. Auch auf dem Berner Bundesplatz, in Genf, wo im Parc des Bastions unweit des Bankenviertels ein Protestcamp entstand, und Basel gab es «Occupy»-Proteste.

Schliesslich manifestierte sich der Unmut über die Finanzkrise auch mehrfach mit direktdemokratischen Mitteln. Noch vor Ausbruch der Finanzkrise hatte ein Komitee um den Schaffhauser Unternehmer Thomas Minder die eidgenössische Volksinitiative «gegen die Abzockerei» lanciert, die eine Verbesserung der Corporate Governance im Bereich der Vergütungspolitik des obersten Kaders forderte. Aktionär:innen börsenkotierter Unternehmen sollten an der Generalversammlung jährlich über die Vergütungssummen der Geschäftsleitung abstimmen und die Mitglieder des Verwaltungsrates einzeln wählen können. Die Initiative wurde 2008 eingereicht. 2011 wurde Minder als Parteiloser in den Ständerat gewählt, wo er sich der SVP-Fraktion anschloss. Bundesrat und Parlamentsmehrheit lehnten die Initiative ab und einigten sich 2012 auf einen Gegenvorschlag. In der Abstimmungskampagne wurde die Initiative von den rot-grünen Parteien unterstützt, von den bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden dagegen abgelehnt. Allerdings gab es abweichende Ja-Parolen zahlreicher SVP-Kantonalparteien. Die Gewerkschaften waren gespalten. Im März 2013 wurde die Initiative mit knapp 68 Prozent Ja-Stimmen und Zustimmung in sämtlichen Kantonen deutlich angenommen. Besonders stark war die Zustimmung gemäss Nachwahlbefragung bei SP- und SVP-Wähler:innen.

Vor dem Hintergrund der durch Finanzkrise und Minder-Initiative intensivierten Debatte um Managerlöhne lancierten die Juso 2009 die Volksinitiative «1:12 – Für gerechte Löhne», die den Unternehmen eine maximale innerbetriebliche Lohnspanne vorschreiben wollte und im März 2011 eingereicht wurde. Auch im Zusammenhang mit dieser Initiative bedienten sich die Befürworter:innen häufig des «Abzocker»-Begriffs. Bundesrat, Parlamentsmehrheit, bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände lehnten die Initiative ab. Unterstützung kam von den rot-grünen Parteien, Gewerkschaften und einigen Splittergruppen am rechten Rand. Im November 2013 wurde die Initiative mit 65,3 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

Die Finanzkrise gab auch den Anstoss zur Lancierung der Volksinitiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank! (Vollgeld-Initiative)» durch den Verein «Monetäre Modernisierung», der 2012 einige gemeinsame Veranstaltungen mit der «Occupy»-Bewegung durchführte. Die Initiative, die im Mai 2014 eingereicht wurde, forderte, der Nationalbank das Monopol zur Schaffung von Buchgeld zu übertragen und ihr so eine direkte Steuerung der Geldmenge zu erlauben. Geschäftsbanken sollten Kredite nur noch vergeben können, wenn diese voll durch Spareinlagen oder Darlehen der Nationalbank gedeckt sind. Damit sollte die Geldschöpfung durch Geschäftsbanken via Kredite ausgeschlossen werden, wodurch sich die Initiant:innen einen Schutz vor zukünftigen Finanzkrisen erhofften. Beide Parlamentskammern lehnten die Initiative ab. Rot-grüne Minderheitsanträge für einen Gegenvorschlag, der von «systemrelevanten» Banken eine höhere Eigenkapitalquote verlangen sollte, blieben chancenlos. Für die Abstimmung gab es Nein-Parolen aller Bundesratsparteien, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften. Die Grünen beschlossen Stimmfreigabe. Zustimmung kam von Splittergruppen am rechten und linken Rand sowie wenigen Kantonalparteien von SP und Grünen. Im Juni 2018 scheiterte die Initiative in der Volksabstimmung mit 75,7 Prozent Nein-Stimmen.

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 1.734.91 Sozialdemokratische Partei der Schweiz SP: SPS, Internationales, Provenienz P. Hug
  • Ar 1.734.92 Sozialdemokratische Partei der Schweiz SP: SPS, Internationales, Provenienz P. Hug
  • Ar 174.10.4 Aeschbach, Karl (1935), Vorlass: Reden, Artikel: 1997–2010 Ar 177.20.35 Strahm, Rudolf (1943): Schriften
  • Ar 197.10.1 Spieler, Willy (1937–2016): Gespräche/Interviews/Vorträge
  • Ar 481.10 Zürcher Bankpersonalverband: Vorstandsprotokolle 1979–2009
  • Ar 483.16.8 Schweizerischer Bankpersonalverband SBPV: SBPV, Delegiertenversammlungen
  • Ar 483.16.18 Schweizerischer Bankpersonalverband SBPV: SBPV, Geschäftsleitung: SBPV, Delegiertenversammlungen
  • Ar 483.16.58 Schweizerischer Bankpersonalverband SBPV: SBPV, Verhandlungen Sozialplan Banca Commerciale di Lugano BCL anlässlich Übernahme durch die Hinduja Bank
  • Ar 483.16.59 Schweizerischer Bankpersonalverband SBPV: SBPV, Verhandlungen Sozialplan Lloyds Bank anlässlich Übernahme durch die UBP (Union Bancaire Privée)
  • Ar SGB G 646/3 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): Pressekonferenzen 2009
  • Ar SGB G 652/2 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): Pressekonferenzen 2010
  • Ar SGB G 677/2 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): Pressekonferenzen 2011

Sachdokumentation

  • QS 72.0 C Löhne in der Schweiz
  • QS 81.1 Weltwirtschaft; Globalisierung
  • QS 81.4 Aussenwirtschaft: Welthandel
  • QS 83.0 Geld; Geldwesen: Allg. & Ausland
  • QS 83.2 Internationale Währungsfragen
  • QS 89.0 C Wirtschaftspolitik, Konjunkturpolitik: Schweiz
  • QS 96.1 Banken: Allg. & Ausland
  • QS 96.1 C Finanzplatz Schweiz; Banken in der Schweiz

Bibliothek

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  • Ackermann, Josef: Mein Weg. München 2024, 151902
  • Admati, Anat und Martin Hellwig: The Bankers’ New Clothes: What’s Wrong with Banking and What to Do about It. Princeton 2024, erwartet
  • Altvater, Elmar: Der grosse Krach, oder, Die Jahrhundertkrise von Wirtschaft und Finanzen, von Politik und Natur. Münster 2010, 123727
  • Altvater, Elmar et al.: Die Rückkehr des Staates? Nach der Finanzkrise. Hamburg 2010, 122966
  • Altvater, Elmar et al.: Exit: Mit Links aus der Krise. Berlin 2011, 126832
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  • Amini, Babak (Hg.): The radical left in Europe in the age of austerity. London/New York 2016, 143062
  • Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Europa am Scheideweg: Solidarische Integration oder deutsches Spardiktat. Köln 2012, 126439
  • Arnoldi, Jakob: Alles Geld verdampft: Finanzkrise in der Weltrisikogesellschaft. Frankfurt 2009, 122041
  • Badiou, Alain et al.: Le symptôma grec. Fécamp 2014, 131350
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  • Baumann, Claude und Werner E. Rutsch: Swiss Banking – wie weiter? Aufstieg und Wandel der Schweizer Finanzbranche. Zürich 2008, 119943
  • Baumann, Claude und Ralph Pöhner (Hg.): Neustart: 50 Ideen für einen starken Finanzplatz Schweiz. Zürich 2010, 122469
  • Baumberger, Jörg und Rudolf Walser: Leere Vollgeld-Hoffnungen: Warum das Finanzsystem durch kontrollierte Schritte zuverlässiger reformiert werden kann als durch einen kühnen Salto. Zürich 2014, D 5991:4
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  • Brunetti, Aymo: Wirtschaftskrise ohne Ende? US-Immobilienkrise – globale Finanzkrise – europäische Schuldenkrise. Bern 2011, 125084
  • Brunetti, Aymo: Ausnahmezustand: Das turbulente Jahrzehnt nach der grossen Finanzkrise. Bern 2018, 140329
  • Busch, Klaus: Das Versagen Europas: Die Euro- und die Flüchtlingskrise sowie die «Brexit»-Diskussion: Eine Flugschrift. Hamburg 2016, 136212
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  • Campbell, John L. und John A. Hall: The paradox of vulnerability: States, nationalism, and the financial crisis. Princeton 2017, 138238
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  • Writers for the 99%: Occupying Wall Street: The inside story of an action that changed America. Chicago 2012, 126974
  • Zeise, Lucas: Ende der Party: Die Explosion im Finanzsektor und die Krise der Weltwirtschaft. Köln 2008, 120049
  • Zelik, Raul: Mit PODEMOS zur demokratischen Revolution? Krise und Aufbruch in Spanien. Berlin 2015, 133393

Periodika

  • Geschäftsbericht Credit Suisse Group, K 276
  • Jahresbericht UBS AG, K 58

Vor 160 Jahren: Die Internationale Arbeiter-Assoziation

Am 28. September 1864 wurde in der Londoner St. Martin’s Hall die «International Workingmen’s Association», zu Deutsch «Internationale Arbeiter-Assoziation», aus der Taufe gehoben. Die im Rückblick als «Erste Internationale» bezeichnete Organisation existierte nur ein gutes Jahrzehnt, dennoch hatte sie – abseits von der auf sie gedichteten sozialistischen Hymne «Die Internationale» und der schwierigen Deklination des substantivierten Adjektivs im Deutschen – Nachwirkungen, die bis in die Gegenwart reichen. Die Geschichtsschreibung hat sich mit der Ersten Internationale seit langer Zeit befasst. Beginnend mit dem Schweizer Anarchisten James Guillaume, der selbst in der Internationale mitgewirkt hatte und im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg ein mehrbändiges Werk zu deren Geschichte herausbrachte, hat sich die Historiographie lange Zeit vor allem mit den einzelnen Kongressen und wichtigen Figuren der Internationale sowie den organisatorischen und doktrinären Konflikten zwischen Karl Marx und Michail Bakunin befasst. In jüngerer Zeit wurde die Geschichte der Ersten Internationale vermehrt in sozial-, kultur-, geschlechter- und globalhistorische Zusammenhänge eingeordnet und stehen die Entstehung einer neuen politischen Kultur sowie transnationale Vernetzungen im Zentrum des Forschungsinteresses.

Vorgeschichte und Gründung

Die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation hatte eine jahrzehntelange, bis in die Frühindustrialisierung zurückreichende Vorgeschichte. Im Kontinentaleuropa der Restaurationszeit konnten internationale politische Organisationen grösstenteils nur in der Illegalität oder im Exil in den wenigen liberalen Ländern existieren und nahmen häufig die Gestalt von Geheimbünden an. Der liberaldemokratische italienische Revolutionär Giuseppe Mazzini gründete 1834 zusammen mit sieben Italienern, fünf Deutschen und fünf Polen den Geheimbund «Junges Europa», der unter dem Motto «Freiheit – Gleichheit – Humanität» ein Europa der Völker und Republiken statt der Fürsten anstrebte. Neben den drei von Mazzini initiierten Sektionen «Junges Italien», «Junges Deutschland» (das in der Schweiz die Bildung deutscher Arbeiter- und Handwerkervereine förderte) und «Junges Polen» entstanden in der Folgezeit in dieser Bewegung auch ein «Junges Frankreich», eine «Junge Schweiz» (vor allem in der Romandie) sowie ansatzweise ein «Junges Belgien» und «Junges Spanien». Diese Bewegung existierte nur bis 1836/37.

1835 gründete der britische Industrieunternehmer und Frühsozialist Robert Owen, der zuvor in Grossbritannien und den USA mehrere Muster-Produktions- und Lebensgemeinschaften initiiert hatte, in London die «Association of All Classes of All nations», die Sektionen in Grossbritannien und den USA sowie Korrespondenzpartner in Frankreich, Belgien und deutschen Staaten hatte. Die im Wesentlichen als Propaganda- und Hilfsorganisation konzipierte Assoziation kam faktisch aber nie wirklich gross über London hinaus und löste sich nach wenigen Jahren auf. 1843 entwarf die kurz darauf verstorbene französische Frühsozialistin Flora Tristan die Idee einer internationalen, politischen und gewerkschaftlichen «Union ouvrière».

Ebenso entstand ab Mitte der 1830er-Jahre eine Reihe deutscher Exilorganisationen, die einen internationalen Anspruch hatten und von denen aus es dann direkte personelle Kontinuitäten zur Ersten Internationale gab. 1834 gründeten deutsche Emigranten in Paris den «Bund der Geächteten», der auf etwa 500 Mitglieder wuchs und konspirativ arbeitete. Führendes Mitglied war der Jurist Jacob Venedey, der 1832 nach seiner Teilnahme am frühliberalen Hambacher Fest verhaftet worden und aus dem Gefängnis nach Frankreich geflohen war. Nach Teilnahme an der 1848er-Revolution war er dann in den frühen 1850er-Jahren kurze Zeit Privatdozent für mittelalterliche Geschichte an der Universität Zürich. Als radikale Abspaltung eines grossen Teils der Mitglieder vom «Bund der Geächteten» entstand 1836 der «Bund der Gerechten». Dessen führender Kopf war zunächst der Handwerker und Frühsozialist Wilhelm Weitling. 1839 verlegte der Bund seine Zentrale von Paris nach London. 1841 bis 1844 weilte Weitling in der Schweiz, wo er Handwerkervereine zum Kampf ermutigte und seine beiden Hauptwerke «Garantien der Harmonie und Freiheit» und «Evangelium des armen Sünders» publizierte. 1843 wurde er in Zürich festgenommen, inhaftiert und in der Folge ausgewiesen.

1846 lernte Weitling Karl Marx kennen. Bald kam es zwischen den beiden aber zum Konflikt und Weitling und seine Anhänger wurden aus dem «Bund der Gerechten» verdrängt. 1847 erfolgte die Umwandlung des «Bundes der Gerechten» in den «Bund der Kommunisten». Am zweiten Kongress dieses Bundes, der zu jenem Zeitpunkt etwa 500 Mitglieder, vor allem deutsche Exilanten, zählte, nahmen Ende 1847 Delegierte von 30 Ortsgruppen von Grossbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, den deutschen Staaten, Schweden, der Schweiz und den USA teil. Der Kongress beauftragte Marx und Engels mit der Abfassung des Kommunistischen Manifests, das mit seinem Schlussaufruf «Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!» die Bildung einer internationalen Organisation zum programmatischen Auftrag machte. 1850 spaltete sich der Bund, der in den 1848er-Revolutionen eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, in zwei Fraktionen. 1852 wurde er im Kölner Kommunistenprozess faktisch zerschlagen und in der Folge von Marx aufgelöst.

Zuvor war 1844/45 in London die Organisation der «Fraternal Democrats» entstanden. An der Gründung waren die Deutsche Demokratische Gesellschaft Londons (inklusive Mitglieder des «Bundes der Gerechten»), Mitglieder der britischen Reformbewegung der Chartisten sowie französische und polnische Flüchtlinge beteiligt. Auch gab es italienische und schweizerische Mitglieder. Schon vor der offiziellen Gründung protestierte die Organisation 1844 an einem Meeting gegen den Besuch des wegen seiner gnadenlosen Politik gegen alle oppositionellen Regungen sowie antiimperialen, liberalen und demokratischen Bewegungen als «Gendarm Europas» verschrienen russländischen Zaren Nikolaus I. in England. An der Vorbereitung der Gründung beteiligten sich auch Marx und Engels, die dann aber an der Gründungsversammlung am 22. September 1845 wegen Ortsabwesenheit nicht dabei waren. 1847 schlossen sich die «Fraternal Democrats» dem «Bund der Kommunisten» und der Chartistenbewegung an, 1853 stellten sie aber ihre Aktivitäten ein. 1854 entstand ebenfalls in London das «International Committee», aus dem 1855/56 die «International Association» hervorging. Sie bestand aus Chartisten sowie französischen, polnischen und deutschen Exilanten und gilt als unmittelbare Vorläuferin der Internationalen Arbeiter-Assoziation. 1859 löste sie sich auf.

Zur Internationalisierung der sich formierenden Arbeiterbewegung trugen verschiedene Faktoren bei. Neben dem durch politische Verfolgungen erzwungenen Exil verschiedener Exponent:innen in unterschiedlichen Ländern zählte dazu die transnationale Arbeitsmigration vieler Mitglieder, die oft noch dem handwerklichen Bereich mit ihrer traditionellen Walz entstammten, sowie im Falle der Intellektuellen die akademische Mobilität. Hinzu kam, dass ab den 1840er-Jahren verschiedene radikaldemokratische Blätter in unterschiedlichen Ländern Europas (unter anderem der «Schweizerische Republikaner» in Zürich) zunehmend über Arbeiterbewegungen in anderen Ländern berichteten und damit eine transnationale mediale Öffentlichkeit schufen.

Dass die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation 1864 dann in London erfolgte, war kein Zufall. Die britische Kapitale war seit der Restaurationszeit eine Zufluchtsstätte von politisch Verfolgten aus ganz Europa. Ähnlich wie in den liberalen Kleinstaaten Belgien und Schweiz suchten hier Liberale, Sozialist:innen und antiimperiale Unabhängigkeitskämpfer:innen vor den autoritären Regimen auf dem Kontinent Schutz. Zugleich war in Grossbritannien die Gewerkschaftsbewegung, etwa im Zusammenhang mit einer Streikwelle 1859/60, früher als auf dem Kontinent erstarkt. Am Rande der Londoner Weltausstellung von 1862 kam es zu Treffen zwischen britischen Gewerkschaftern und französischen Arbeitervertretern. Dasselbe wiederholte sich im folgenden Jahr im Umfeld einer internationalen Kundgebung in London zur Unterstützung des grossen Aufstandes im russländischen Teil Polens.

Der Gründungskongress der Ersten Internationale 1864 war vordergründig als Solidaritätsveranstaltung aus Anlass der Niederschlagung des polnischen Aufstandes deklariert. Am von britischen und französischen Arbeitervertretern organisierten Anlass nahmen auch Sozialisten und Republikaner aus Italien, Deutschland, der Schweiz und Polen teil. Schweizer Gründungsmitglieder der Internationale waren der Mechaniker Edmund Nüsperli, der 1878 dann nach der Verabschiedung des eidgenössischen Fabrikgesetzes einer der ersten drei Fabrikinspektoren des Bundes wurde, und der in London lebende jurassische Uhrmacher Hermann Jung. Jung wurde Mitglied des Generalrats der Internationalen Arbeiter-Assoziation und deren korrespondierender Sekretär für die Schweiz, später auch deren Kassier und Präsident mehrerer Kongresse. Dominierende Figur im Generalrat der neuen Organisation wurde der seit 1849 im Londoner Exil lebende Marx. Marx verfasste auch die Statuten der Arbeiter-Assoziation, die am 5. November 1864 publiziert wurden.

Sektionen, Kongresse und Konflikte

In den folgenden Jahren breitete sich die Internationale Arbeiter-Assoziation in Grossbritannien, Kontinentaleuropa sowie einigen Gebieten Nord- und Lateinamerikas aus. Bereits im Oktober 1864 entstand in Genf die erste kontinentaleuropäische Sektion. Im Januar 1865 wurde eine Sektion in Paris gegründet, ein halbes Jahr darauf folgte Brüssel. In den deutschen Staaten soll es 1865 66 illegale Sektionen gegeben haben, unter anderem in Berlin, Köln und Solingen. Die Gründung südeuropäischer Sektionen folgte wenige Jahre darauf. Die erste Sektion in Italien entstand im Januar 1869 in Neapel, die erste in Spanien im Dezember gleichen Jahres in Madrid. Bereits 1865 wurde in London eine exilpolnische Sektion gegründet, 1871 gab es dann eventuell Sektionen in Krakau und Poznań. Die einzige russische Sektion der Internationale wurde im März 1870 im Genfer Exil gegründet. Sie hatte nur wenige Mitglieder und stand in scharfer Opposition zur ebenfalls in Genf domizilierten «Internationalen Allianz der sozialistischen Demokratie» von Michail Bakunin, dem 1861 nach zwölfjähriger Haft und Verbannung die Flucht aus Sibirien über Japan und die USA nach Westeuropa geglückt war.

In den USA entstand im Dezember 1869 eine deutsche Sektion der Internationale in New York. Im Sommer 1870 wurden dort auch eine französische und eine tschechische Sektion gegründet. Im Dezember 1870 entstand ein Zentralkomitee der US-Sektionen, die von sechs im Mai 1871 auf 50 in 18 Städten im April 1872 anwuchsen. Im Jahr 1872 entstand auch eine Sektion in Montevideo, gefolgt von je einer französischen, spanischen und italienischen Sektion in Buenos Aires 1873. Aus Mexico City wurde 1876, als sich die Internationale bereits gespalten hatte, von der einen Fraktion eine Sektion anerkannt. Die Präsenz der Internationale an anderen Orten in Lateinamerika ist umstritten. Am Kongress der Internationale von 1872 nahm auch ein Delegierter aus Australien teil. Die Kontinente Afrika und Asien waren in der Internationale, die eine «weisse» Organisation blieb, nicht vertreten.

Die Mitgliederzahlen der einzelnen Sektionen lassen sich nur ungefähr abschätzen. Die maximale Mitgliederzahl in Grossbritannien betrug 50’000 (im Jahr 1867), in Italien 32’000 (1874), in Frankreich 30’000 (1871), in Belgien 10’000 (1869), in Spanien 10’000 (1874), in der Schweiz 6’000 bis 10’000 (späte 1860er-Jahre), in den USA 4’000 (1872), jeweils wenige Tausend in den deutschen Staaten (1870), Dänemark (1872) und Österreich-Ungarn (1872), jeweils weniger als tausend in den Niederlanden (1872), Portugal (1872) und Irland (1872) sowie 250 in Argentinien (1872). Die Zahlen für Uruguay, Mexiko und eventuelle weitere lateinamerikanische Länder sind nicht bekannt.

Der erste ordentliche Kongress der Internationalen Arbeiter-Assoziation fand im September 1866 in Genf statt. Der Anlass begann mit einem Umzug der Arbeiterorganisationen durch die Stadt und wurde von der Bevölkerung mehrheitlich mit Sympathie empfangen. Auch die Presse der freisinnigen Genfer Radicaux stand dem Kongress wohlwollend gegenüber, während ihm das «Journal de Genève» als Sprachrohr des liberalkonservativen «Parti indépendant» nichts Positives abgewinnen konnte. Am Kongress waren Anhänger des im Vorjahr verstorbenen französischen Mutualisten Pierre-Joseph Proudhon einflussreich, während die Anhänger des französischen Sozialisten Louis-Auguste Blanqui von der Internationale ausgeschlossen wurden. Ein wichtiger Beschluss dieses Kongresses war die Forderung nach dem Achtstundentag. Auch gab es stundenlange Diskussionen über ein von den Proudhonisten gefordertes Verbot der ausserhäuslichen weiblichen Lohnarbeit. Nur zwei Redner machten sich für Frauenarbeit unter gleichberechtigten Bedingungen stark. Die Mehrheit unterstützte schliesslich sowohl den Antrag des Generalrats auf Verbot von Nachtarbeit und gefährlicher Arbeit für Frauen als auch den damit in Widerspruch stehenden proudhonistischen Antrag für ein vollständiges Verbot der ausserhäuslichen Lohnarbeit für Frauen.

Der Kongress des folgenden Jahres fand in Lausanne statt. Marx, der mit der Drucklegung des ersten Bandes seines «Kapitals» beschäftigt war, nahm nicht teil. Mit der britischen Freidenkerin Harriet Law war erstmals eine Frau im Generalrat vertreten. Der Kongress bestätigte die Beschlüsse des Vorjahres. Ausserdem sprach er sich für kostenlose, obligatorische und weltliche Schulbildung aus, ebenso für die Verstaatlichung des Transportwesens und verabschiedete eine Resolution, die die Emanzipation der Arbeiterschaft und die politische Freiheit als untrennbar bezeichnete. Der Versuch der Proudhonisten, die Kontrolle über den Generalrat zu erlangen, scheiterte. Am dritten Kongress von 1868 in Brüssel bestätigte sich die Dominanz von Marx und seinen Anhängern. Die Zusammenarbeit mit der Internationalen Friedens- und Freiheitsliga wurde wie schon am Kongress von Lausanne bekräftigt, ein formeller Beitritt aber abgelehnt.

Die Friedens- und Freiheitsliga war 1867 vom späteren Friedensnobelpreisträger Frédéric Passy initiiert worden, vereinigte bürgerliche, republikanische und sozialistische Reformer:innen und forderte die Überwindung nationaler Konflikte durch Schaffung einer republikanischen Europa-Union, die Abschaffung der stehenden Heere und die europaweite Verwirklichung der Prinzipien der Französischen Revolution. In der Liga waren Frauen tendenziell stärker vertreten als in der Ersten Internationale. Am Friedensliga-Kongress im September 1868 in Bern forderte Bakunin die «ökonomische und soziale Gleichmachung der Klassen und der Individuen», was die Mehrheit der Delegierten aber ablehnte. Daraufhin traten Bakunin und seine Anhänger aus der Liga aus und gründeten in Genf die «Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie», deren Mitglieder trotz der Skepsis von Marx von der Ersten Internationale aufgenommen wurden.

Der vierte Kongress der Internationale tagte 1869 in Basel. Hier gab es für Marx und seine Mitstreiter erstmals bedeutenden Gegenwind. Neben den Proudhonisten vertraten nun auch Bakunin und seine Anhänger protoanarchistische Positionen, die teilweise bei den Delegierten auf Anklang stiessen. Der Kongress beschloss unter dem Eindruck der deutschen Einigungskriege von 1864 und 1866 auch eine Anti-Kriegs-Deklaration und rief für den Kriegsfall die Arbeiter zum Streik auf. Der Fourierist, Genossenschaftspionier und Direktdemokrat Karl Bürkli hielt am Kongress namens der Zürcher Sektion ein Referat zum Thema «Direkte Gesetzgebung durch das Volk».

Der für September 1870 vorgesehene Kongress in Mainz musste wegen des Ausbruchs des Deutsch-Französischen Krieges abgesagt werden. Dies kam Marx, der ein weiteres Vordringen seiner Gegner:innen befürchtete, entgegen. Erst Monate nach Kriegsende fand im September 1871 wieder ein Kongress statt. Zuvor hatte der Pariser Commune-Aufstand vom Frühjahr 1871 Europa erschüttert (s. SozialarchivInfo 2/2021). Von den 92 Mitgliedern des Rates der Commune gehörten nicht weniger als 32 der Internationalen Arbeiter-Assoziation an. Die Rolle der Internationale in dem Aufstand, der nach der Kriegsniederlage Frankreichs und der Belagerung von Paris durch die Deutschen gesellschaftlich von Arbeiter:innen, unteren Mittelschichten und Intellektuellen und politisch von Vertretern unterschiedlicher sozialistischer Richtungen sowie Radikalrepublikanern getragen war, wurde aber bei den von den Vorgängen in Paris geschockten europäischen Eliten dennoch stark überschätzt. Dazu trugen nicht zuletzt die Solidaritätsbekundungen zahlreicher sozialistischer Organisationen bei sowie Marx’ Schrift «Der Bürgerkrieg in Frankreich», der am 30. Mai 1871, zwei Tage nach dem Ende der Commune, vom Generalrat der Internationale als Stellungnahme angenommen wurde. Auf der Flucht vor Regierungstruppen dichtete der Communard und Transportarbeiter Eugène Pottier den Text «Die Internationale», der dann 1888 von Pierre Chrétien Degeyter, dem Dirigenten des Arbeitergesangsvereins Lille, vertont und zur Hymne der internationalen Arbeiterbewegung wurde.

Zur Londoner Konferenz im Herbst 1871 lud der Generalrat nur ausgewählte Sektionen ein. Die Konferenz beschloss ihre Solidarität mit der niedergeschlagenen Commune. Auch fasste sie Beschlüsse zur organisatorischen Zentralisierung der Internationale. Die Konflikte zwischen den Anhängern von Marx und Bakunin brachen erneut auf. Zum definitiven Bruch kam es auf dem Haager Kongress vom September 1872. Organisatorisch schwenkte der Kongress ganz auf die Linie von Marx ein. Die Kompetenzen des Generalrats wurden ausgeweitet und die Sektionen zum Aufbau nationaler Parteien verpflichtet. Ebenso wurde beschlossen, den Sitz des Generalrats von London nach New York zu verlegen. Auch erfolgte der Ausschluss der antiautoritären Sozialisten Bakunin und James Guillaume sowie der US-amerikanischen feministischen «Sektion 12» um Victoria Woodhull (1872 dann erste weibliche Präsidentschaftskandidatin der USA, s. SozialarchivInfo 6/2020), der vorgeworfen wurde, sich zu sehr für die Frauenemanzipation einzusetzen und sich nicht als Arbeiterorganisation zu verstehen.

In der sehr heterogen zusammengesetzten Ersten Internationale gab es neben dem Konflikt zwischen der zentralistischen Linie der Anhänger:innen von Marx und der föderalistisch-autonomistischen Linie der Anhänger:innen von Bakunin und den sich daraus entwickelnden Doktrinen des Marxismus und Anarchismus mehrere weitere, damit nicht kongruente Konfliktlinien und Ambivalenzen. In der Geschlechterfrage waren innerhalb der protoanarchistischen Gruppierungen die Positionen der Proudhonisten und der auf Gleichberechtigung pochenden Anhänger:innen Bakunins einander diametral entgegengesetzt. Differenzen gab es auch bezüglich des Standpunktes zu antiimperialen Nationalbewegungen. Marx und einige britische Gewerkschaftsvertreter sprachen sich für die polnische Unabhängigkeit aus, während unter dem Einfluss von Proudhon stehenden Kontinentaleuropäern aufgrund einer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der Institution Staat eine polnische Eigenstaatlichkeit nicht prioritär erschien. Die irische Nationalbewegung war für Marx ebenfalls unterstützenswert, während britische Vertreter in diesem Punkt aufgrund befürchteter negativer Reaktionen aus der englischen Öffentlichkeit Zurückhaltung anmahnten.

Die Erste Internationale in der Schweiz

Die Ausstrahlung der Ersten Internationale auf die Schweiz ging weit über ihre hierzulande abgehaltenen Kongresse hinaus. Die im Oktober 1864 gegründete Genfer Sektion zählte im Januar 1866 bereits 200 Mitglieder. Treibende Kraft war Philipp Becker, ein deutschstämmiger «1848er», der in der Calvinstadt am linken Flügel der Radicaux politisierte (s. SozialarchivInfo 2/2023). Unter Genfer Einfluss entstanden im Frühjahr 1865 Sektionen in Lausanne, Montreux und Vevey. Im Herbst gleichen Jahres wurden Sektionen in La Chaux-de-Fonds, Bern und Neuchâtel aus der Taufe gehoben. Anfang 1866 entstanden Sektionen in der Zürcher Oberländer Industriegemeinde Wetzikon, in Basel und Saint-Imier, im August 1867 in der Stadt Zürich unter Karl Bürkli und dem aus Schlesien stammenden Herman Greulich, der später zur Vaterfigur der Zürcher Arbeiterbewegung und 1887 eidgenössischer Arbeitersekretär wurde. Es gab aber auch verschiedene kleinstädtische und ländliche Sektionen.

Die erste Sektion in der italienischen Schweiz entstand 1871 in Onsernone. 1868 trat die Vereinigung der Deutschen Arbeiterbildungsvereine in der Schweiz der Internationale bei, ebenso einige Lokalsektionen des Schweizerischen Grütlivereins. Der Grütliverein als Ganzes lehnte 1868 den Beitritt ab. Unter dem Druck der Internationale wandelte er sich in der Folgezeit aber immer mehr zu einer Arbeiterorganisation. 1838 in Genf als vaterländischer Diskussionszirkel gegründet, zählten zu seiner Mitgliedschaft zunächst vor allem Handwerksgesellen. Die Internationale stellte das Selbstverständnis als Handwerkerverein in Frage und rückte in der Vereinstätigkeit die «Arbeiterfrage» immer mehr ins Zentrum seiner Diskussionen. So wurde der Grütliverein bis in die 1890er-Jahre zur mitgliederstärksten Arbeiterorganisation der Schweiz.

Nach dem Kongress von 1866 erlebte die Genfer Sektion einen beträchtlichen Mitgliederzuwachs. Im Januar 1868 hatte die Internationale in Genf bereits 14 Untersektionen, im Jahr darauf 24 und 1870 30. In Genf gab es ab 1868 auch die einzige Frauensektion der Schweiz. 1869 bildeten die Westschweizer Sektionen die «Fédération Romande». Auf ihrem Höhepunkt zwischen 1868 und 1870 zählte die Internationale in der Schweiz rund 120 Sektionen. Allein die Genfer Sektionen hatten 3’000 bis 4’000 Mitglieder, die Basler 3’000. Die Internationale hatte auch Einfluss auf die Gründung lokaler Gewerkschaftsorganisationen ab den späten 1860er-Jahren. Besonders die von der Internationale getragenen ersten grossen Streiks der Schweiz (Genfer Bauarbeiterstreiks 1868, 1869 und 1870 sowie Basler Bandweberstreik 1868/69) führten zu einem Schub an Verbandsgründungen und bald auch zu ersten lokalen Dachorganisationen («Arbeiterunionen»). Die Gründung eines ersten gesamtschweizerischen Dachverbandes der Arbeiterbewegung, des «alten» Arbeiterbundes, erfolgte im Oktober 1873 auf einem Arbeitertag in Olten, an dem sich Schweizer Sektionen der Internationale, Gewerkschaften, die deutschen Arbeiterbildungsvereine sowie die Grütlivereine aller grösseren Städte beteiligten.

Politisch arbeiteten die Sektionen der Internationale mit Parteien des fortschrittlichen Bürgertums zusammen. In Zürich waren führende Internationalisten wie Bürkli und Greulich Teil der demokratischen Bewegung, die als breites Bündnis aus Mittelschichten, Arbeitern und Bauern in den späten 1860er-Jahren das «System Escher» stürzte und eine direktdemokratische Verfassungsrevision durchführte (s. SozialarchivInfo 6/2018). In Basel hatte die Internationale enge Beziehungen zu den oppositionellen Radikalen. Die Basler Sektion der Internationale ernannte den radikalen Parteiführer Wilhelm Klein zum Ehrenmitglied. 1868 wurde der Sektionspräsident der Internationale, der Posamenter Josef Heinrich Frey, mit Unterstützung der Radikalen in den Grossen Rat gewählt.

Auch in der Romandie gab es Wahlallianzen zwischen Internationalisten und Radikalen. In Genf war einer der führenden Köpfe der Internationale, Jacques Grosselin, zugleich Grossrat der Radicaux um James Fazy. Für die Genfer Parlamentswahlen im Herbst 1868 konstituierte sich im Nachgang zum ersten Bauarbeiterstreik eine von den Radikalen unabhängige sozialistische Partei mit dem Namen «République démocratique et sociale» und der Zeitung «Liberté», die sich als Organ der «Radicaux progressistes» bezeichnete. Sie machte nur rund 200 Stimmen. Hingegen erzielten die drei Internationalisten auf der radikalen Liste, unter anderem Grosselin, gute Resultate. Als Grosselin im Jahr darauf von den Radikalen auch als Staatsratskandidat portiert wurde, landete er allerdings auf dem letzten Platz. Der Armenarzt und Gründer der Sektion von La Chaux-de-Fonds Pierre Coullery war 1862 bis 1865 radikaler Grossrat des Kantons Neuchâtel.

Das Wirken der Schweizer Sektionen der Internationale war in der Presse insbesondere im Zusammenhang mit den ersten grossen Streiks in den späten 1860er-Jahren ein Thema. Während das Parteiorgan der Genfer Radikalen mehrfach für die Streikenden Stellung bezog, wandten sich andere freisinnige sowie liberalkonservative Zeitungen scharf gegen die Internationale. Das «Journal de Genève» schrieb von einer angeblichen «autorité dictatoriale» der Internationale, die die individuelle Freiheit der Arbeiter missachte, und monierte, es handle sich dabei um eine «société étrangère dont le siège est à Londres et dont nous cherchons vainement la place normale dans nos institutions républicaines» (Journal de Genève, 24.3.1868). In der Deutschschweiz forderten liberale Blätter, dem «Terrorismus» (NZZ, 29.3.1868) beziehungsweise «despotischen, die Freiheit des Einzelnen negierenden und unterdrückenden Treiben des von London aus herrschenden internationalen Vereins» (Der Bund, 28.3.1868) energisch entgegenzutreten.

Die NZZ bezeichnete die Internationale als «einen Staat im Staate» (NZZ, 13.6.1870) und meinte zu den Ursachen des ersten Genfer Bauarbeiterstreiks: «Hüte man sich wohl zu glauben, dass die Genfer Arbeitseinstellung eine durch einen Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitern hervorgerufene Krise sei. Dieses bedenkliche Ereignis ist nur ein grosser Versuch, welchen die europäische internationale Gesellschaft macht, und für welchen sie den Boden von Genf als den günstigsten, vielleicht als den einzig günstigen erachtet hat, weil er wahrscheinlich der einzige ist, auf welchem sie die volle Freiheit der Aktion, deren sie sich hier bedienen konnte, zu finden im Stande war. Schon seit mehreren Monaten haben die fremden Komites gearbeitet, um die eben ausgebrochene Krise zu organisiren» (NZZ, 2.4.1868). Die Gründung der Ersten Internationale sei ein Versuch der englischen Arbeiter gewesen, «ihre Mitbrüder auf dem europäischen Kontinent von einer ihnen unbrüderlich erscheinenden Konkurrenz zurückzuhalten». Nachdem sich diese Strategie als wenig wirksam erwiesen habe, seien sie nun dazu übergegangen «ihr Geld zur Anzettelung von Arbeitseinstellungen auf dem Kontinent zu verwenden» (NZZ, 9.4.1868).

Auch im Genfer Bürgertum gab es solche Vorstellungen. Zu Beginn des ersten Bauarbeiterstreiks schrieb im März 1868 ein «ami de l’ordre» anonym an Bundespräsident Jakob Dubs, die Internationale plane einen «coup d’état» gegen den Genfer Staatsrat, wolle die Zeughäuser plündern, die Kantonsregierung zwingen, die Bauarbeiten für die Hochschule im Volumen von 1,8 Millionen Franken an die Internationale zu vergeben oder die Regierung durch eine andere, «plus à la dévotion» zu ersetzen. Ein paar Tage später druckte die Londoner «Times» eine anonyme Zuschrift aus Genf, welche klagte: «Sad to say, Geneva evidently owes the honour of having been singled out by the London Committee for their first attempt to revolutionise labour on the Continent to its being, next to England, the freest State in Europe. Thus do foreign demagogues repay Swiss hospitality» (The Times, 27.3.1868).

Effektiv war die Richtung aber umgekehrt: Der Streik war nicht von aussen inszeniert worden, sondern die Streikenden warben erst nach dessen Beginn grenzüberschreitend um Unterstützung. Ein Delegierter der Streikenden wurde von den Pariser Sektionen der Internationale begeistert empfangen, während er in London keine grosse Resonanz erzielte. Ende Mai 1868 wurde dann in einem Verbotsprozess gegen die Pariser Sektionen die Agitation für den Genfer Streik und die Sammlung von Unterstützungsgeldern, die etwa 10 Prozent der gesamten Streikkosten deckten, von der Anklage besonders hervorgehoben. Am Brüsseler Kongress der Internationale waren die Genfer Sektionen mit vier Delegierten vertreten, die über den Streik berichteten. Von den 60’000 Franken, die der Streik von 1868 kostete, wurden 52’000 Franken durch Sammlungen im In- und Ausland beglichen. Die Berliner Sektion der Internationale organisierte sogar ein Solidaritätskonzert, das 120 Taler Erlös erzielte. Dies war kein Sonderfall. In der internationalen Streikwelle der späten 1860er-Jahre gab es immer wieder durch die Internationale vermittelte grenzüberschreitende Unterstützungen bei Streiks und Aussperrungen zwischen Grossbritannien, Frankreich, der Schweiz, Belgien und Italien.

Agonie und Nachleben

Eine Woche nach dem Haager Kongress von 1872 fand in Saint-Imier ein Gegenkongress statt, zu dem die italienische Landesföderation aufgerufen hatte. Diese hatte den Kongress in den Niederlanden aus Protest gegen die Londoner Beschlüsse von 1871 boykottiert. Der Gegenkongress lehnte in Resolutionen die Macht des Generalrats ab, betonte den föderalistischen Charakter der Internationale und sprach sich für gewerkschaftliches statt parteipolitischem Handeln aus. Der Generalrat schloss daraufhin die Landesföderationen, die sich hinter die Beschlüsse von Saint-Imier stellten, aus. Der Kongress von Saint-Imier besiegelte so die Spaltung der Internationale.

Beide Organisationen hielten im September 1873 Kongresse in Genf ab. Derjenige der Antiautoritären umfasste 27 Delegierte, die die Landesföderationen aus Italien, Spanien, Grossbritannien, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz repräsentierten. Er befasste sich mit organisatorischen Fragen und beschloss eine versöhnliche Adresse an den Kongress des Generalrats, der zwei Tage später mit 28 Delegierten ausschliesslich aus der Schweiz, Deutschland und Österreich begann. Für Marx war die Internationale nun faktisch gescheitert. Im September 1874 hielt die antiautoritäre Internationale, die noch immer nicht ausschliesslich aus Anarchist:innen bestand, einen Kongress in Brüssel ab. Der nächste, für 1875 in Barcelona geplante Kongress musste wegen organisatorischer Probleme abgesagt werden.

Im Juli 1876 veranstaltete der Generalrat in Philadelphia eine Konferenz mit 10 Generalratsmitgliedern und 14 ausschliesslich nordamerikanischen Delegierten, die die Internationale für aufgelöst erklärte. Die antiautoritäre Organisation hielt dagegen drei Monate später in Bern einen weiteren Kongress ab, der mit der «Propaganda der Tat» eine neue Strategie beschloss, welche die Völker durch Handstreiche, Aufstandsversuche und Attentate wachrütteln sollte. Ebenso wurde beschlossen, im folgenden Jahr einen allgemeinen sozialistischen Kongress zu organisieren.

So fanden im September 1877 unmittelbar nacheinander zwei Kongresse statt: Zunächst derjenige der antiautoritären Internationale in Vervier, dann, teilweise mit denselben Delegierten, der allgemeine Kongress in Gent, auf dem ein letzter Versöhnungsversuch zwischen Anarchist:innen und Sozialdemokrat:innen unternommen wurde. Der Kongress stellte jedoch die Unvereinbarkeit der beiden Strömungen fest und beschloss, getrennte Wege zu gehen. Die damals bereits geäusserte Absicht, eine marxistische Internationale zu gründen, konkretisierte sich zunächst nicht. Aber auch der für 1878 in der Schweiz geplante Kongress der antiautoritären Internationale kam nicht zustande. Ein 1881 in London abgehaltener internationaler sozialistisch-revolutionärer Kongress war keine offizielle Konferenz der antiautoritären Internationale mehr, sondern eine allgemeine anarchistische Zusammenkunft. Am im selben Jahr aufgrund eines Verbots durch die Zürcher Regierung statt in der Limmatstadt in Chur abgehaltenen «Weltsozialistenkongress» mit 20 Delegierten aus 14 europäischen Ländern und den USA blieben die Anarchist:innen fern.

In der Auflösungsphase der Ersten Internationale erlebten auch die Sektionen und Landesföderationen einen Niedergang oder transformierten sich in neue Organisationen. In Frankreich wurde 1872 die Internationale verboten und in der Folgezeit kam es zu Verhaftungen und Prozessen. Die Sektionen in der Deutschschweiz erlebten in den frühen 1870er-Jahren einen Niedergang und lösten sich weitgehend auf. In der Romandie führte der Streit um den Umgang mit Bakunins «Allianz der sozialistischen Demokratie» 1870/71 zur Abspaltung der antiautoritären «Fédération Jurassienne» von der «Fédération Romande». Die Gespaltenheit der Schweizer Sektionen der Internationale zeigte sich 1872 bei der ersten Abstimmung über eine Totalrevision der Bundesverfassung. Die Sektionen der Romandie gaben die Nein-Parole heraus, die Sektion Zürich die Ja-Parole und die «Fédération Jurassienne» empfahl Stimmverweigerung. Die wenige Jahre zuvor noch sehr mitgliederstarken Genfer Sektionen erlebten ihren Niedergang um 1875.

Am längsten überlebte die «Fédération Jurassienne», die zum Zentrum der antiautoritären Internationale wurde und 1874 bis 1877 deren Bundesbüro führte. Die Organisation war relativ klein. Auf dem Höhepunkt 1873/74 gehörten ihr 300 bis 400 Personen in etwa 20 Sektionen an. Hochburgen waren Saint-Imier, Sonvilier, Neuchâtel, Le Locle, La Chaux-de-Fonds und Genf. Die Mitgliedschaft bestand vor allem aus in Ateliers arbeitenden Uhrmachern, die in einer hochgradig in den Weltmarkt integrierten Branche tätig waren und sich gegen den Einbezug in hierarchisierte und standardisierte Produktionsprozesse mit Zeitdiktat wie bei der Fabrikarbeit wehrten. Die zweite wichtige Gruppe der Mitgliedschaft waren politische Flüchtlinge, insbesondere Pariser Communards und russische Revolutionäre. Die «Fédération Jurassienne» war international gut vernetzt, ihr «Bulletin», das auch über Aktivitäten in anderen Ländern berichtete, ging an etwa 600 Abonnent:innen in zehn verschiedenen Ländern. Das von der «Fédération Jurassienne» geführte Bundesbüro der antiautoritären Internationale versandte jährlich etwa zehn Zirkularschreiben an die Mitgliedsföderationen in den verschiedenen Ländern.

Mit der Weiterentwicklung des antiautoritären Sozialismus zur auch Terrorismus einschliessenden anarchistischen «Propaganda der Tat» setzte der Niedergang der «Fédération Jurassienne» ein. Im März 1876 organisierte der Communard Paul Brousse, der den Begriff «Propaganda der Tat» mitgeprägt hatte, zum fünften Jahrestag des Commune-Aufstandes eine anarchistische Demonstration in Bern, die zu Zusammenstössen mit Bürgern der Bundesstadt führte. Im folgenden Jahr wurde die Demonstration wiederholt. Dieses Mal war auch der russische Anarchist Pjotr Kropotkin dabei und die Demonstranten hatten sich mit Dolchen, Schlagringen und Totschlägern ausgerüstet. Es kam zu einer Strassenschlacht zwischen Demonstranten, der Polizei und Bürgern, an der mehrere Personen verletzt wurden. Viele Uhrmacher trugen diese Radikalisierung nicht mit, wandten sich von der «Fédération Jurassienne» ab und engagierten sich in der Folge in der aufstrebenden Gewerkschaftsbewegung. Ebenso zum Niedergang trug die Emigration James Guillaumes im Jahre 1878 bei. Der letzte Kongress der «Fédération Jurassienne» fand 1880 statt.

Gezählte und ungezählte Internationalen und der Internationalismus

Trotz ihrer Kurzlebigkeit war die Internationale Arbeiter-Assoziation stilbildend und durch ihre rückblickende Zählung als «Erste Internationale» auch namensgebend für spätere Organisationen. Zum 100. Jahrestag des Beginns der Französischen Revolution fand im Juli 1889 in Paris ein sozialistischer Kongress mit etwa 400 Delegierten aus 20 Staaten statt. Neben west- und mitteleuropäischen Ländern waren auch die USA, Russland, Argentinien und Ägypten vertreten. Der Kongress grenzte die sozialistische Bewegung vom Anarchismus ab, sprach sich für die Stärkung der sozialistischen Parteien und den Achtstundentag aus, forderte internationale Regelungen für den Arbeitsschutz sowie zur Frauen- und Kinderarbeit (etwa entlang der Linien des eidgenössischen Fabrikgesetzes) und die Ersetzung der stehenden Heere durch Milizsysteme nach Schweizer Vorbild. Der 1. Mai wurde zum internationalen Kampftag für den Achtstundentag erklärt und erstmals 1890 begangen. Der Kongress gilt als Beginn der «Zweiten Internationale», die bis 1900 aber keine feste Struktur hatte, sondern nur aus einer Serie von internationalen Kongressen bestand: 1891 in Brüssel, 1893 in Zürich, 1896 in London und 1900 in Paris.

Am Pariser Kongress wurde das «Internationale Sozialistische Büro» als permanente Exekutive geschaffen. Danach fanden ordentliche Kongresse 1904 in Amsterdam, 1907 in Stuttgart und 1910 in Kopenhagen statt. Am Stuttgarter Kongress wurden eine Frauen- und eine Jugend-Internationale geschaffen. An den Kongressen von 1904 und 1907 waren Imperialismus und Kolonialismus wesentliche Themen. 1904 wurde auch eine Resolution gegen den Militarismus beschlossen. Angesichts der zunehmenden Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges nach Ausbruch der Balkankriege fand im November 1912 in Basel ein ausserordentlicher, dem Thema Krieg und Frieden gewidmeter Kongress der Zweiten Internationale statt. Insgesamt waren 1889 bis 1914 in der Zweiten Internationale über 80 sozialistische Parteien und Arbeiterorganisationen aus Europa, Nord- und Lateinamerika, Asien und Australien vertreten.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kamen die Aktivitäten der Zweiten Internationale weitgehend zum Erliegen. Der für Ende August 1914 in Wien geplante Kongress konnte nicht mehr stattfinden. Schon im Herbst 1914 gab es seitens der Arbeiterparteien neutraler Länder aber Bestrebungen, die Internationale als Organisation der Völkerverständigung wieder aufzubauen. Im September 1914 fand in Lugano ein Treffen der Geschäftsleitungen der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und des Partito Socialista Italiano statt, das einen Aufruf zur Reanimierung der Internationale lancierte. Im Januar 1915 trafen sich in Kopenhagen Vertreter der niederländischen und skandinavischen Arbeiterparteien. Ein Treffen der Arbeiterparteien aller neutralen Länder, wie es die SPS für Frühjahr 1915 in Zürich projektierte, kam nicht zustande.

Im März 1915 fand in Bern die massgeblich von Clara Zetkin organisierte «Internationale Konferenz sozialistischer Frauen gegen den Krieg» statt, die die dritte sozialistische Frauenkonferenz ersetzte, die 1914 im Anschluss an den Kongress der Zweiten Internationale hätte stattfinden sollen. Am Treffen beteiligten sich 25 Frauen aus Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Russland, Polen, den Niederlanden, Italien und der Schweiz. Damit waren Vertreterinnen aus beiden kriegführenden Seiten anwesend, allerdings nicht als offizielle Delegierte ihrer Parteien. Eine Woche später tagte ebenfalls in Bern eine internationale Konferenz der Sozialistischen Jugend mit Delegationen aus Deutschland, Dänemark, Bulgarien, Italien, Norwegen, Polen, den Niederlanden, Russland, Schweden und der Schweiz.

Massgeblich von Robert Grimm organisiert fand im September 1915 in Zimmerwald eine Tagung sozialistischer Kriegsgegner:innen statt, an der Delegierte aus Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Polen, Rumänien, Bulgarien, Schweden, Norwegen, den Niederlanden und der Schweiz teilnahmen. Die Konferenz wählte eine «Internationale Sozialistische Kommission». An der Konferenz zeigte sich eine Kluft zwischen der pazifistischen Mehrheit mit dem Ziel einer möglichst raschen Beendigung des Krieges und der revolutionären Minderheit um Lenin, der ihn in einen revolutionären Weltbürgerkrieg transformieren wollte. Fast zeitgleich trafen sich in Kopenhagen Vertreter der niederländischen und skandinavischen Arbeiterparteien. Sie lehnten die Internationale Sozialistische Kommission als Konkurrenz zum vom kriegsversehrten Belgien in die Niederlande transferierten Internationalen Sozialistischen Büro der Zweiten Internationale ab. Der Konflikt zwischen diesen beiden Gruppen schwelte in den folgenden Jahren weiter, ebenso der Gegensatz zwischen den beiden Fraktionen der Zimmerwalder Bewegung, die an der Folgekonferenz von Kiental im April 1916 erneut aufbrachen (s. SozialarchivInfo 5/2015).

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Russischen Revolution wurde im März 1919 die «Dritte Internationale» («Komintern») gegründet. Eine der massgeblichen Gründungsfiguren neben Lenin war der Schweizer Fritz Platten, der 1942 dann im Zuge der stalinistischen Säuberungen ermordet wurde (s. SozialarchivInfo 5/2018). Die Komintern hielt alle ihre «Weltkongresse» (1919, 1920, 1921, 1922, 1924, 1928 und 1935; hinzu kam 1920 in Baku ein «Kongress der Völker des Ostens») in Moskau ab und folgte eng der politischen Linie der russischen Bolschewiki beziehungsweise dann der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Der Weltkongress 1920 erhob den Lenin’schen «demokratischen Zentralismus», faktisch ein Top-down-Ansatz, zum Organisationsprinzip der Komintern und aller ihr angeschlossenen Parteien. In den «21 Prinzipien» wurden als Aufnahmebedingungen in die Komintern die Übernahme von Ideologie und Organisationsstrukturen des russischen Vorbilds verbindlich gemacht. Die Weltkongresse von 1921 und 1922 standen im Zeichen der angestrebten «Einheitsfront» mit anderen linken Kräften, die faktisch auf eine kommunistische Unterwanderung sozialdemokratischer Organisationen abzielte.

Mit dem Weltkongress von 1924 und dem Wechsel der aussenpolitischen Linie der Sowjetunion von der Weltrevolution zum Stalin’schen «Sozialismus in einem Land» wurde die Komintern noch stärker zum Vehikel der sowjetischen Aussenpolitik. Der Weltkongress von 1928 machte für die Kommunistischen Parteien die «Sozialfaschismus»-These verbindlich, der gemäss vordringlich die Sozialdemokratie als «Hauptstütze der Bourgeoisie» zu bekämpfen sei. Das katastrophale Scheitern dieses Ansatzes mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland und der Errichtung weiterer rechter Diktaturen in Europa führte auf dem letzten Komintern-Weltkongress 1935 zu einer vollständigen strategischen Wende. Die nun gültige «Volksfront»-Strategie propagierte die Zusammenarbeit der Kommunistischen Parteien mit der Sozialdemokratie und demokratisch-bürgerlichen Kräften zur Abwehr des Faschismus.

Eine neuerliche Kehrtwende kam 1939 mit dem Hitler-Stalin-Pakt und dem geheimen Zusatzprotokoll über die deutsch-sowjetische Aufteilung Ostmitteleuropas, als der kommunistische Antifaschismus dem sowjetischen Eroberungsdrang in Ostmittel- und Nordeuropa geopfert wurde. Den Komintern-Sektionen wurde in dieser Phase eine Reihe kurz aufeinander folgender propagandistischer Verrenkungen abgefordert. So befürwortete die Presse der Kommunistischen Partei der Schweiz im August 1939 den Hitler-Stalin-Pakt, gab ab September nach dem deutschen Überfall auf Polen und der deutsch-sowjetischen Aufteilung dieses Landes den Antifaschismus temporär auf und erklärte den ausgebrochenen Weltkonflikt zum «imperialistischen Krieg», in dem sich das Proletariat neutral zu verhalten habe, und unterstützte ab November 1939 den sowjetischen Angriffskrieg gegen Finnland. 1943 schliesslich löste Stalin im Zeichen der durch den deutschen Überfall auf die Sowjetunion ab Juni 1941 entstandenen «Grossen Allianz» zwischen der Sowjetunion, den USA und Grossbritannien die Komintern als Konzession an die Westalliierten auf. Mit dem Einsetzen des Kalten Krieges wurde zur Unterstreichung des sowjetischen Führungsanspruchs im kommunistischen Lager als Komintern-Nachfolge 1947 das «Kommunistische Informationsbüro» («Kominform») gegründet. Es erlangte aber nie die Bedeutung der Vorgängerin und wurde bereits 1956 aufgelöst.

Das Wirken der Komintern zog die Gründung einer Reihe weiterer internationaler Organisationen nach sich. 1924 initiierte Théodore Aubert, Romandie-Sekretär der Bürgerwehr-Dachorganisation «Schweizerischer Vaterländischer Verband», die «Entente Internationale Anticommuniste», die Ableger in 20 Ländern erhielt, in den 1930er-Jahren von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien finanziell unterstützt wurde und bis etwa 1950 existierte. Aber auch aus dem kommunistischen Lager führte Opposition gegen Lenins diktatorischen Kurs und dann den Stalinismus zur Entstehung neuer Internationalen. 1922 schufen rätekommunistische Gruppen aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Bulgarien, Grossbritannien, Frankreich, Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Südafrika sowie sowjetischen linkskommunistischen Oppositionszirkeln die «Kommunistische Arbeiter-Internationale», deren Aktivitäten um 1927 einschliefen und die 1933 aufgelöst wurde. Von 1930 bis 1939 waren in der «Internationalen Vereinigung der Kommunistischen Opposition» rechtskommunistische, gegen die «Sozialfaschismus»-These opponierende Parteien aus Schweden, Deutschland, den USA, der Schweiz («Kommunistische Partei-Opposition» um den Schaffhauser Stadtpräsidenten und späteren SPS-Vorsitzenden Walther Bringolf), der Tschechoslowakei, Frankreich, Indien und weiteren Ländern zusammengeschlossen. Teilweise damit überlappend bestand von 1932 bis 1940 das «Internationale Büro für Revolutionär-Sozialistische Einheit» («Londoner Büro», «Dreieinhalbte Internationale») aus rechtskommunistischen sowie linkssozialistischen Kräften aus Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Spanien, Schweden, den USA, der jüdischen Community im Mandatsgebiet Palästina und der sowjetischen Exilopposition.

Während diese Organisationen ausserhalb der Zählung der Internationalen standen, hoben Anhänger:innen des von Stalin ausgebooteten und 1940 im mexikanischen Exil ermordeten Leo Trotzki im September 1938 in Paris die «Vierte Internationale» aus der Taufe. Trotzki hatte zunächst versucht, mit der «Internationalen Linken Opposition» innerhalb der Komintern gegen den Stalinismus zu opponieren, seine Anhänger:innen waren dort aber rasch ausgeschlossen worden. 1933 benannte sich die «Internationale Linke Opposition» um in «Internationale Kommunistische Liga», die zeitweise in Kontakt zum «Londoner Büro» stand und zur Vorläuferin der Vierten Internationale wurde. 1953 spaltete sich die Vierte Internationale zwischen «Pablist:innen» und «Orthodoxen» und in den folgenden Jahren gab es zwei parallele Organisationen. 1963 kam es zur teilweisen Wiedervereinigung, aber ab den 1970er-Jahren führte die trotzkistische Spaltungsfreudigkeit zu einer weiteren organisatorischen Zersplitterung. In der Gegenwart existiert über ein Dutzend Organisationen, die beanspruchen, die Vierte Internationale oder deren Nachfolgeorganisation zu sein, während manche trotzkistischen Gruppierungen die Vierte Internationale als nicht mehr existent betrachten. Aus diesen Kreisen und weiteren linksradikalen Splittergruppen gibt es seit einigen Jahrzehnten Bestrebungen zum Aufbau einer «Fünften Internationale».

Ausserhalb der Zählung der Internationalen stehen eine Reihe von anarchistischen Organisationen, die sich direkt in der Nachfolge der Ersten Internationale beziehungsweise der von ihr abgespaltenen antiautoritären Internationale sahen und sehen. Kurz nach dem Einschlafen der letzteren existierte von 1881 bis 1887 die «International Working People’s Association» («Schwarze Internationale»). Bis heute bestehen die 1922 gegründete «Internationale Arbeiter-Assoziation» als Vereinigung anarchosyndikalistischer Gewerkschaften sowie die 1968 entstandene «Internationale der Anarchistischen Föderationen». Eine Mischung aus künstlerischem, intellektuellem und linkspolitischem Aktivismus versuchte die «Situationistische Internationale», die von 1957 bis 1972 existierte und einen gewissen Einfluss auf die 68er-Bewegung ausübte.

Schon kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs gab es auch Bestrebungen für eine Wiederbelebung der Zweiten Internationale. Im Februar 1919 tagte zu diesem Zweck eine sozialdemokratische Konferenz im Berner Volkshaus. Aufgrund programmatischer Konflikte wurde auf eine unmittelbare Neugründung verzichtet, jedoch eine ständige Kommission («Berner Internationale») eingerichtet. Im Februar 1921 gründete eine Reihe sozialistischer Parteien (darunter die SPS) in Wien die «Internationale Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Parteien», die sich um eine Wiedervereinigung der in sozialdemokratische, linkssozialistische und bolschewistische Gruppen gespaltenen internationalen Arbeiterbewegung bemühte. Die auch als «Wiener Internationale» oder, nach einem spöttischen Diktum des bolschewistischen Funktionärs Karl Radek, «Zweieinhalbte Internationale» bezeichnete Organisation veranstaltete im April 1922 einen Kongress mit Exekutivvertretern der Zweiten und der Dritten Internationale, die jedoch unüberbrückbare Differenzen zeigte. Neben fundamentalen ideologischen, strategischen und organisatorischen Meinungsverschiedenheiten stand auch die sozialdemokratische Kritik an den zunehmenden bolschewistischen Verfolgungen der in Russland verbliebenen Menschewiki und Sozialrevolutionäre, deren Exilorganisationen sich der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Parteien angeschlossen hatten, sowie an den sowjetrussischen Eroberungen der sozialdemokratisch regierten beziehungsweise mitregierten Staaten Ukraine, Georgien, Armenien und Aserbaidschan zwischen 1919 und 1921.

Daraufhin vereinigten sich die Reste der Zweiten Internationale und die Internationale Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Parteien im Mai 1923 zur «Sozialistischen Arbeiter-Internationale» (SAI). Diese hatte ihren Sitz zunächst in London, dann von 1925 bis 1935 in Zürich und in der Folge in Brüssel. Auf dem Höhepunkt Ende der 1920er-Jahre umfasste sie 45 Parteien aus Europa, Asien, Nord- und Lateinamerika mit 6,6 Millionen Mitgliedern. Ihre Kongresse fanden 1923 in Hamburg, 1925 in Marseille, 1928 in Brüssel, 1931 in Wien und 1933 in Paris statt. Mit der Ausbreitung faschistischer Regime in Europa ging die Stärke der SAI zurück, ihr Ende kam mit dem deutschen Westfeldzug im Frühjahr 1940.

1951 wurde die Organisation auf einem Kongress in Hamburg als «Sozialistische Internationale» (SI) neugegründet. Ihre Glanzzeit erlebte die SI in den 1970er-Jahren, als sie die Demokratisierungsprozesse Portugals und Spaniens unterstützte (s. SozialarchivInfo 1/2024). Ab Mitte der 1970er-Jahre wurden neben den traditionellen sozialdemokratischen Parteien des Nordens auch zunehmend ehemalige antikoloniale Befreiungsbewegungen des «Globalen Südens» in die SI aufgenommen, von denen sich manche allerdings im Verlauf der Zeit zu diktatorischen Staatsparteien entwickelten. Dies, zusammen mit der zunehmenden Machtfülle des chilenischen Langzeitgeneralsekretärs Luis Ayala (1989 bis 2022) führte ab 2013 zum teilweisen oder vollständigen Rückzug einer Reihe sozialdemokratischer Parteien Europas, darunter 2017 der SPS. Gegenwärtig umfasst die SI 87 Mitgliedsparteien aus allen Kontinenten ausser Australien. Im März 2013 wurde in Leipzig als Alternative zur SI die «Progressive Alliance» aus der Taufe gehoben. Sie umfasst zurzeit 166 Parteien (aus der Schweiz die SPS) aller Kontinente. Viele davon sind zugleich Mitglieder der SI.

Die verschiedenen Partei-Internationalen hatten jeweils eine Reihe ihnen verbundener Internationalen aus nahestehenden Organisationen, so den Gewerkschaften, Frauen-, Jugend-, Kultur- und Sportorganisationen, im Falle der Komintern auch der Landwirte («Rote Bauern-Internationale», «Krestintern»). Die 1923 gegründete Krestintern sollte nichtkommunistische Bauern an die Komintern heranführen und versuchte, dem «Internationalen Agrarbüro» («Grüne Internationale») die Basis abspenstig zu machen. Die bis zum Ende der Zwischenkriegszeit existierende Grüne Internationale war 1921 von Bauernparteien Bulgariens, der Tschechoslowakei, Polens und Jugoslawiens gegründet worden. Später gehörten ihr auch Parteien aus Rumänien, den Niederlanden, Österreich, Estland, Finnland, Lettland, Frankreich und der Schweiz (Bauern-, Gewerbe- und Bürgerparteien der Kantone Bern und Aargau) an.

Ab der Zwischenkriegszeit entstanden auch weitere Internationalen von Parteien des bürgerlichen Spektrums. 1924 bis 1938 existierte die «Entente Internationale des Partis Radicaux et des Partis Démocratiques Similaires», der die Schweizer FDP angehörte. Als Nachfolgerin wurde 1947 die «Liberale Internationale» gegründet, deren erster Präsident der exilspanische, proeuropäische Schriftsteller und Historiker Salvador de Madariaga wurde. Gegenwärtig umfasst sie 69 Mitgliedsparteien aus allen Kontinenten, aus der Schweiz die FDP. Die 1961 gegründete «Christlich-Demokratische Weltunion» benannte sich 1982 um in «Christlich Demokratische Internationale» und 1999 in «Zentristisch Demokratische Internationale». Sie umfasst 93 Parteien aus allen Kontinenten ausser Nordamerika und Asien (aus der Schweiz: Die Mitte). Als weiter rechts stehende Konkurrenz dazu entstand 1983 die «Internationale Demokratische Union». Sie umfasst 77 Parteien aus allen Kontinenten. Zwischen den beiden Organisationen gibt es zahlreiche Doppelmitgliedschaften.

War die Erste Internationale also stilbildend für eine grosse Zahl politischer Organisationen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, so war sie zugleich Element eines Phänomens, das in der jüngeren historischen Forschung als «Internationalismus» bezeichnet wird. Damit wird nicht wie im traditionellen Begriffsverständnis eine auf die Überwindung der Nationalstaaten und Imperien abzielende Weltanschauung verstanden, sondern eine Transnationalisierung politischen Handelns jenseits der klassischen Diplomatie und die Regelung grenzüberschreitender Fragen durch überstaatliche Organisationen, Konferenzen und Netzwerke. Dieser im späten 19. Jahrhundert aufkommende Internationalismus stand in einer dialektischen Wechselwirkung mit der wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung der Zeit. Letztere schuf zunehmend das Bedürfnis nach grenzüberschreitenden Regulierungen, durch welche sie zugleich weiter befördert wurde. Beides wurde erst möglich durch technische und infrastrukturelle Innovationen, etwa in den Bereichen des Transports (Eisenbahn, Dampfschiff, Schienen- und Strasseninfrastruktur) und Kommunikation (Telegraph als das «Internet des viktorianischen Zeitalters», grenzüberschreitender Postverkehr).

Zahlreiche, oft in der Schweiz domizilierte Gründungen waren Ausdruck dieser Tendenz, etwa in den Bereichen Logistik und Kommunikation (1865 Internationaler Telegraphenverein, 1874 Weltpostverein, 1875 Internationales Büro für Mass und Gewicht, 1893 Zentralbüro des internationalen Eisenbahnverkehrs), humanitäres Völkerrecht und Völkerverständigung (1863 Internationales Komitee vom Roten Kreuz, 1873 «International Law Association», 1889 durch Frédéric Passy «Interparlamentarische Union») und Sport (1894 Internationales Olympisches Komitee, zwischen 1890 und 1914 internationale Verbände zahlreicher Disziplinen). Verschiedene soziale Bewegungen organisierten sich ebenfalls international. Neben der Arbeiterbewegung zu nennen sind – jeweils in einen bürgerlichen und sozialistischen Flügel aufgeteilt – die Friedensbewegung (1891 Internationales Ständiges Friedensbüro in Bern, Friedenssicherungsdebatten in der Ersten und Zweiten Internationale) und die Frauenbewegung (1904 Internationale Frauenwahlrechtsallianz, 1907 Sozialistische Fraueninternationale). Aber auch andere gesellschaftliche und politische Strömungen wie der Antisemitismus (internationale Antisemitenkongresse 1882 und 1883), die Impfgegnerschaft (1882 «Internationaler Verband der Impfgegner», s. SozialarchivInfo 1/2022) oder die Eugenik (1907 «Internationale Gesellschaft für Rassenhygiene», 1912 «Permanent International Eugenics Committee») suchten nach internationaler Vernetzung.

Die für die Erste und Zweite Internationale wichtige Sphäre der Arbeitsbeziehungen wurde ebenfalls von diesem Prozess erfasst. 1897 fand auf Anregung des (zweiten) schweizerischen Arbeiterbundes in Zürich eine Konferenz mit über 500 Teilnehmer:innen aus gemässigt sozialistischen Arbeiterverbänden, Vertretern der katholischen Sozialreform und reformbürgerlichen Ökonomen statt, die ein umfassendes Arbeiterschutzprogramm postulierte. Drei Jahre später wurde in Paris die «Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz» (IALL) aus der Taufe gehoben, deren erstem Vorstand mit dem freisinnigen Basler Ständerat Paul Scherrer auch ein Schweizer Politiker angehörte. Als Büro der IALL entstand das «Internationale Arbeitsamt», das 1901 als private, von einigen Staaten finanziell unterstützte Organisation mit Sitz in Basel seine Arbeit aufnahm. In 15 Staaten wurden IALL-Landessektionen gegründet. Sämtliche Vorkriegskonferenzen der IALL fanden in der Schweiz statt: 1904 in Basel, 1906 in Genf, 1908 in Luzern, 1910 in Lugano und 1912 in Zürich. 1919 ging das Internationale Arbeitsamt in den Strukturen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als Sonderorganisation des neugegründeten Völkerbundes auf (s. SozialarchivInfo 2/2019).

Auch die Arbeitsmarktparteien organisierten sich zunehmend international. In der Textilbranche fand der erste internationale Gewerkschaftskongress 1891 statt, wobei Vertreter:innen aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich, Grossbritannien, Böhmen, den USA und der Schweiz eine engere Kooperation beschlossen. Zwei Jahre später wurde auf dem zweiten Kongress ein internationales Sekretariat gegründet. Der vierte Kongress 1895 schliesslich hob die «Internationale Vereinigung der Textilarbeiter» aus der Taufe. 1893 erfolgte auf dem Kongress der Zweiten Internationale die Schaffung eines internationalen Büros der Metallarbeiter. Dieses wurde 1904 zum «Internationalen Metallarbeiterbund» («Eiserne Internationale») reorganisiert. 1889, 1893, 1900 und 1904 fanden internationale Holzarbeiterkongresse statt, die in der Gründung einer «Internationalen Union der Holzarbeiter» gipfelten. 1903 berief der deutsche Maurerverband wegen der grenzüberschreitenden Dimension der Streikbruchproblematik die erste internationale Maurerkonferenz ein. In den folgenden Jahren fanden weitere Maurerkonferenzen statt. 1903 erfolgte auch die Gründung der «Steinhauer-Internationale». 1911 fand in Zürich der erste internationale Malerkongress statt. Im folgenden Jahr wurde das internationale Sekretariat der Maler und verwandter Berufe aus der Taufe gehoben. Auch die Zimmerleute verfügten über ein internationales Sekretariat.

Nachdem 1903 ein Internationales Gewerkschaftssekretariat eingerichtet worden war, wurde 1913 als Dachverband der Dachverbände der «Internationale Gewerkschaftsbund» (IGB) aus der Taufe gehoben. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte eine weltanschauliche Diversifizierung: 1920 wurde der «Internationale Bund Christlicher Gewerkschaften» gegründet, den bis 1928 der St. Galler Nationalrat und führende christlichsoziale Funktionär Josef Scherrer präsidierte. 1921 entstand die Komintern-nahe «Rote Gewerkschafts-Internationale» («Profintern»), die heftig gegen den IGB («Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale») polemisierte.

Die Arbeitgeber:innen organisierten sich ab der Jahrhundertwende ebenfalls grenzüberschreitend. 1906, in einem von einer internationalen Streikwelle geprägten Jahr, schlossen der Schweizerische Baumeisterverband und die Landesverbände für das Baugewerbe von Elsass-Lothringen, Baden, Nord- und Südbayern einen Kartellvertrag, der die gegenseitige Unterstützung in Streikfällen vorsah. 1908 erfolgte auf dem Zweiten Internationalen Bauarbeitgeberkongress die Gründung der «Internationalen Bauarbeitgeber-Union», der auch der Schweizerische Baumeisterverband beitrat. 1910 unterzeichneten die Baumeisterverbände Deutschlands, Österreichs und der Schweiz einen Kartellvertrag mit einem Verbot der Beschäftigung Streikender oder Ausgesperrter. In anderen Branchen entwickelten sich ähnliche internationale Vernetzungen. 1920 entstand, befördert durch die tripartite Struktur der ILO, aus den informellen internationalen Netzwerken der Arbeitgeberorganisationen die «International Organization of Industrial Employers». Etwa gleichzeitig initiierten deutsche Freikorpskreise die «Werkdienst-Internationale», die dem Ziel der Abwehr von Streiks und Arbeiter:innenunruhen diente und sich 1921 bis 1931 zu jährlichen Konferenzen traf. Aus der Schweiz gehörte ihr der Schweizerische Vaterländische Verband an (s. SozialarchivInfo 3/2019).

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 1.260.1-43 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Sozialistische Internationale
  • Ar 1.280.6 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Kommunistische Internationale
  • Ar 1.732.28-30 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Sozialistische Internationale
  • Ar 1.734.118 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: SPS, Progressive Alliance (Kongresse)
  • Ar 1.734.120 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: SPS, Sozialistische Internationale
  • Ar 65.17.1-9 Revolutionäre Marxistische Liga RML: IV. Internationale
  • Ar 106 Moses Mandel (1883–1938)
  • Ar 140 Edgar Woog (1898–1973)
  • Ar 148 Marino Bodenmann (1893–1964)
  • Ar 155.14.1-10 Jost von Steiger (1917–2007): IV. Internationale
  • Ar 170 Herman Greulich (1842–1925)
  • Ar 189 Karl Hofmaier (1897–1988)
  • Ar 198.7 Schweizer Kommunisten
  • Ar 201.26 Schweizerischer Arbeiterbund
  • Ar 686.10.2 Forschungsdokumentation Brigitte Studer: Dokumente zum Komintern-Apparat und zur KPS, Kopien aus dem Komintern-Archiv
  • Ar R 88 Schweizerischer Grütliverein
  • Ar SGB G 150/1-2 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): IGB
  • Ar SGB G 151-155 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): IGB
  • Ar SMUV 08D-0037 SMUV Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen: Internationaler Metallarbeiter Bund (IMB): IGB; IBFG; Internationale Arbeiter Assoziation; Sozialistische Arbeiter-Internationale; Internationale Berufssekretariate; ILO; OECE

Sachdokumentation

  • KS 32/168 Interparlamentarische Union
  • KS 331/128 Internationaler Gewerkschaftsbund
  • KS 331/129 Weltgewerkschaftsbund
  • KS 331/129b Internationaler Bund Freier Gewerkschaften (IBFG)
  • KS 331/136 Internationale Gewerkschaftsverbände
  • KS 331/136b Internationale Gewerkschaftsverbände
  • KS 331/219 Rote Gewerkschaftsinternationale
  • KS 331/219a Rote Gewerkschaftsinternationale
  • KS 331/220 Bibliothek der Roten Gewerkschaftsinternationale
  • KS 331/225 Christliche Gewerkschaften: Internationale Verbände
  • KS 335/31 Sozialistische Jugend-Internationale
  • KS 335/67 Pariser Kommune; Commune de Paris
  • KS 335/67a Pariser Kommune; Commune de Paris
  • KS 335/131 Sozialistische Internationalen: Erste Internationale: Berichte und Dokumente
  • KS 335/132 Sozialistische Internationalen: Erste Internationale: Geschichte
  • KS 335/132a Sozialistische Internationalen: Erste Internationale: Geschichte
  • KS 335/134 Zweite Internationale: I. und II. Kongress: 1889, Paris; 1891, Brüssel
  • KS 335/135 Zweite Internationale: III. Kongress: 1893, Zürich
  • KS 335/136 Zweite Internationale: IV., V. und VI. Kongress: 1896, London; 1900, Paris; 1904, Amsterdam
  • KS 335/137 Zweite Internationale: VII. Kongress: 1907, Stuttgart
  • KS 335/138 Zweite Internationale: VIII. Kongress: 1910, Kopenhagen
  • KS 335/139 Zweite Internationale: IX. und X. Kongress: 1912, Basel; 1914, Wien
  • KS 335/140 Zweite Internationale: Zusammenbruch; Konferenz von Zimmerwald, 1915; Konferenz von Kiental (Kienthal), 1916
  • KS 335/141 Zweite Internationale: 1917, Stockholm bis 1920, Genf
  • KS 335/142 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): Vorläuferkonferenzen; I. und II. Kongress: 1923, Hamburg; 1925, Marseille
  • KS 335/143 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): III. Kongress: 1928, Brüssel
  • KS 335/143a Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): III. Kongress: 1928, Brüssel
  • KS 335/144 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): III. Kongress: 1928, Brüssel
  • KS 335/145 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): IV. Kongress: 1931, Wien
  • KS 335/146 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): IV. Kongress: 1931, Wien
  • KS 335/147 Sozialistische Arbeiterinternationale (SAI): Konferenz: 1933, Paris
  • KS 335/148 Sozialistische Internationale
  • KS 335/148a Sozialistische Internationale
  • KS 335/149 Sozialistische Internationale
  • KS 335/149a Sozialistische Internationale
  • KS 335/149b Sozialistische Internationale
  • KS 335/285 Zweieinhalbte Internationale (Wiener Internationale)
  • KS 335/300 Kommunistische Internationale (Komintern): I. Kongress: 1919, Moskau
  • KS 335/301 Kommunistische Internationale (Komintern): II. Kongress: 1920, Moskau
  • KS 335/302 Kommunistische Internationale (Komintern): III. Kongress: 1921, Moskau
  • KS 335/303 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI)
  • KS 335/304 Kommunistische Internationale (Komintern): IV. Kongress: 1922, Moskau
  • KS 335/305 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI): 1922–1924
  • KS 335/306 Kommunistische Internationale (Komintern): V. Kongress: 1924, Moskau
  • KS 335/306a Kommunistische Internationale (Komintern): V. Kongress: 1924, Moskau
  • KS 335/307 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI)
  • KS 335/308 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI)
  • KS 335/309 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI)
  • KS 335/310 Kommunistische Internationale (Komintern): VI. Kongress: 1928, Moskau
  • KS 335/311 Kommunistische Internationale (Komintern): Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI)
  • KS 335/312 Kommunistische Internationale (Komintern): VII. Kongress: 1935, Moskau
  • KS 335/313 Kommunistische Internationale (Komintern): Auflösung und Geschichte
  • KS 335/314 Kommunistische Internationale (Komintern): Verlag der Kommunistischen Internationale: Bibliografie
  • KS 335/315 Kommunistische Internationale (Komintern): Schriften
  • KS 335/316 Kommunistische Internationale (Komintern): Schriften
  • KS 335/316a Kommunistische Internationale (Komintern): Schriften
  • KS 335/327 Gewerkschaftspolitik der Dritten Internationale: 1919–1932
  • KS 335/328 Hilfsorganisationen der Dritten Internationale: 1920–1941
  • KS 335/410 Vierte Internationale; Trotzkismus: Schriften von Leo Trotzki
  • KS 335/410a Vierte Internationale; Trotzkismus
  • KS 335/411 Vierte Internationale; Trotzkismus
  • KS 335/412 Trotzkismus; IV. Internationale: Schweiz: Linksopposition der KPS
  • KS 335/412a Trotzkismus; IV. Internationale: Schweiz: Linksopposition der KPS
  • KS 335/413 Vierte Internationale; Trotzkismus: Schweiz: Trotzkistenprozess 1942
  • KS 335/414 Vierte Internationale; Trotzkismus: Schweiz: Proletarische Aktion
  • KS 335/415 Vierte Internationale; Trotzkismus: Deutschland & Österreich
  • KS 335/416 Vierte Internationale; Trotzkismus: Frankreich
  • KS 335/417 Vierte Internationale; Trotzkismus: Belgien; Niederlande (Holland)
  • KS 335/418 Vierte Internationale; Trotzkismus: Grossbritannien
  • KS 335/419 Vierte Internationale; Trotzkismus: USA
  • KS 335/420 Vierte Internationale; Trotzkismus: USA
  • KS 335/421 Vierte Internationale; Trotzkismus: diverse Länder
  • KS 335/422 Vierte Internationale; Trotzkismus: Schriften
  • QS 58.02 Vierte Internationale; Trotzkismus
  • QS 78.1 Z Internationale Gewerkschaftsverbände
  • ZA 55.1 Sozialistische Internationalen: Erste Internationale
  • ZA 55.2 Sozialistische Internationalen: Zweite Internationale
  • ZA 55.3 Sozialistische Internationale
  • ZA 58.0 *KIF Gründung und Auflösung der Kominform 1943–1958
  • ZA 58.02 Vierte Internationale; Trotzkismus
  • ZA 58.02 *CU Vierte Internationale; Trotzkismus: Konflikt China – Sowjetunion
  • ZA 58.02 C Vierte Internationale; Trotzkismus: Schweiz
  • ZA 78.1 Z Internationale Gewerkschaftsverbände
  • ZA 78.1 Z *IBFG Internationaler Bund Freier Gewerkschaften (I.B.F.G.)

Bibliothek

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  • Bakunin, Michael: Konflikt mit Marx, 2 Bde. Berlin 2004-2011, 100110
  • Bakunin, Michael: Die Politik der Internationale. Münster 2015, 131912
  • Bandelier, André (Hg.): La Première Internationale et le Jura: 2e colloque du Cercle d’études historiques de la Société jurassienne d’émulation. Moutier 1973, 50053
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  • Centenaire du Congrès de Lausanne 1867–1967: Première Internationale. Lausanne 1967, Hf 2942
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  • Devreese, Daisy F.: «Ein seltener Mann»: Johann Philipp Becker und die Internationale Arbeiter-Association, in: Hahn, Hans-Werner (Hg.): Johann Philipp Becker: Radikaldemokrat – Revolutionsgeneral – Pionier der Arbeiterbewegung. Stuttgart 1999. S. 113-128, 106213
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Periodika

  • Bulletin de la Fédération jurassienne de l’Association internationale des travailleurs, ZZ 1036
  • Felleisen, ZZ 234
  • Der Grütlianer, ZZ 2
  • Le Progrès, SGB 0068/PE685
  • Die Tagwacht, ZZ 12
  • Der Vorbote, NN 192