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Ein neuer Blick auf die Vollversammlungen der 80er Bewegung

Vor vierzig Jahren rebellierte die Jugend in verschiedenen Schweizer Städten. Die Ereignisse sind bekannt, weil die Auseinandersetzungen in ihrer Intensität das bisher bekannte Mass sprengten. Zudem gibt es für diese Jugendbewegung eine eindrückliche Fülle historischer Quellen. Mit dem Rohmaterial des Videoladens Zürich sind nun fast 200 Stunden Aufnahmen aus einer bewegten Zeit neu im Sozialarchiv zugänglich. Besonders aufschlussreich sind die Vollversammlungen.

Vor bald einem Jahrzehnt lancierte der Videoladen Zürich zusammen mit Memoriav (dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz) und dem Sozialarchiv das Projekt zur Digitalisierung seines Rohmaterials. Im Zentrum sollten die Aufnahmen stehen, die im Zusammenhang mit der Jugendbewegung der 1980er Jahre entstanden sind. Berücksichtigt wurden aber auch die Vorläufer und Nachwehen, so dass der Bestand die zwei Jahrzehnte zwischen 1976 und 1995 abdeckt. Insgesamt wurden rund 200 Videobänder von Spezialistinnen gereinigt und anschliessend digitalisiert. Inzwischen ist der Bestand online zugänglich: bild-video-ton.ch/bestand/signatur/F_9049.

Video-Rohmaterial geniesst keinen allzu hohen Stellenwert in der Forschung. Weder bei Filmwissenschaftlern noch bei Historikerinnen steht es als Quellenmaterial hoch im Kurs. Es gilt als Vorstufe zu einem Werk, ästhetisch unausgereift und inhaltlich wenig aussagekräftig. Hier sei die Prognose gewagt, dass der Bestand des Videoladens diese Einschätzung verändern könnte.

Die Videoladen-Crew war in den «heissen» Jahren von 1980 bis 1982 fast pausenlos unterwegs. So sind viele Stunden Aufnahmen entstanden, die sehr wohl neue Aufschlüsse über die achtziger Ereignisse ermöglichen könnten. Das Bewegtbild gibt zudem Informationen frei, die andere Quellen nicht liefern können: Die Aufnahmen der «Wohn-Demo» vom 30. August 1980 (SozArch F 9049-026 und F 9049-058) zeigen beispielsweise, wie sich die Jugendlichen auf die Demonstration vorbereiten oder welche Diskussionen über Routenwahl und Gewaltbereitschaft geführt werden. An der Demo selbst kommt es zu Konflikten mit der Polizei, die in stundenlange, gewalttätige Scharmützel münden. Jugendliche, die von einem Tränengaseinsatz betroffen sind, werden notversorgt. Passanten beobachten die Vorgänge neugierig und mischen sich teilweise verbal in die Auseinandersetzungen ein. Der Kameramann des Videoladens bekommt die Ladung eines Wasserwerfers ab. Wenige Meter voneinander entfernt finden zeitgleich ein Strassenmusikauftritt und ein Polizeieinsatz statt. Nichts von dem findet sich in der Presseberichterstattung, in den Polizeirapporten oder in Erlebnisberichten von Beteiligten. Das bewegte Bild übertrifft an Informationsdichte alle anderen Quellengattungen.

Natürlich bildet auch dieses Rohmaterial nicht «die Realität» ab. Die Ereignisse der erwähnten Wohn-Demo zogen sich über Stunden hin. Die beiden Bänder decken davon nur rund 60 Minuten ab. Die Kamera wird laufend aus- und eingeschaltet. Längere Phasen (der Ereignislosigkeit?) fehlen ganz. Zudem filmt die Videoladen-Crew nicht neutral, sondern aus der Perspektive der Bewegung. Gewalttätigkeiten der Gegenseite werden nach Möglichkeit genau dokumentiert, zertrümmerte Schaufenster und der Barrikadenbau der Jugendlichen scheinen hingegen eher nur zufällig ins Bild zu geraten. Die Kamera sucht immer wieder eine bisweilen fast aufdringliche Nähe zur Polizei. Man belauert sich gegenseitig und spart nicht mit Provokationen.

Einen besonders intimen Einblick ins Funktionieren der Jugendbewegung bieten die Aufnahmen der Vollversammlungen. Diese Form des Zusammenkommens und Diskutierens hatte sich ab dem ersten Tag der Ereignisse etabliert und wurde von den Bewegten nie in Frage gestellt. Die Vollversammlung galt als einziges Organ mit Entscheidungsgewalt. Die Delegierung an eine Gruppe mit Leitungsfunktionen wurde zwar ansatzweise diskutiert, aber jedes Mal verworfen. Der Widerstand dagegen war wohl nicht zuletzt deshalb so radikal, weil genau dies von den Behörden immer wieder gefordert wurde: Sie waren bereit, mit einer Delegation zu verhandeln, aber sicher nicht mit einer anonymen Menge. Die Vehemenz, mit der die Jugendlichen auf dieser Form beharrten, hatte auch mit dem Vertrauensverlust in gängige politische Abläufe zu tun. Die älteren Jugendlichen mit einem 68er-Hintergrund fühlten sich durch die jahrlange Hinhaltetaktik der Behörden verschaukelt, den jüngeren fehlte jede Geduld, noch Jahre auf die Realisierung ihres Begehrens zu warten. Allen gemeinsam war eine tiefgehende Abneigung gegen einen parteipolitischen Weg: Sowohl den etablierten Parteien als auch den Parteien der Neuen Linken schlug heftige Abwehr entgegen, wenn diese versuchten, sich den Anliegen der Jugendlichen anzunehmen. Die ganze Energie lag im Kollektiv, jeder Versuch einer Vereinnahmung wurde äussert argwöhnisch beäugt. Das musste auch das Aushängeschild der Ausgestossenen und Randständigen, Pfarrer Ernst Sieber, erleben, dessen Einstehen für die Jugendbewegung auf kontroverse Reaktionen stiess, wie Pfeifkonzerte nach seinen Voten an Vollversammlungen belegen.

An den Treffen, die nach dem Opernhaus-Krawall vom 30. Mai 1980 in kurzer Abfolge stattfanden, diskutierten die Jugendlichen also so lange, bis eine Entscheidung über das weitere Vorgehen mittels Abstimmung möglich war – oder die Teilnehmenden vom stundenlangen Hin und Her so zermürbt waren, dass sich die Versammlung ohne Beschluss auflöste. Die Vollversammlungen fanden an verschiedenen Orten statt: im Volkshaus, auf dem Platzspitz und später auch im autonomen Jugendzentrum. Grundsätzlich stand das Mikrofon allen Anwesenden zur freien Meinungsäusserung offen. Als fleissige Redner entpuppten sich aber bald die Männer, Frauen meldeten sich selten. Der Ablauf einer Vollversammlung bestand im Wesentlichen daraus, dass zuerst aus Wortmeldungen eine Art Traktandenliste entstand. Rednerinnen und Redner fanden sich beim Mikrofon ein und warteten in der Regel artig, bis sie an der Reihe waren. Wenn der Austausch der Argumente sich erschöpft hatte, folgte die Abstimmung durch Handerheben im Plenum.

Was bei der blossen Schilderung langweilig und reizlos tönt, war zumindest in der Anfangsphase der Zürcher Jugendbewegung ein überaus mächtiges politisches Instrument. Die Vollversammlung als Forum der Willensbekundung zeigte ihre Stärke und ihr Durchsetzungsvermögen auch darum, weil die Bewegung in erster Linie ein vordringliches Ziel hatte: Die Stadt sollte ihr ein autonomes Jugendzentrum zur Verfügung stellen. Hinter dieser Forderung standen bis zu 10’000 Jugendliche, die dafür auch auf die Strasse gingen. Der Anspruch auf ein autonomes Jugendzentrum war auch für breite Kreise der Bevölkerung nachvollziehbar: Die Benachteiligung alternativer Kultur und das Fehlen nichtkommerzieller Treffpunkte in der Stadt waren augenfällig. Die Behörden hatten es versäumt, dem jahrzehntelang wiederholten Ruf nach einem Jugendhaus nachzukommen. Selbst die Ereignisse von 1968 und das krachend gescheiterte Experiment mit dem Bunker hatten ihnen die Augen nicht geöffnet. Dort hatte man 1970 versucht, die Jugend mit einem fensterlosen Luftschutzbunker unter dem Lindenhof abzuspeisen. Das Fass zum Überlaufen brachte dann bekanntlich die Vorlage, für 60 Millionen das Opernhaus zu renovieren – und die nicht-etablierte Kultur erneut zu ignorieren. Am 30. Mai 1980 demonstrierten die Jugendlichen dagegen und es kam zum berühmt-berüchtigten Opernhaus-Krawall.

Wenige Tage später, am 4. Juni, kam es zur denkwürdigen Vollversammlung im Volkshaus. Sie kann dank der Aufnahmen des Videoladens fast integral nacherlebt werden (SozArch F 9049-003/-014/-021). Die Jugendbewegung war auf einem frühen Höhepunkt ihrer Wirkungsmacht. Der Anlass zog 3’000 Jugendliche an. Der Strom Interessierter an diesem Mittwochabend war aus verschiedenen Gründen enorm: Angekündigt war eine Aufführung eines Videos, das am Opernhaus-Krawall entstanden war und das bereits für Furore gesorgt hatte. Der an der Universität Zürich lehrende Ethnologe Heinz Nigg hatte zusammen mit der Projektgruppe «Community Medien» die Auseinandersetzungen beim Opernhaus und in den angrenzenden Strassenzügen gefilmt, was dem zuständigen Regierungsrat Alfred Gilgen sauer aufstiess. Das Band wurde konfisziert, weitere Aufführungen wenig später verboten.

Ebenfalls gezeigt wurde die Fernsehberichterstattung über den Krawall – die Ereignisse hatten sowohl in den Printmedien als auch im Fernsehen für eine überreizte Berichterstattung gesorgt. Die öffentliche Meinung reagierte schockiert und empört auf den Gewaltausbruch, der hauptsächlich den Jugendlichen angelastet wurde. Die Bewegung sah dies verständlicherweise genau umgekehrt. Der Frontenbezug und die Gewaltbereitschaft (auf beiden Seiten) waren schon nach den ersten Abendstunden am Freitag des Opernhauskrawalls klar und sollten sich während der nächsten zwei Jahre nicht mehr signifikant verschieben. Folgerichtig zeigten deshalb einige Jugendliche in einer Performance auf der Volkshausbühne, wie man sich im Falle einer Verhaftung verhalten sollte. Unterstützt wurden sie dabei von Anwältinnen und Anwälten des Anwaltskollektivs.

Den Höhepunkt dieser Vollversammlung bildete allerdings der Auftritt von Stadträtin Emilie Lieberherr und Stadtpräsident Sigmund Widmer. Weil die Jugendlichen sich geweigert hatten, den umgekehrten Weg zu gehen – nämlich eine Delegation ins Stadthaus zu schicken –, blieb den beiden Stadträt/innen nichts Anderes übrig, als sich einer Diskussion in der Höhle des Löwen zu stellen. Dieser Umstand war verblüffend und zeigt, dass der Druck der Ereignisse auf der Strasse seine Wirkung tat. Der Gang ins Volkshaus war wohl auch ein Eingeständnis, die Entwicklungen in der Jugendpolitik während Jahren vollkommen verschlafen zu haben. Die Debatte zwischen Lieberherr, Widmer und dem Plenum dauerte rund eine Stunde und spielt sich in erstaunlich gesitteter Atmosphäre ab. Es ist förmlich spürbar, dass die Jugendbewegung bereits an diesem Abend ihrem Ziel eines autonomen Jugendzentrums sehr nahe kam. Daran änderte auch nichts, dass sich sowohl Lieberherr als auch Widmer wiederholt mit paternalistisch anmutenden Statements an das jugendliche Publikum wandten – sie wurden mit Pfeifkonzerten quittiert. Auch die Taktik von Lieberherr und Widmer, sich hinter dem politischen Entscheidungsprozess zu verschanzen, der ihre Machtbefugnis begrenzte, erlitt Schiffbruch. Der Abend endete mit einem zweifachen Zugeständnis: Die Stadt stellte den Jugendlichen die Rote Fabrik für ein Fest am kommenden Wochenende zur Verfügung und versprach, sofort Verhandlungen über eine in Frage kommende Liegenschaft aufzunehmen. Weniger als einen Monat später wurde das autonome Jugendzentrum an der Limmatstrasse 18/20 Realität.

Einen solchen Durchbruch hatten wohl nur die Optimistischsten erwartet. Die Vollversammlung als entscheidendes Gremium und Machtinstrument sah sich dadurch bestärkt und legitimiert, und dieser frühe Erfolg dürfte auch dazu beigetragen haben, dass während der nächsten Monate niemand am Instrument der Vollversammlung rüttelte. In dieser Phase gab es bisweilen auch kuriose Momente: So konnte es vorkommen, dass ein ganzer Demonstrationszug zum Stillstand kam, weil – über Megafon – der weitere Verlauf der Route diskutiert werden musste.

Die Mängel der Vollversammlung traten allmählich zu Tage, nachdem das autonome Jugendzentrum am 28. Juni 1980 eröffnet worden war. Die Tage und Wochen des Kampfes auf ein Ziel hin waren vorbei und damit die Schlagkraft der Vollversammlung. Sobald es nichts mehr zu erstreiten galt, waren Konzepte und Strategien gefragt. Doch dafür eignete sich die Vollversammlung nicht. Bereits die Aufnahmen zur AJZ-Eröffnung (SozArch F 9049-047) zeigen, dass Probleme auf die Bewegung zukamen, die sie weder verursacht hatte noch aus eigener Kraft lösen konnte. Wie sollte die baufällige Liegenschaft mit dem lächerlichen Betrag von 40’000 Franken, den die Stadt gesprochen hatte, in Schwung gebracht werden? War das Haus nicht viel zu klein für alle Bedürfnisse, die sich angestaut hatten? Sollte man angesichts der grassierenden Wohnungsnot auch im AJZ übernachten dürfen? Und stimmte das Gerücht, dass die Stadt vorhatte, die Liegenschaft innert Jahresfrist sowieso abzureissen? In der Vollversammlung wurde diese Frage zwar diskutiert, aber statt wie früher Euphorie und Tatendrang machte sich im Plenum nun Ratlosigkeit breit. Die Jugendlichen reagierten zwar sehr schnell mit einer Fülle von Arbeitsgruppen, die sich den einzelnen Problemfeldern annahmen. Der Dampfer AJZ nahm Fahrt auf, lief aber schon nach wenigen Wochen auf Grund. Vor allem Drogenprobleme führten zu einer ersten Schliessung im September 1980. Die Situation war verfahren: Auf der einen Seite die Bewegung, die stur an ihren Wegen der Entscheidungsfindung festhielt und weder Delegationen noch eine Machtaufteilung innerhalb tolerierte. Auf der anderen Seite die Behörden, die sich nach der Übergabe der Liegenschaft nicht mehr in der Pflicht sahen, irgendeinen Beitrag zur Lösung der anstehenden Probleme beizutragen und ihre Aufgabe einzig darin sahen, mit repressiven Mitteln für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Die Videoaufnahmen der Vollversammlungen erweisen sich bei näherem Hinsehen somit als eine reichhaltige Quelle für die Geschichte der Jugendbewegung. Sie geben in erster Linie Auskunft über die Themen, die den Jugendlichen unter den Nägeln brannten: Wann endlich erhalten wir ein Jugendhaus? Ist der Einsatz von Gewalt an Demonstrationen legitim? Was ist zu tun bei einer Verhaftung durch die Polizei oder nach einer Tränengasattacke? Darüber hinaus lassen sich ihnen viele zusätzliche Informationen entnehmen: Welche Jugendlichen ergreifen öfter das Wort? Auf welche Reaktionen stossen die Voten im Publikum? Wie verhalten sich Frauen am Mikrofon? Wie verhält sich das Plenum, wenn die Diskussion ausufert? Was hat es mit der schleppenden Sprechweise vieler Jugendlicher auf sich? Wie sind die Jugendlichen gekleidet? Welche unterschiedlichen Interessen lassen sich bei den versammelten Jugendlichen ausmachen?

Eine Analyse solcher und anderer Fragen kann dazu beitragen, die ausgetretenen Rezeptionspfade der 80er Bewegung zu verlassen. Im Jubiläumsjahr 2020 stand fast ausschliesslich die Erinnerung im Vordergrund: Bewegte erzählten, «wie es damals war». Dies ist zwar sowohl für Zeitzeug/innen als auch für später Geborene interessant, blendet aber aus, dass es neben den individuellen und kollektiven Erlebnissen immer noch unvollständig beantwortete Fragen gibt. Beispielsweise bedarf es der Klärung, ob es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen der Depression, die viele Jugendliche nach dem Abbruch des AJZ erfasst hatte, und dem Absturz in den unkontrollierten Konsum harter Drogen. Ebenfalls im Raum steht die Frage, ob die Bewegungsgeneration tatsächlich so wesentlich für die kreative, kulturelle (nicht nur die Musik betreffend) und gastronomische Aufbruchstimmung der späten 1980er und frühen 1990er Jahre verantwortlich war. Nötig ist in erster Linie ein unverstellter Blick auf die Ereignisse, der sich auch von den Positionsbezügen und ideologischen Abwehrmechanismen zu lösen vermag, die bei vielen Beteiligten auch 40 Jahre danach unverrückbar scheinen.

Die Aufnahmen der Vollversammlungen aus dem Archiv des Videoladens könnten dabei durchaus hilfreich sein. Sie zeigen, welche Macht der Vollversammlung in den ersten Wochen der Bewegung zukam, wie partizipativ und taktisch clever ihre Beschlüsse anfangs waren. Mit der Dauer der Achtziger Unruhen wurde aber zunehmend klar, dass die Jugendbewegung kein homogenes Kollektiv war, sondern mit Post-68ern und Spontis, Radikalen und Pragmatischen, Studierenden und Lehrlingen eine riesige Bandbreite an Altersgruppen, Ideologien und Bedürfnissen hinter dem gemeinsamen Ziel eines AJZ versammelte. Mit der strikten Weigerung der Macht- und Verantwortungsdelegation könnten die Bewegten womöglich selber ihren Beitrag zum Scheitern der Bewegung beigetragen haben.

Nach der ersten Schliessung des AJZ im September 1980 war der Videoladen nur noch vereinzelt vor Ort, wenn Vollversammlungen stattfanden. Die Kritik aus den eigenen Reihen an dieser Diskussionsform wurde lauter, die Teilnehmerzahlen sanken. Allerdings wandte sich die Jugendbewegung nie offiziell von der Vollversammlung ab. Die massgebliche Arbeit fand nun aber in den Arbeitsgruppen des AJZ statt. Die Bewegung kommunizierte über Flugblätter, eigene Zeitungen und Piratenradios – und seit Anbeginn auch mit den Videos des Videoladens. Die Ereignisdichte ergab Material zur Genüge. Rund zwei Drittel des gesamten Videoladen-Archivs stammen aus der Zeit zwischen Opernhauskrawall und der definitiven Schliessung des AJZ weniger als zwei Jahre später. Aus diesem Rohmaterial entstanden mehr als zehn Videoproduktionen und 1981 mit «Züri brännt» auch ein Meilenstein des Bewegungsvideos.

3.9.2020-17.1.2021: Ausstellung «Zürich 1980» im ZAZ

Vor 40 Jahren wurde Zürich von einer urbanen Revolte erschüttert. Es war eine Rebellion gegen einen normierten und kontrollierten Alltag, gegen ein biederes, engstirniges und repressives soziales Klima, ein erbitterter und lustvoller Kampf für ein anderes urbanes Leben. Die Revolte hat zwei Jahre angehalten und das gesellschaftliche und kulturelle Leben Zürichs grundlegend verändert, mit Auswirkungen, die bis heute sichtbar sind.

In Zusammenarbeit mit Christian Schmid (Stadtforscher, ETH Zürich) und Silvan Lerch (Kulturjournalist) hat das Sozialarchiv aus diesem Anlass die Ausstellung «Zürich 1980» im Zentrum Architektur Zürich (ZAZ) konzipiert. In dieser Ausstellung schauen wir zurück und nach vorn – in eine bewegte Vergangenheit und eine ungewisse Zukunft.

«Zürich 1980» besteht im Wesentlichen aus zwei Zugängen zum Thema. Zum einen zeigen wir Fotos von Gertrud Vogler (1936-2018) – sie ist den regelmässigen Leser*innen des SozialarchivInfos inzwischen bestens bekannt. Vogler gehörte zu den wichtigsten zeitgenössischen FotografInnen Zürichs. Sie arbeitete für verschiedene Publikationen und übernahm 1981 die Bildredaktion der WoZ. Vogler konnte Aufnahmen von Orten machen, zu denen anderen der Zutritt verwehrt blieb oder wo sie sich gar nicht erst hin getrauten. Als Chronistin des Alltags und der sozialen Bewegungen schuf sie ein Werk von über 200’000 Fotografien, das heute im Schweizerischen Sozialarchiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die erste grössere Einzelausstellung zeigt Einblicke in bewegte Zeiten zwischen 1977 und 1993.

Zum anderen widmet sich die Ausstellung unter dem Titel «Poetische Provokationen» der Sprache der Bewegung. Mit Zeitschriften, Songtexten, Videos, Tonaufnahmen, Flugblättern und Büchern zeigen wir, wie sich die 80er Bewegung Ausdruck verschaffte. Als Interventionsmedien zur Etablierung einer Gegenöffentlichkeit gedacht, verströmen die Texte bis heute eine besondere Kraft und entwickeln einen eigentlichen Sog. Sie sind oft überraschend, explosiv, radikal und militant und entfalten zugleich sinnliche Verspieltheit, Witz und (Selbst-)Ironie.
Dieser Teil der Ausstellung sollte ursprünglich im Museum Strauhof gezeigt werden, fiel aber wie so vieles der Corona-Pandemie zum Opfer. Verantwortlich für die «Poetischen Provokationen» sind Silvan Lerch und Anja Nora Schulthess («Zürcher Mittelmeerfraktion – Verein für unerhörte Stadtgeschichten»).

3. September 2020 bis 17. Januar 2021
Zentrum Architektur Zürich (ZAZ), Höschgasse 3, 8008 Zürich

> Der Zutritt zu allen Veranstaltungen ist coronabedingt beschränkt. Bitte informieren Sie sich vor Ihrem Besuch auf der Homepage des ZAZ und melden Sie sich über anmeldung@zaz-bellerive.ch zu den jeweiligen Veranstaltungen an.

> Ausstellungsflyer herunterladen (PDF, 2’690 KB)

> Weitere Informationen und Angaben zum umfangreichen Begleitprogramm

Archivarisches Händeklatschen

Bestände zu Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik im Sozialarchiv

Zu den erfreulichen Nebenwirkungen der Corona-Krise gehört die transnationale Verbreitung des Händeklatschens auf Balkonen und Terrassen als Applaus für den unermüdlichen Einsatz des Spitalpersonals im Kampf gegen das Virus. Diesen Manifestationen der Wertschätzung möchten wir uns an dieser Stelle auf spezifisch archivarische Weise anschliessen: Durch eine Vorstellung der Bestände zu Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik im Schweizerischen Sozialarchiv und ihre historische Verortung. Das Sozialarchiv verfügt in diesem Bereich über umfangreiches und vielfältiges Material. Im Unterschied zum Archiv für Medizingeschichte der Universität Zürich, das sich auf die Sammlung im engeren Sinne medizin- und wissenschaftshistorischen Quellenmaterials, Nachlässe von Medizinalpersonen und Körperschaftsarchive medizinischer Institutionen konzentriert, finden sich im Sozialarchiv gemäss dessen Sammelauftrag Unterlagen, die die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen des Gesundheitswesens dokumentieren.

Die im Sozialarchiv gelagerten Bestände verschiedener Parteien und Organisationen beinhalten auch deren Akten zur Gesundheitspolitik. Sodann beherbergt das Sozialarchiv die Akten verschiedener Medizinerorganisationen mit gesellschaftspolitischen Zielen wie des „Verbands Schweizer Medizinstudenten“, der „ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges“, der „Schweizerischen Gesellschaft für Sozialpsychiatrie“ oder der „Vereinigung unabhängiger Ärztinnen, Ärzte und Medizinstudierender“. Weiters finden sich die Nachlässe verschiedener ÄrztInnen mit einem breiteren gesellschaftlichen und politischen Engagement wie etwa des Aussersihler Arbeiterarztes, Sexualreformers und Sozialisten Fritz Brupbacher und des mit ihm befreundeten Ärzteehepaars Minna und Max Tobler-Christinger oder der religiös-sozialistischen Hebamme und Krankenschwester Vre Karrer, die ab 1993 in Somalia eine Krankenstation mit Schule für Pflegeberufe aufbaute und dort 2002 ermordet wurde.

Die Sachdokumentation des Sozialarchivs führt allgemeine Dossiers zu öffentlichem Gesundheitswesen und Krankenversicherungen in der Schweiz und ausgewählten anderen Ländern und zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie spezialisierte Dossiers zu Themen wie Spitalwesen, Spitalfinanzierung, Krankenpflege, Spitex, medizinische Berufe, ÄrztInnen, Ärztestreiks, Ärztemangel/Ärzteüberschuss, ärztlichem Versagen, Arztgeheimnis, Präventivmedizin, Alternativer Medizin und einzelnen Krankheiten wie Cholera, Pocken, Tuberkulose, Grippe, Diphterie, Kinderlähmung, Typhus, Krebs, AIDS und Geschlechtskrankheiten. In der Bibliothek finden sich nebst historischer, sozial- und kulturwissenschaftlicher Fachliteratur zum Themenfeld Gesundheitswesen/Krankheiten die Informationsblätter und Jahresberichte von Institutionen wie dem Bundesamt für Gesundheit, der „Liga gegen die Tuberkulose und Lungenkrankheiten“ oder der „AIDS-Hilfe“.

Dass gerade das auf gesellschaftlichen Wandel sowie soziale und politische Bewegungen spezialisierte Sozialarchiv eine so grosse Sammlung von Dokumenten zum Gesundheitswesen aufweist, ist kein Zufall. Krankenversicherung und Spitalpolitik sind Dauerbrenner auf der politischen Agenda von Bund, Kantonen und Gemeinden, in deren Debatten Schreckbegriffe wie „Kostenexplosion“ oder „Zweiklassenmedizin“ regelmässig auftauchen. Abstimmungen über Epidemiengesetze haben in den letzten 140 Jahren wiederholt zu Kontroversen geführt, insbesondere dann, wenn sie die Möglichkeit eines Impfobligatoriums beinhalteten (vgl. SozialarchivInfo 1/2020). Entsprechend findet sich in den Beständen verschiedener politischer Akteure, insbesondere von Parteien und gemeinnützigen Organisationen, sowie in der Sachdokumentation umfangreiches Material zu solchen politischen Debatten.

Darüber hinaus widerspiegelt das zahlreiche Material zu Seuchen und anderen Krankheiten in den Beständen des Sozialarchivs auch den Umstand, dass deren Auftreten nicht nur medizinische Krisen sind, sondern seit jeher auch einschneidende Ereignisse mit oftmals weitreichenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen. Die grosse, als „Schwarzer Tod“ bekannt gewordene Pest-Pandemie zur Mitte des 14. Jahrhunderts, die entlang von Handelsrouten wie der Seidenstrasse aus Zentralasien nach Europa vorgestossen war und gemäss Schätzungen ein Viertel bis die Hälfte der europäischen Bevölkerung, mindestens 20 Millionen Menschen, dahinraffte, erreichte 1347/48 auch das Gebiet der heutigen Schweiz. Sie führte unmittelbar an zahlreichen Orten zu Verfolgungen und gar Massakern an der jüdischen Minderheit, der manche Brunnenvergiftung als Ursache der Pest unterstellten; im Gebiet der heutigen Schweiz etwa in Chillon, Villeneuve, Bern, Zofingen, Solothurn, Zürich und Basel. Trotz Unkenntnis über die Verbreitungsart der Seuche führten in den darauffolgenden Jahrzehnten Hafen- und Handelsstädte bereits Isolationsmassnahmen für ankommende Schiffe und Kaufleute ein. Die dabei häufig zur Anwendung gelangende 40-tägige Absonderung prägte den Begriff „Quarantäne“.

Längerfristig bewirkte oder beschleunigte die Pest-Pandemie des 14. Jahrhunderts einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der allerdings je nach gesellschaftlichen und politisch-institutionellen Voraussetzungen regional unterschiedlich verlaufen konnte. Die Kirche profitierte von der Seuche zwar materiell durch Erbschaften von vielen Pestopfern, geriet aber wegen fehlender Antwort auf die Frage nach der Ursache der Pandemie in eine Legitimationskrise. In wirtschaftlicher Hinsicht erleichterte der demographische Einbruch den Zugang zu Bauernhöfen und in den Städten lockerten die Handwerkerzünfte ihre restriktive Aufnahmepolitik. Unrentable Böden wurden aufgegeben, dagegen stiegen wegen Arbeitskräftemangels die Löhne in den Städten und teilweise auch der Landarbeiter. Die höheren Lohnkosten wiederum begünstigten die Mechanisierung manueller Arbeit und den Durchbruch technischer Innovationen wie des Buchdrucks.

In der frühen Neuzeit gab es in Europa immer wieder gravierende lokale Pest-Epidemien. So starben 1519 und 1611 in Zürich, 1610/11 in Basel und 1629 in St. Gallen jeweils rund 30 Prozent der Bevölkerung an der Pest. In den Jahren 1519, 1541, 1611 und 1630 wurde die gesamte Eidgenossenschaft von Pest-Epidemien heimgesucht. Als Reaktion darauf erliessen die Schweizer Städte ab dem späten 16. Jahrhundert nach norditalienischen Vorbildern Pest-Reglemente. Auch wurden Gesundheitsbehörden geschaffen, so in Zürich 1704 ein ständiger Sanitätsrat. Verschwand die Pest ab dem 18. Jahrhundert weitgehend aus Europa, so kostete noch um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Pest-Pandemie mit Schwerpunkt in Ostasien etwa 12 Millionen Menschenleben. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Schweizer Bundesrat 1899/1900 Massnahmen zum Schutz gegen Pest und Cholera, die unter anderem den Warenverkehr mit „als pestverseucht anzusehenden Ländern und Bezirken“ einschränkten und an einer Reihe von Eisenbahn-, Post- und Dampfschiffstationen „Krankenübergabestationen“ mit „Absonderungshaus“ und „Desinfektionsanstalten“ für Reisende mit Pest- oder Cholerasymptomen vorsahen.

Die lange Zeit auf den indischen Subkontinent beschränkte Cholera breitete sich in einer ersten Pandemie zwischen 1817 und 1824 entlang von Handelsrouten über weitere Teile Asiens sowie nach Ostafrika, Kleinasien, Russland und Europa aus. In den folgenden 100 Jahren zogen fünf weitere Cholera-Pandemien grosse Teile der Welt in Mitleidenschaft. Hinzu kamen verschiedene gravierende lokale Epidemien, so 1892 in Hamburg, wo 8’600 Menschen verstarben. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die bakterielle Ursache der Cholera und deren Übertragung durch verschmutztes Trinkwasser erkannt. Die Entdeckung dieser Zusammenhänge stellte nicht nur die Geburtsstunde der modernen Epidemiologie dar, sondern begünstigte auch die infrastrukturelle Verbesserung im Bereich der Wasserversorgung in vielen der im Zuge der Industrialisierung rasch wachsenden Städte. Aktuell wütet seit 2016 im kriegsgebeutelten Jemen eine Cholera-Epidemie, der bereits mehrere Tausend Menschen zum Opfer gefallen sind.

Die Stadt Zürich wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von zwei gravierenden Cholera-Epidemien heimgesucht. 1855 kamen – bei einer Stadtbevölkerung von etwa 20’000 Personen – 114 Menschen ums Leben. Zeitgleich starben in den beiden Basel etwa 400 Menschen an der Cholera. Zwölf Jahre darauf erkrankten im Kanton Zürich 771 Personen an der Cholera, von denen 499 verstarben. Die grössten Todeszahlen wiesen die Wohnorte der städtischen Unterschichten mit ihren prekären hygienischen Verhältnissen auf: 131 Menschen starben in der Zürcher Altstadt, 92 weitere in der rasch wachsenden Arbeitervorstadt Aussersihl. Die Behörden reagierten weitgehend hilflos. Zunächst riegelte man Häuser, in denen Cholerakranke wohnten, für jeweils neun Tage ab. Diese Massnahme liess sich aber nicht lange durchsetzen. Auch gab es Veranstaltungsverbote und Aufforderungen an die Bevölkerung, sich beim Genuss von Sauser zurückzuhalten, während der Weinkonsum als Stärkung gegen die Seuche galt. Verbote einzelner Gemeinden, in die von der Cholera betroffenen Gebiete zu reisen, wurden vom Kanton wieder aufgehoben. Die Epidemie führte unmittelbar zu einer Solidaritätswelle: In Zürich entstand ein „Hülfskomitee“, das unter anderem eine Suppenküche für Arme einrichtete. Nachbarkantone schickten Geld und Naturalien. Zürich besass zu jener Zeit weder Wasserversorgung noch Kanalisation. Der Bau eines Abwassersystems war zwar einige Monate vor der Epidemie beschlossen worden, wurde aber erst in den folgenden Jahren umgesetzt. Auch machte die Epidemie die Lebensverhältnisse der städtischen Unterschichten einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Schliesslich verstärkte die hilflose Rolle der Behörden während der Cholera-Epidemie auch die Kritik am liberalen „System Escher“, das seit zwei Jahrzehnten den Kanton Zürich dominierte, infolge einer Schuldenkrise in der Landwirtschaft, eines konjunkturellen Einbruchs in der Industrie, steigender Lebensmittelpreise und Missständen in Verwaltung und Justiz schon zuvor unter Druck geraten war und dann im Winter 1867/68 von der demokratischen Bewegung weggefegt wurde (vgl. SozialarchivInfo 6/2018).

Der grössten Pandemie des 20. Jahrhunderts, der Grippe-Welle von 1918/19, fielen weltweit geschätzte 25 bis 100 Millionen Menschen zum Opfer, dies waren weit mehr Tote, als der Erste Weltkrieg gefordert hatte. Besonderheiten waren eine hohe Sterblichkeit von 5 bis 10 Prozent sowie der Umstand, dass vor allem Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren davon betroffen waren. Die übliche Bezeichnung „Spanische Grippe“ ist missverständlich, denn die Pandemie ging nicht von Spanien aus. Sie wurde freilich zuerst in der Presse Spaniens diskutiert, das als nicht am Weltkrieg beteiligtes Land eine freiere Berichterstattung kannte. Ihren Ursprung nahm die Pandemie Anfang 1918 in den Vereinigten Staaten, von wo sie im Frühjahr durch die intensiven interkontinentalen Truppentransporte des Weltkriegs nach Europa gelangte. Den ersten Peak erreichte die Pandemie im Juni 1918, als die Grippe nun auch Teile Asiens und Ozeaniens erreichte. Rasch zirkulierten diverse Gerüchte und Verschwörungstheorien über die Ursache der Grippewelle. In der durch die Kriegspropaganda angeheizten antideutschen Atmosphäre der USA – wo die Frankfurter Würste in „liberty sausages“ und der Hamburger in „liberty sandwich“ umgetauft worden waren – wurde die Umbenennung der Pandemie in „Deutsche Grippe“ gefordert. Die zweite Welle der Pandemie dauerte von Mitte August bis November 1918, fiel also zeitlich mit den letzten Kriegsmonaten, den Revolutionen in Deutschland und Österreich, dem Schweizer Landesstreik sowie politischen und gesellschaftlichen Erschütterungen in zahlreichen weiteren Ländern zusammen. In dieser Welle erreichte die Pandemie auch verschiedene Regionen Afrikas. Eine dritte Grippe-Welle ab dem Frühjahr 1919 war weniger tödlich als die beiden vorangegangenen.

In der Schweiz erkrankten wohl rund 2 Millionen, etwa die Hälfte der damaligen Bevölkerung, an der Grippe, knapp 25’000 Menschen verstarben. Damit wurde 1918 zum einzigen Jahr des 20. Jahrhunderts, als in der Schweiz mehr Menschen verstarben als geboren wurden. Ein besonders hohes Todesrisiko hatten Pflegepersonal und Ärzte. Die erste Grippewelle im Sommer 1918 fiel zeitlich mit einer raschen Verschärfung der kriegsbedingten Versorgungsengpässe an Nahrungsmitteln, Energie und Kleidung zusammen und führte unter anderem dazu, dass Schulen und Universitäten vorzeitig in die Sommerferien gingen und militärische Ausbildungskurse verschoben wurden. Zugleich gab es in der Presse und seitens der Arbeiterbewegung heftige Angriffe auf die Armeeführung wegen die Verbreitung der Grippe fördernder Unterkunftsverhältnisse der Aktivdienstsoldaten und mangelhafter Vorbereitung der Sanitätstruppen. Aber auch zivile Ärzte waren gegen die Grippe weitgehend machtlos und experimentierten mit allen möglichen Mitteln und Therapien. Dies bedeutete einen jähen Bruch in der Erfolgsgeschichte der Medizin, die in den vorangegangenen Jahrzehnten stetige Fortschritte verzeichnet hatte. Die auf diese zusätzliche Krise schlecht vorbereiteten Behörden reagierten erst mit zeitlicher Verzögerung, sprachen Versammlungsverbote aus und publizierten Hygieneanweisungen, die uns heute teilweise sehr bekannt vorkommen: Verzicht auf Händeschütteln, nicht auf den Boden spucken, Niesen ins Taschentuch, häufiges Lüften der Wohnungen. Grosse Inkonsequenzen gab es bei den Anordnungen über Veranstaltungsverbote und Restaurantschliessungen zwischen den einzelnen Kantonen; ein Pandemieplan des Bundes existierte damals noch nicht.

Die zweite, noch heftigere Grippewelle im Herbst fiel zusammen mit einer Zuspitzung der Konflikte zwischen Arbeiterbewegung und politischer und militärischer Führung, einem umfangreichen präventiven Militäraufgebot für den Ordnungsdienst Anfang November sowie dem dreitägigen Landesstreik. In den Landesstreikdebatten schoben sich Regierung und Arbeitervertreter gegenseitig die Schuld an den wegen des Ordnungsdiensts erkrankten Soldaten in die Schuhe. In der Folge wurde die Pandemie vor allem von rechts politisch zu instrumentalisieren versucht, indem die grippetoten Soldaten etwa in Wahlkämpfen mit teilweise massiv übertriebenen Zahlen als Opfer des Generalstreiks dargestellt wurden. Für sie entstanden ab 1919 in vielen Ortschaften Denkmäler, die sich an den Kriegsgefallenenmonumenten der Nachbarländer orientierten, während der zwölf Mal zahlreicheren zivilen Grippeopfer kaum gedacht wurde (vgl. SozialarchivInfo 4/2018).

Neben wellenartigen Pandemien hatten auch andere Krankheiten weit über das Medizinische hinausreichende gesellschaftliche und politische Folgen. Die Tuberkulose war in Europa vom 17. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Unterschichtenkrankheit schlechthin und für einen erheblichen Prozentsatz der Todesfälle verantwortlich. In der Schweiz etwa starben 1895/96 16’842, 1905/06 sogar 18’385 Menschen an der Tuberkulose. So verwundert es nicht, dass das Thema Tuberkulose in den Körperschaftsarchiven der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und der Pro Juventute prominent auftaucht und in der Sachdokumentation des Sozialarchivs detaillierter als andere Krankheiten vertreten ist. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Luftkur zur wichtigsten Tuberkulosetherapie, bei der die PatientInnen mehrere Stunden täglich an der freien Luft liegen mussten. Dies führte zur Entstehung von Sanatorien in Davos und anderen alpinen Gemeinden, die sich in der Folge zu Wintersportorten weiterentwickelten. Im frühen 20. Jahrhundert erfolgte die Entwicklung von Impfstoffen. Diese trugen zusammen mit einer generellen Verbesserung der Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten dazu bei, dass sich in Europa der Anteil der Tuberkulosetoten zwischen 1850 und 1950 um den Faktor 10 verringerte. Der Einsatz von Antibiotika drängte dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Tuberkulose weiter zurück und machte die Luftkuren zu einem Auslaufmodell. Die Zahl der Tuberkulosetoten in der Schweiz ging zurück von 3’055 im Jahre 1947 über 869 zehn Jahre darauf auf 20 im Jahre 2008. Weltweit erkranken aber noch heute etwa 10 Millionen Menschen pro Jahr an der Tuberkulose und werden jährlich etwa 1,5 Millionen Tuberkulosetote registriert.

Ein zentrales medizinisches, politisches und kulturelles Thema, das in verschiedenen Sammlungen des Sozialarchivs auftaucht, wurde im ausgehenden 20. Jahrhundert die Immunschwächekrankheit AIDS. Die ersten nachträglich dokumentierten HIV-Infektionen reichen in die Zeit um 1960 zurück und erste Übertragungen fanden wohl bereits mehrere Jahrzehnte zuvor in Zentralafrika statt. Erst Anfang der 80er Jahre wurde die Krankheit aber wissenschaftlich beschrieben. Zunächst galt sie in der Öffentlichkeit als Problem von „Randgruppen“ wie Homosexuellen und DrogenkonsumentInnen. Die Presse schrieb etwa reisserisch von einer „Homosexuellen-Seuche“ oder „Schwulenpest“. Mit dem Aufkommen von HIV-Tests erwies sich dies als Irrtum. Dennoch erlitten HIV-Infizierte weiterhin gesellschaftliche Stigmatisierungen und Diskriminierungen. Mit der raschen Zunahme an Neuerkrankungen in den mittleren 80er Jahren war das Thema auf der medialen und politischen Agenda ein Dauerbrenner. Es entstanden spezielle AIDS-Hilfen und die Behörden starteten umfangreiche Präventionskampagnen. Das gleichzeitige Anwachsen offener Drogenszenen wie derjenigen auf dem Zürcher Platzspitz machte auch die Einrichtung spezifischer präventivmedizinischer Einrichtungen für DrogenkonsumentInnen wie dem 1988 entstandenen „Zürcher Interventionspilotprojekt gegen Aids“ (ZIPP-AIDS) nötig (vgl. SozialarchivInfo 5/2017). In der Atmosphäre des späten Kalten Krieges betrieb der sowjetische Geheimdienst KGB von 1983 bis 1988 unter dem Codenamen „Operation Infektion“ eine internationale Fake-News-Kampagne, die die AIDS-Epidemie als missglückte oder gezielte Biowaffenoperation der USA darstellte. Mit der Stabilisierung der Zahlen von Neuerkrankten in Europa und der Entwicklung effektiver medikamentöser Behandlungsmethoden für HIV-Infizierte in den 90er Jahren ging das öffentliche Interesse an der Krankheit stark zurück. In der Zeitungsauschnittsammlung (ZA) des Sozialarchivs umfassen im Dossier „Aids“ die Jahre 1983 bis 1992 acht Schachteln, die Jahre 1993 bis 2006 dann nur noch deren sechs. Gegenwärtig stecken sich aber weltweit immer noch jährlich über 2 Millionen Menschen mit HIV an und versterben etwa eine Million Menschen an AIDS. Während der Anteil der HIV-Infizierten im weltweiten Durchschnitt unter einem Prozent liegt, erreicht diese Quote in einzelnen afrikanischen Staaten bis zu einem Viertel der Bevölkerung.

Die Corona-Pandemie schlägt sich seit Anfang März 2020 in der Sammlung Digitaler Schriften (DS) der Sachdokumentation des Sozialarchivs markant nieder. Nach dem ersten Schock traten die einzelnen Parteien, Interessenorganisationen und Think-Tanks mit Vorschlägen, Forderungen und Positionspapieren an die Öffentlichkeit, die über den engeren Bereich der Pandemie-Strategie hinaus vielfältige gesundheits-, wirtschafts- und sozialpolitische Themen betreffen und auch bereits erste Positionsbezüge für die Aushandlungsprozesse der postcoronalen Ära darstellen. Die fast täglich wachsende Sammlung der DS stellt dadurch ein einmaliges, gegenwarts- und zukunftsbezogenes Archiv zur Coronakrise in der Schweiz dar. Darüber hinaus ist das Sozialarchiv an einem Projekt für ein digitales Archiv der Coronakrise beteiligt, das in Kooperation mit den Digital Humanities der Universität Bern, dem Geschichtsfachportal Infoclio, dem Istituto di media e giornalismo der Università della Svizzera italiana und dem Schweizerischen Bundesarchiv Bilder, Texte, Videos und Posts von unterschiedlichen Social-Media-Kanälen zur Coronakrise in der Schweiz zusammentragen und archivieren möchte (corona-memory.ch). Ziel ist es, einen Ort des kollektiven Gedächtnisses zu schaffen und die in dieser gemeinsamen Notlage gelebten Erfahrungen nicht nur heute, sondern auch in Zukunft in ihrer Vielfalt zugänglich zu machen. Zweifellos wird die Coronakrise auch in den zukünftigen Ablieferungen zahlreicher Organisationen, für die das Sozialarchiv als Endarchiv fungiert, ein wichtiges Thema sein.

Zum Abschluss des archivarischen Händeklatschens muss noch eines betont werden: Bei aller Dankbarkeit und Hochachtung für die enormen Leistungen des Medizinalpersonals in der Coronakrise sind auch die zahlreichen weiteren Berufsgattungen, die während des Lockdowns unter schwierigen und teilweise gefährlichen Bedingungen für die Aufrechterhaltung von Grundversorgung und zentraler Infrastrukturen verantwortlich waren, nicht zu vergessen. Auch zur Geschichte und Gegenwart dieser Gruppen findet sich im Schweizerischen Sozialarchiv umfangreiches Material.

Material zu Gesundheitswesen und Gesundheitspolitik im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 1.140 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Volksgesundheit
  • Ar 13 Verband Schweizer Medizinstudenten
  • Ar 20.870.1 Schweizerisches Arbeiterhilfswerk: Tschechische Tuberkulose-Kranke
  • Ar 31 Schweizerische Zentralstelle für praktische Psychiatrie
  • Ar 36.19 schwulenarchiv schweiz: Medizin
  • Ar 42.40.8 Schweizerische Vereinigung für Sozialpolitik: Kranken- und Unfallversicherung
  • Ar 101 Brupbacher, Fritz (1874–1945)
  • Ar 136 Tobler-Christinger, Max und Minna
  • Ar 169 Weil, Jochi Peter (*1942), Vorlass
  • Ar 198.36 Gmür, Mario
  • Ar 198.37 Karrer, Verena [Vre] (1933–2002)
  • Ar 201.96 SchulleiterInnenkonferenz der Psychiatrischen Krankenpflege
  • Ar 201.107 Schweizerische Vereinigung der Eltern epilepsiekranker Kinder SVEEK
  • Ar 201.175 Schweizerische Vereinigung des leitenden Personals der psychiatrischen Krankenpflege SVLPPK
  • Ar 201.203 Gesundheitsbrigaden Schweiz/Nicaragua
  • Ar 201.226 Dokumentation Kantonale Psychiatrische Familienpflege
  • Ar 201.244 Bau einer psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche im Kanton Zürich, 1982
  • Ar 201.256 Società ticinese di Mutuo Soccorso in Zurigo / Amici della Mutuo
  • Ar 201.283 Förderverein Neue Wege in Somalia
  • Ar 437.51 Frauen/Lesben-Archiv: Verhütung und (Zwangs)Sterilisation
  • Ar 437.52 Frauen/Lesben-Archiv: Gynäkologie
  • Ar 437.55 Frauen/Lesben-Archiv: Frau und Gesundheit
  • Ar 437.56 Frauen/Lesben-Archiv: Frau und Psychiatrie
  • Ar 437.58 Frauen/Lesben-Archiv: HIV / AIDS
  • Ar 473.30.1 Dokumentation Strafvollzug: AIDS und Drogen im Strafvollzug
  • Ar 517 Schweizerische Elternvereinigung für asthma- und allergiekranke Kinder SEAAK
  • Ar 526 ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW-Schweiz)
  • Ar 537 Schweizerische Gesellschaft für Sozialpsychiatrie SGSP, Zusatzausbildung Sozialpsychiatrie ZASP
  • Ar 578 Vereinigung unabhängiger Ärztinnen, Ärzte und Medizinstudierender
  • Ar 583 Fachverband sexuelle Gesundheit in Beratung und Bildung faseg
  • Ar 1014 Ulrich, Jürg (1930–2017)
  • Ar AI A 009-119 Amnesty International Schweizer Sektion: Berufsgruppen: Grp.202 Heil- und Pflegeberufe / Menschenrechte und Medizin
  • Ar AI A 009-120 Amnesty International Schweizer Sektion: Berufsgruppen: Grp.202 Netzwerk Heil- und Pflegeberufe: Gruppenporträt und Protokolle
  • Ar AI A 009-121 Amnesty International Schweizer Sektion: Berufsgruppen: Grp.202 Heil- und Pflegeberufe: Netzwerk, Korrespondenz, Fragebogen
  • Ar AI A 011-022 Amnesty International Schweizer Sektion: Fragebogen UA Medizinernetzwerk 2000
  • Ar AI A 011-023 Amnesty International Schweizer Sektion: Fragebogen UA Medizinernetzwerk 2001
  • Ar AI C 011-034 Amnesty International Schweizer Sektion: Berufs- und Zielgruppen: Mediziner
  • Ar PJ 1.4-035.SP10 Pro Juventute: Spitex (Spitalexterne Kranken- und Gesundheitspflege)
  • Ar PJ 1.4-036.02 Pro Juventute: Schweizerische Kommission zur Bekämpfung der chirurgischen Tuberkulose
  • Ar PJ 8.6-040 Pro Juventute: Tuberkuloseprävention: Broschüren
  • Ar SGG A 37 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Expedition mit den Zürcher Ärzten nach Héricourt
  • Ar SGG A 37 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Cholera in Hamburg
  • Ar SGG A 39 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Lungensanatorium
  • Ar SGG A 49 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Zur Kranken- und Unfallversicherung für Frauen, speziell Wöchnerinnen
  • Ar SGG A 62 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Chirurgische Tuberkulose
  • Ar SGG A 107 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: Revision des Eidgenössischen Krankenversicherungsgesetzes
  • Ar SGG A 109 A Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft: [Spezialfragen]: Verbesserungen der Existenzbedingungen des Krankenpflegepersonals

Sachdokumentation

  • KS 176/9 Geschlechtskrankheiten
  • KS 362/1+2 Krankenpflege
  • KS 362/3+4 Spitalwesen: Spitäler, Krankenhäuser, Kliniken
  • KS 368/68 Kranken- & Unfallversicherungen: Allg. & international
  • KS 368/69 Krankenversicherungen: Deutschland
  • KS 368/71 Kranken- & Unfallversicherungen: Grossbritannien, USA
  • KS 368/72 Kranken- & Unfallversicherungen: weitere Länder
  • KS 368/74 Krankenversicherungen: Schweiz
  • KS 368/76-89 Kranken- & Unfallversicherungen: Schweiz
  • KS 610/1 Medizin: Allg.; Kritik an der Medizin; Medizingeschichte
  • KS 610/2 Medizin; Öffentliches Gesundheitswesen; Sozialhygiene: Allg. & international
  • KS 610/3 Medizin; Öffentliches Gesundheitswesen; Sozialhygiene: Deutschland
  • KS 610/4 Medizin; Öffentliches Gesundheitswesen; Sozialhygiene: Grossbritannien, USA
  • KS 610/5+6 Medizin; Öffentliches Gesundheitswesen; Sozialhygiene: Schweiz
  • KS 610/8 Medizin: Ärzte /-innen: Schweiz
  • KS 610/10 Ärzte /-innen; Apotheken; Arzneimittel: Ausland
  • KS 610/12 Präventivmedizin & Gesundheitserziehung; Erste Hilfe
  • KS 610/13+14 Alternative Medizin; Naturheilkunde
  • KS 610/27 Krebs
  • KS 610/28 Medizin: Krankheiten
  • KS 610/29 Ansteckende Krankheiten; Seuchenbekämpfung: Allg.
  • KS 610/30 Ansteckende Krankheiten; Seuchenbekämpfung: Cholera
  • KS 610/31 Ansteckende Krankheiten; Seuchenbekämpfung: Pocken
  • KS 610/32 Ansteckende Krankheiten; Seuchenbekämpfung: Grippe; Diphterie; Kinderlähmung; Typhus
  • KS 610/33 Tuberkulose: International & Ausland
  • KS 610/34+35 Tuberkulose: Schweiz: Allg.
  • KS 610/36 Tuberkulose-Kommission der Stadt Zürich
  • KS 610/37 Tuberkulose: Schweiz: Verschiedene Vereinigungen
  • KS 610/38 Tuberkulose: Schweiz: Sanatorien; Walderholungsstätten
  • KS 610/39+40 Tuberkulosebekämpfung: Schweiz: Gesetzgebung
  • QS 61.1 Krankenkassen, Krankenversicherungen
  • QS 64.0 Medizin
  • QS 64.0 *8 Medizin: Krankheiten
  • QS 64.0 *72 Krebs
  • QS 64.0 *73 Aids
  • QS 64.0 Z Weltgesundheitsorganisation (WHO)
  • QS 64.7 Krankenpflege; Spitex, Hauspflege
  • QS 64.7 *M Medizinische Berufe (ausser Ärzte /-innen & Pflegeberufe)
  • QS 64.8 Spitalwesen: Spitäler, Krankenhäuser, Kliniken
  • QS 64.9 Gesundheitspolitik; Öffentliches Gesundheitswesen
  • ZA 61.1 Krankenkassen, Krankenversicherungen
  • ZA 64.0 *1 Medizin; medizinische Forschung: Allg.
  • ZA 64.0 *2 Medizin: Ärzte /-innen
  • ZA 64.0 *3 Alternative Medizin; Naturheilkunde
  • ZA 64.0 *7 Präventivmedizin & Gesundheitserziehung
  • ZA 64.0 *21 Ärztestreiks
  • ZA 64.0 *22 Ärztemangel; Ärzteüberschuss
  • ZA 64.0 *23 Ärztliches Versagen
  • ZA 64.0 *24 Arztgeheimnis; Patientenrechte und Schutz der Patienten /-innen
  • ZA 64.0 *71 Tuberkulose
  • ZA 64.0 *72 Krebs
  • ZA 64.0 *73 Aids
  • ZA 64.0 *74 Infektionskrankheiten, Seuchen, Epidemien bei Menschen
  • ZA 64.0 *75 Geschlechtskrankheiten
  • ZA 64.0 Z Weltgesundheitsorganisation (WHO)
  • ZA 64.5 *2 Rauchen: medizinische Folgen
  • ZA 64.7 *1 Krankenpflege: Allg.
  • ZA 64.7 *11 Spitex, Hauspflege
  • ZA 64.8 *1 Kliniken: Spitäler der Stadt Zürich
  • ZA 64.8 *2 Kliniken: Spitäler des Kantons Zürich
  • ZA 64.8 *3 Kliniken: Spitäler der übrigen Kantone
  • ZA 64.8 *4 Kliniken, Spitäler: Privatkliniken
  • ZA 64.8 *5 Kliniken, Spitäler: Polikliniken
  • ZA 64.8 *7 Spitalkostenentwicklung; Spitalfinanzierung
  • ZA 64.9 *1 Gesundheitspolitik; Öffentlicher Gesundheitsdienst: Schweiz
  • ZA 64.9 *71 Gesundheitspolitik; Öffentlicher Gesundheitsdienst: Grossbritannie
  • ZA 64.9 *72 Gesundheitspolitik; Öffentlicher Gesundheitsdienst: Bundesrepublik Deutschland
  • ZA 64.9 *73 Gesundheitspolitik; Öffentlicher Gesundheitsdienst: übriges Europa
  • ZA 64.9 *74 Gesundheitspolitik; Öffentlicher Gesundheitsdienst: ausserhalb Europas
  • DS 191 Akademien der Wissenschaften: Schweiz Gesundheit und globaler Wandel in einer vernetzten Welt
  • DS 315 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS): Liberalisierungen sind keine Lösung für die dringlichen Fragen im Gesundheitsbereich
  • DS 536 Economiesuisse: So wird die Spitalfinanzierung ein Vollerfolg
  • DS 550 Schweizerzeit: Jährlich Zehntausende Gratispatienten mehr
  • DS 615 Komitee 2x Nein zur Spitalprivatisierung: 7 gute Gründe für ein Nein zur Spitalprivatisierung am 21. Mai 2017
  • DS 626 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS): Teurer Wettbewerb – Für ein starkes öffentliches Gesundheitswesen
  • DS 913 FDP.Die Liberalen: Qualitätswettbewerb für eine gesunde Schweiz
  • DS 988 SGB-Frauenkommission: Yes we care! Faire Arbeitsbedingungen und Zugang für alle
  • DS 1075 Lilienberg Unternehmerforum: Weg zu einer transparenteren Medizin
  • DS 1127 Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz (CVP): Kampf den hohen Gesundheitskosten!
  • DS 1268 Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz (CVP) : Initiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen»
  • DS 1421 Economiesuisse: Wirtschaft bringt Gesundheit
  • DS 1428 BMJ Open: Effects of health and social care spending constraints on mortality in England: a time trend analysis
  • DS 1596 Bundesamt für Gesundheit (BAG): Hochbetagte Menschen mit Mehrfacherkrankungen – Typische Fallbeispiele aus der geriatrischen Praxis
  • DS 1753 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): Gesundheit muss für alle bezahlbar sein
  • DS 1790 Greenpeace Schweiz: Klimawandelbedingte Zunahme von Hitzeereignissen und deren Folgen für die Gesundheit in der Schweiz und in Europa
  • DS 1792 Greenpeace Schweiz: Factsheet: Gesundheit und Klima
  • DS 1864 FDP.Die Liberalen: Neuer Schwung für das Schweizer Gesundheitswesen
  • DS 2475 Grüne Partei der Schweiz (GPS): Covid-19 – Forderungen der Grünen
  • DS 2478 Avenir Suisse: Wirtschaftspolitische Antworten auf die Corona-Krise
  • DS 2479 Solinetz: Dringend: Menschen aus den Rückkehrzentren wegen Corona-Virus in dezentralen Unterkünften unterbringen
  • DS 2481 Avenir Suisse: Volkswirtschaftliche Auswirkungen eines umfassenden Shutdown
  • DS 2482 Schweizerische JungsozialistInnen (JUSO): Liebe Nachbar*innen
  • DS 2483 Liberales Institut: Perspektiven zur Pandemie und der Weltwirtschaft
  • DS 2484 Grüne Partei der Schweiz (GPS): COVID-19: Grüne Sozial- und Gesundheitspolitik
  • DS 2487 Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH): COVID-19: Dringliche Massnahmen im Asylbereich
  • DS 2488 Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel: Sans-Papiers haben Rechte – auch in der Krise!
  • DS 2489 Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS): Empfehlungen zur Sozialhilfe während Epidemie-Massnahmen
  • DS 2491 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB): Corona-Virus: Antworten auf Fragen zu Arbeitsrecht/Kurzarbeit
  • DS 2492 Universität Zürich, Department of Economics: Coronavirus – Testen und Einfrieren: Eine Überlebensstrategie für die Schweizer Volkswirtschaft
  • DS 2493 SP Frauen*: Kinderbetreuung in Zeiten von Corona
  • DS 2494 Avenir Suisse: Mehr Freiheiten für die Unternehmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie
  • DS 2495 Plattform «Zivilgesellschaft in Asyl-Bundeszentren»: Offener dringlicher Brief: Umsetzung der BAG-Empfehlungen im Asylwesen$
  • DS 2496 Solinetz: Minimale Selbständigkeit bei der Versorgung mit dem Grundbedarf ermöglichen; Nothilfegeld wieder auszahlen; Internetzugang ermöglichen
  • DS 2497 Lilienberg Unternehmerforum: Von Viren, Lunten, Pulverfässern und Flächenfeuern
  • DS 2498 Schweizerische Volkspartei (SVP): Schutz der Bevölkerung unter Minimierung der wirtschaftlichen Schäden: Strategie für die Schweiz nach dem 19. April 2020
  • DS 2499 Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH): Argumentarium der SFH zu Grenzschliessungen und Asylgesuchen an der Grenze
  • DS 2500 Liberales Institut: Warum die Globalisierung die Gefahren einer Pandemie reduziert
  • DS 2501 Liberales Institut: Freie Märkte als beste Resilienz-Strategie
  • DS 2502 Starke Volksschule Zürich Newsletter vom 29.3.2020
  • DS 2503 Schweizerzeit: Abstand halten – vor falschen Freunden
  • DS 2504 AvenirSocial: Corona – alles anders und alle solidarisch? Die Sicht der Sozialen Arbeit
  • DS 2506 Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften/Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin: Covid-19-Pandemie: Triage von intensivmedizinischen Behandlungen bei Ressourcenknappheit
  • DS 2507 Schweizerzeit: 1. April im Bundesamt für Gesundheit
  • DS 2508 Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD): Spitalpersonal: Offener Brief an den Bundesrat
  • DS 2509 Amnesty International et al.: Joint civil society statement: States use of digital surveillance technologies to fight pandemic must respect human rights
  • DS 2512 Bundesamt für Gesundheit (BAG) Neues Coronavirus – So schützen wir uns
  • DS 2513 Grüne Partei der Schweiz (GPS): Kein Sonderstatus für den Flugverkehr!
  • DS 2514 Grüne Partei der Schweiz (GPS): COVID-19: Schweizer Landwirtschaft – Massnahmen-Plan von Meret Schneider, Nationalrätin ZH
  • DS 2515 Schweizerische Volkspartei (SVP): Die verfassungsmässige Ordnung ist wiederherzustellen und weitere finanzielle Verpflichtungen sind vom Parlament zu beschliessen
  • DS 2516 Grüne Partei der Schweiz (GPS): Grounding: Kein Abheben ohne neue Spielregeln. Klima und Menschen first!
  • DS 2517 AGILE.CH: Corona-Pandemie – Die Rechte der Menschen mit Behinderungen gelten auch in Krisenzeiten
  • DS 2519 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS): Coronavirus-Pandemie: Drei-Pfeiler-Strategie zur Bewältigung der Krise
  • DS 2520 Schweizerzeit: Die Stunde der Klassenkämpfer
  • DS 2521 Starke Volksschule Zürich: Newsletter vom 12.4.2020
  • DS 2522 Liberales Institut: Gibt es eine Alternative zum Staatsversagen in einer Pandemie?
  • DS 2523 Liberales Institut: Gesundheit oder Wirtschaft: Der ethische Konflikt, der keiner ist
  • DS 2524 Avenir Suisse: Fahrplan für den Corona-Exit
  • DS 2525 Grüne Partei der Schweiz (GPS): Bericht zu einem Impuls- und Resilienzprogramm nach der COVID-19-Krise
  • DS 2526 FDP.Die Liberalen: Mit Kraft aus der Krise
  • DS 2527 Sucht Schweiz: Covid-19-Pandemie und illegale Drogen: Lagebeurteilung, Szenarien und Empfehlungen
  • DS 2528 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS): Solidarisch gegen die Krise
  • DS 2529 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) Solidarisch gegen die Krise
  • DS 2530 Schweizerzeit: Die Stunde der Geldverteiler
  • DS 2531 AvenirSocial, ATD Vierte Welt et al.: Die Krise trifft armutsbetroffene Menschen doppelt: Jetzt und langfristig gemeinsam handeln!
  • DS 2533 Junge Grüne Schweiz: Offener Brief an den Bundesrat – Wohnen

Bibliothek

  • Altendorfer, Laura-Maria: Influencer in der digitalen Gesundheitskommunikation: Instagramer, YouTuber und Co. zwischen Qualität, Ethik und Professionalisierung. Baden-Baden 2019, erwartet
  • Arbenz, Martha: Tuberkulose und Wohnverhältnisse in der Stadt Bern: Erhebungen bei offentuberkulösen Patienten der Fürsorgestelle. Zürich 1945, Hg 1017
  • Beigbeder, Yves: The World Health Organization: Achievements and failures. London 2018, 138351
  • Bergdolt, Klaus: Der Schwarze Tod in Europa: Die Grosse Pest und das Ende des Mittelalters. München 1994, 96991
  • Bergdolt, Klaus: Die Pest und die Juden: Mythen, Fakten, Topoi, in: Aschkenas 29 (2019). S. 43-62, D 5391
  • Caduff, Carlo: The pandemic perhaps: Dramatic events in a public culture of danger. Oakland 2015, 132352
  • Condrau, Flurin: Soziale Ungleichheit vor der Cholera und ihre Wahrnehmung durch Zürichs Ärzteschaft (1850–1870), in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 12 (1993). S. 75-99, D 5367
  • Condrau, Flurin: Cholera und sozialer Wandel: Die Schweiz als Beispiel, in: Vögele, Jörg (Hg.): Stadt, Krankheit und Tod: Geschichte der städtischen Gesundheitsverhältnisse während der epidemiologischen Transition (vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert). Berlin. 2000. S. 189-208, 107448
  • Davis, Mike: Vogelgrippe: Zur gesellschaftlichen Produktion von Epidemien. Berlin 2005, 115146
  • Evans, Richard J.: Death in Hamburg: Society and politics in the cholera years 1830–1910. Oxford 1987, 86490
  • Gerste, Ronald D.: Wie Krankheiten Geschichte machen: Von der Antike bis heute. Stuttgart 2019, 142208
  • Gestrich, Andreas et al. (Hg.): Poverty and sickness in modern Europe: Narratives of the sick poor, 1780–1938. London 2012, 127923
  • Hähner-Rombach, Sylvelyn (Hg.): Alltag in der Krankenpflege: Geschichte und Gegenwart. Stuttgart 2009, 121789
  • Hatje, Frank: Leben und Sterben im Zeitalter der Pest: Basel im 15. bis 17. Jahrhundert. Basel 1992, 94259
  • Hitzer, Bettina: Krebs fühlen: Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 2020, erwartet
  • Honigsbaum, Mark: A history of the great influenza pandemics: Death, panic and hysteria, 1830–1920. London 2014, 130232
  • Jacobsen, Jens: Schatten des Todes: Die Geschichte der Seuchen. Darmstadt 2012, 127522
  • Johnson, Niall: Britain and the 1918–19 influenza pandemic: A dark epilogue. London 2006, 118168
  • Kaufmann, Andréa: Luft zum Leben: Die Geschichte der Lungenliga Zürich. Zürich 2008, Gr 12134
  • Kury, Patrick: Das Virus der Unsicherheit: Die Jahrhundertgrippe von 1918/19 und der Landesstreik, in: Roman Rossfeld/Christian Koller/Brigitte Studer (Hg.): Der Landesstreik: Die Schweiz im November 1918. Baden 2018. S. 390-411, Gr 14667
  • Letsch, Walter R.: Die Pestepidemie oder das „grosse Sterbend“ von 1611, in: Zürcher Taschenbuch N.F. 133 (2013). S. 77-92, N 347
  • Letsch, Walter R.: Die Pest in Zürich im 16. Jahrhundert, in: Zürcher Taschenbuch N.F. 136 (2016). S. 99-122, D 6171
  • Leven, Karl-Heinz: Geschichte der Medizin: Von der Antike bis zur Gegenwart. München 2017, 138753
  • Lüthi, Daniel: Begegnungen mit dem Gesundheitswesen: 32 Porträts in Text und Bild. 2 Bde. Basel 2013-2016, 128743
  • Meier, Mischa (Hg.): Pest: Die Geschichte eines Menschheitstraumas. Stuttgart 2005, 115352
  • Minder, Veronika: Seuche und Gesellschaft: Drei Beispiele: Eine Betrachtung über den Umgang des Menschen mit Pest, Tuberkulose, Aids. Basel 1988, Gr 6788
  • Mörgeli, Christoph: Wenn der Tod umgeht: Die Grippeepidemie von 1918 forderte mehr Opfer als der Erste Weltkrieg: In der Schweiz lähmte sie das öffentliche Leben und beschwor eine politische Krise herauf, in: NZZ Folio 11 (1995). S. 31-39, D 4639
  • Oggier, Willy (Hg.): Gesundheitswesen Schweiz 2015–2017: Eine aktuelle Übersicht. Bern 2015, 132880
  • Ohne Dings kein Bums: 20 Jahre Aids-Arbeit in der Schweiz. Hg. Bundesamt für Gesundheit, Aids-Hilfe Schweiz, Schweizerisches Landesmuseum. Baden 2005, Gr 11520
  • Reichert, Martin: Die Kapsel: Aids in der Bundesrepublik. Berlin 2018, erwartet
  • Ruckstuhl, Brigitte und Elisabeth Ryter: Von der Seuchenpolizei zu Public Health: Öffentliche Gesundheit in der Schweiz seit 1750. Zürich 2017, Gr 14321
  • Rusterholz, Armin: „Das Sterben will nicht enden!“ Die „Spanische Grippe-Epidemie“ 1918/19 in der Schweizer Armee mit besonderer Berücksichtigung der Glarner Militäropfer. Glarus 2010, 123904
  • Salfellner, Harald: Die Spanische Grippe: Eine Geschichte der Pandemie von 1918. Haselbach 2018, 141366
  • Sarasin, Philipp et al. (Hg.): Bakteriologie und Moderne: Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870–1920. Frankfurt/M 2007, 117423
  • Schmid, Friedrich: Die Influenza in der Schweiz in den Jahren 1889–1894. Bern 1895, Gr 6395
  • Schmid, Friedrich: Gesundheitswesen / Hygiène publique. 2 Bde. Bern 1898-1906, A 2591/V8
  • Schürer, Christian: Der Traum von Heilung: Eine Geschichte der Höhenkur zur Behandlung der Lungentuberkulose. Baden 2017, 136052
  • Seibt, Constantin (Hg.): Positiv: Aids in der Schweiz. Basel 2018, 138378
  • Spinney, Laura: 1918 – die Welt im Fieber: Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte. München 2018, 138130
  • Tscherrig, Andreas: Krankenbesuche verboten! Die Spanische Grippe 1918/19 und die kantonalen Sanitätsbehörden in Basel-Landschaft und Basel-Stadt. Liestal 2016, 136846
  • Die Tuberkulose-Bekämpfung in der Schweiz: Der IV. Konferenz der Internationalen Vereinigung gegen die Tuberkulose, versammelt in Lausanne vom 5.-7. Aug. 1924, dargeboten von der Schweizerischen Vereinigung gegen die Tuberkulose. Lausanne 1924, 77980
  • Tümmers, Henning: AIDS: Autopsie einer Bedrohung im geteilten Deutschland. Göttingen 2017, 138345
  • Vasold, Manfred: Die Spanische Grippe: Die Seuche und der Erste Weltkrieg. Darmstadt 2009, 121867
  • Vögele, Jörg et al. (Hg.): Epidemien und Pandemien in historischer Perspektive. Wiesbaden 2016, erwartet
  • Widmer, Werner: Einführung in das Gesundheitswesen der Schweiz: Für Gesundheits- und Sozialberufe. Zürich 2016, Gr 14339
  • Witte, Wilfried: Tollkirschen und Quarantäne: Die Geschichte der spanischen Grippe. Berlin 2009, 120309
  • Zimmer, Thomas: Welt ohne Krankheit: Geschichte der internationalen Gesundheitspolitik 1940–1970. Göttingen 2017, 137318
  • Zürcher, Daniel: Privatarchivbestände zur Sozialgeschichte von HIV / Aids in der Schweiz. Basel 2015, Gr 13664

Periodika

  • AIDS-Forschung Schweiz, N 4396
  • AIDS Infothek: Das Magazin der AIDS Info Docu Schweiz, D 4513
  • Bulletin Bundesamt für Gesundheit, N 4291
  • Gegen die Tuberkulose / Blätter gegen die Tuberkulose / Tuberkulose und Lungenkrankheiten, N 157
  • Jahresbericht AIDS-Hilfe Schweiz, K 874
  • Jahresbericht Zürcher AIDS-Hilfe, K 933
  • Jahresbericht Zürcher Kantonale Liga gegen die Tuberkulose und Lungenkrankheiten, K 287

Mit Aug und Ohr

Audiovisuelle Quellen aus den ersten zehn Tagen der Zürcher Jugendbewegung 1980

Am 30. Mai jährt sich zum 40. Mal der Opernhauskrawall in Zürich. Das Ereignis markiert in der öffentlichen Wahrnehmung den Beginn der Jugendbewegung der 1980er Jahre, in deren Verlauf in verschiedenen Schweizer Städten unzufriedene Jugendliche auf der Strasse lautstark autonome Räume und eine andere Kulturpolitik verlangten. Das Sozialarchiv verfügt zu diesen Ereignissen über umfangreiches Material (siehe auch SozialarchivInfo 1/2020, «Vor 40 Jahren: Züri brännt»). Mit der unlängst erfolgten Übernahme des Archivs des Videoladens Zürich kommen zu den bereits reichen audiovisuellen Beständen zur 80er Bewegung weitere interessante Zeugnisse hinzu.

30./31. Mai 1980, Opernhaus-Krawall

Vor dem Opernhaus Zürich fordern Jugendliche eine angemessene Berücksichtigung der alternativen Kultur. Aus der anfänglich friedlichen Demonstration entwickelt sich ein Krawall bis tief in die Nacht. Die Projektgruppe «Community Media» des an der Universität Zürich lehrenden Ethnologen Heinz Nigg hält die Ereignisse in einem Video («Opernhaus Krawall») fest. Es zeigt einen Teil der Auseinandersetzungen, u.a. wie die Polizei aus dem Opernhaus heraus in das Geschehen eingreift. Die Folgen für den Videomacher Heinz Nigg sind einschneidend: Der damalige kantonale Erziehungsdirektor Alfred Gilgen entzieht ihm die Lehrbewilligung, die Originalbänder werden konfisziert.

Dank der Tonspur wird man Zeuge, wie ein zufällig anwesender Reporter des Schweizer Fernsehens sich bei den Videomachern erkundigt, ob Ausschnitte des Videos für einen Beitrag des Nachrichtenmagazins «Blickpunkt» verwendet werden könnten. Während das Fernsehen hauptsächlich noch mit 16mm-Film drehte, setzten die Jugendlichen auf das damals noch ziemlich junge Medium Video, denn es hatte ein paar unschlagbare Vorteile: Es war in der Anschaffung billiger, in der Handhabung einfacher und konnte gleich nach der Aufnahme gesichtet werden. Diese Unmittelbarkeit sollte sich für die Jugendbewegung in Zukunft als wertvolles Mittel der zeitnahen Selbstvergewisserung und Propaganda erweisen.

Schon am Tag darauf kommt es am gleichen Ort wieder zu einer Demonstration. Das Transparent «Wir sind die Kulturleichen der Stadt», das schon am Abend zuvor im Einsatz war, wird erneut mitgetragen. Der Slogan bringt das Gefühl vieler Jugendlicher auf den Punkt: Stadtbehörden und Politik hatten es trotz jahrelanger Forderungen nicht einmal fertiggebracht, mit den Jugendlichen irgendeine Form des Austauschs zu suchen.

1. Juni 1980, Vollversammlung im Festzelt vor dem Opernhaus

Am 1. Juni besetzen die Demonstrierenden das Informationszelt vor dem Opernhaus und halten dort eine Vollversammlung ab. Die über zwei Stunden dauernde Veranstaltung wurde mitgeschnitten und ist als Audioaufnahme greifbar. Die Vollversammlung formuliert einen Forderungskatalog an die Stadt, der unter anderem die Freigabe der Roten Fabrik als Kulturzentrum für die Jugendlichen verlangt. Ausserdem wird ein Ultimatum an die Stadtregierung verabschiedet, dass die Liegenschaft an der Limmatstrasse 18 als «Autonomes Jugendzentrum» zur Verfügung gestellt werden müsse. Das Zelt ist bis auf den letzten Platz besetzt, neben Jugendlichen sind auch PolitikerInnen und Medienschaffende anwesend.

4. Juni 1980, Vollversammlung im Volkshaus

Am 4. Juni findet im Volkshaus eine weitere Vollversammlung statt. Die Videoaufnahmen zeigen überwiegend die Bühne mit dem Mikrofon und den mit einem karierten Tischtuch bedeckten Rednertisch, an dem im Lauf des Abends auch Stadtpräsident Sigmund Widmer und Stadträtin Emilie Lieberherr Platz nehmen. Es kommt zum ersten Mal zu einem öffentlichen Dialog zwischen den Bewegten und BehördenvertreterInnen. Lieberherr und Widmer nehmen Stellung zu den Forderungen der Jugendlichen. Dass sie auf einer zahlenmässig kleinen Verhandlungsdelegation der Jugendlichen bestehen, löst energische Pfeifkonzerte aus. Die Unstimmigkeit über die Vorgehensweise ist nur eines von vielen Missverständnissen an diesem Abend und zeigt, dass die Positionsbezüge auf beiden Seiten bereits unverrückbar sind. Die Stadt ist nur bereit, Zugeständnisse zu machen, wenn die Jugendlichen eine Reihe von Bedingungen einhalten; die Jugendlichen ihrerseits beharren auf ihren eigenen Spielregeln und zeigen sich kompromisslos.

7. Juni 1980, Vollversammlung auf dem Platzspitz

Die Vollversammlung auf dem Platzspitz am 7. Juni beschäftigt sich mit dem Angebot der Stadt für die Nutzung der Liegenschaft an der Limmatstrasse, dem späteren AJZ. Das Ritual, dass jedeR sich am offenen Mikrofon aussprechen darf, hat sich mittlerweile eingespielt. Alle Beschlüsse über das weitere Vorgehen werden aufgrund von Vorschlägen gefasst, über die dann im Plenum abgestimmt wird. Diese Vollversammlung beschliesst, die Liegenschaft an der Limmatstrasse zu besichtigen und danach in der Roten Fabrik weiter zu diskutieren. Unterwegs gelingt es dem Videoladen-Kollektiv, einige originelle Stimmen von PassantInnen zu den Unruhen einzufangen.

9. Juni 1980, Kundgebung an der Uni Zürich und NZZ-Demo

Nur zwei Tage später kommt es nach friedlichem Demonstrationsbeginn zur nächsten Eskalation. An der Uni Zürich fordern die Jugendlichen den sofortigen Rücktritt von Regierungsrat Gilgen. Nach einem Demonstrationszug durch die Stadt versuchen die Bewegten, die Auslieferung der NZZ zu verhindern. Ein massiver Polizeieinsatz setzt dem Vorhaben ein Ende. Die am späten Abend entstandenen Videoaufnahmen beim Bellevue und an der Falkenstrasse zeigen auch die Grenzen der damaligen Videotechnik: Die Aufnahmen sind unterbelichtet, helle Lichtquellen sorgten für anhaltende Schlieren im bewegten Bild. Dieser Effekt wurde schnell auch der Polizei bekannt, die mit absichtlichem Blenden die VideoaktivistInnen an Aufnahmen zu hindern suchte.

Einmalige Zeugnisse einer aufregenden Zeit

In jeder Umbruchzeit überschlagen sich zu Beginn die Ereignisse. In Zürich fanden in der ersten Zeit nach dem 30. Mai 1980 fast täglich Demonstrationen mit hohem Eskalationspotenzial statt. Mit der Vollversammlung erfand sich ein Gremium mit einer langwierigen basisdemokratischen Entscheidungsfindung. In den ersten zehn Tagen tagte die Vollversammlung vier Mal. Unter dem Eindruck der gewalttätigen Ereignisse der Strasse änderten die Behörden ihre Taktik und suchten den direkten Dialog mit den Jugendlichen. Forderungskataloge entstanden und Ultimaten wurden gestellt, die mit Bedingungskaskaden beantwortet wurden.

Über diese Vorgänge in den ersten zehn Tagen der Zürcher Jugendbewegung ist dank vielfältiger Bemühungen eine Fülle an audiovisuellem Material erhalten geblieben. Es gibt einen authentischen Einblick in Verhaltens- und Redeweisen und evoziert Stimmungen und Emotionen, die über die Erkenntnisse hinausgehen können, welche aus schriftlichen Quellen zu gewinnen sind. Aus archivarischer Sicht sind die Fotos, Video- und Tonaufnahmen ein Glücksfall, denn es gibt wohl wenige sozialgeschichtliche Ereignisse in der jüngeren Schweizer Geschichte, die audiovisuell so umfassend dokumentiert sind.

Traditionelle schriftliche Quellen, die von Jugendbewegten selber verfasst worden wären, existieren hingegen kaum. Es gibt keine Sitzungs- oder Versammlungsprotokolle, auch korrespondiert wurde kaum. Umso phantasievoller gerieten die Erzeugnisse, die eine Gegenöffentlichkeit zur offiziellen Presse- und Medienlandschaft herstellen wollten: Flugblätter, Bewegungszeitungen, Piratenradios sowie Sprayereien im öffentlichen Raum zeugen von der kreativen Energie, mit der die damaligen Jugendlichen zu einem utopischen Wagnis aufgebrochen sind, das nunmehr ein historisches Ereignis geworden ist. Die Video- und Tonaufnahmen erlauben der Nachwelt einen unmittelbaren Zugang zu dieser aufregenden Zeit.

Audiovisuelle Quellen zu den Zürcher Jugendunruhen online:

Das Filmarchiv von Pro Juventute (SozArch F 9073)

Die Bearbeitung des Pro-Juventute-Archivs steht kurz vor dem Abschluss. Neu sind auch die Filme in der Datenbank Bild + Ton online abrufbar.

Die dreissig Filme aus dem Zeitraum zwischen 1923 und 1987 stellen einen ausgesprochen attraktiven Bestand dar. Thematisch dominieren wenig überraschend die Kernaufgaben der Pro Juventute, die sich im Lauf der Zeit veränderten: In den 1930er bis 1950er Jahren stehen Mütterberatung und Säuglingspflege im Zentrum verschiedener Filme. «La famiglia felice» (1939) stellt das Angebot der Pro Juventute für Mütter und ihre Kleinkinder vor. «Die glückliche Familie» (1956) thematisiert die Rolle beider Elternteile für eine gelingende Kindererziehung und wendet sich scharf gegen eine Erwerbstätigkeit der Frau. Nach dem Zweiten Weltkrieg fokussieren die Filme auf den hohen Stellenwert von Musik und guter Lektüre während Kindheit und Jugend («Ein Freund fürs Leben», 1960). In den 1950er bis 1970er Jahren nimmt sich die Pro Juventute der Spielplatz- und Freizeitgestaltung an – in Zürich entstehen erste Robinson-Spielplätze («Eine Insel für Robinson», 1956), der Kinderzirkus Robinson probt ab 1961. In den 1980er Jahren schliesslich warten neue Herausforderungen: Der aufwändige Film «Sucht und Drogen» entsteht 1987. Von filmhistorischem Interesse dürfte der bereits sehr früh von der Praesens Film AG produzierte kurze Imagefilm über die Pro Juventute und den Briefmarkenverkauf sein («Praesens zeigt: Pro Juventute», 1923). Ergänzend zum eigenen Filmbestand der Pro Juventute bietet sich das Archiv der Schweizer Filmwochenschau an. Die Pro Juventute und ihre Tätigkeiten waren zwischen 1940 und 1974 immer wieder Thema der Beiträge.

So reichhaltig der Bestand im Bereich der Jugendthemen ist, weist er doch einen blinden Fleck auf: Das Hilfswerk «Kinder der Landstrasse» (1926-1973) kommt im Filmarchiv der Pro Juventute überhaupt nicht vor, es wird auch namentlich nirgends erwähnt. «Kinder der Landstrasse» sah seinen Auftrag darin, Kinder von nicht-sesshaften Familien in der Schweiz fremd zu platzieren. Hunderte von Familien wurden so mit Unterstützung der Behörden auseinandergerissen. Berücksichtigt man den Umstand, dass die Pro Juventute für ihre sonstigen Tätigkeiten fast immer eine filmische Dokumentation produzierte, ist die Absenz dieses Hilfswerks zumindest bemerkenswert.

Radio Riesbach (F 1030)

In den frühen 1980er Jahren herrschte Aufbruchstimmung unter den Radiofans: Neue rechtliche Grundlagen ermöglichten den Betrieb von privaten Radiostationen. 1984 startete mit Radio Riesbach ein spezielles Experiment: Das schweizweit einzige Quartierradio ging auf Sendung. Der Schnauf der Radio-EnthusiastInnen aus dem Zürcher Quartier am See reichte für sieben Jahre. Ein Teil der Sendungen wurde glücklicherweise erhalten und konnte nun digitalisiert werden.

Der Unmut über die offizielle Rundfunkpolitik der Schweiz mit ihren Monopolsendern wuchs in den 1970er Jahren. Spätestens seit Roger Schawinskis Radio 24 aus italienischem Staatsgebiet heraus die Schweiz beschallte, war er nicht mehr überhörbar. Der Bundesrat reagierte im Sommer 1982 mit einer neuen Rundfunkverordnung, die es privaten Trägerschaften ermöglichte, legale Radiostationen in der Schweiz zu betreiben. Aus der Flut von Konzessionsgesuchen wählte man schliesslich 36 Eingaben aus. Zur grossen Überraschung gehörte auch Radio Riesbach dazu: Als Quartierradio konzipiert, gehörte es zu den bescheidensten Gesuchen mit einem kleinen Einzugsgebiet, das lediglich 30’000 potenzielle HörerInnen umfasste.

Das Konzessionsgesuch der InitiantInnen formulierte zwei Ziele: Zum einen sollte mit den Sendungen die Kommunikation und die kulturelle Eigenproduktion im Quartier gefördert werden. Zum anderen wollte man gesellschaftliche Aktivitäten im Quartier begleiten, über sie informieren und damit das Quartierleben einer breiten Öffentlichkeit näherbringen. Die aktive Beteiligung der BewohnerInnen am Radiobetrieb war ausdrücklich erwünscht. Radio Riesbach setzte auf die aktive Teilhabe interessierter QuartierbewohnerInnen und wollte insbesondere die Interaktion zwischen den Generationen sowie zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen ankurbeln.

Am 1. April 1984 nahm Radio Riesbach den Betrieb auf. Am Sonntagmittag sowie am Montag- und Donnerstagabend sendete das Team aus dem Studio im gleichnamigen Quartierzentrum. Es dominierten Sendegefässe wie das Quartier-Journal oder das Quartier-Mosaik mit kürzeren oder längeren Beiträgen über das Leben in Riesbach und mit Veranstaltungshinweisen. In den 1980er/90er Jahren entfaltete sich im Quartier eine rege Bautätigkeit, welche die soziale Zusammensetzung veränderte und viel günstigen Wohnraum vernichtete. Die Folgen dieser Gentrifizierung waren immer wieder Thema im Radio Riesbach. Am Mikrofon äusserten sich nicht nur PolitikerInnen dazu, sondern auch zivilgesellschaftliche Gruppierungen wie der Verein Inneres Seefeld, die den Entwicklungen kritisch gegenüberstanden. Wiederholt berichtete das Radio auch über soziale Probleme im Quartier wie Drogensucht oder die Auffangstation Tiefenbrunnen. Mehr dem Alltäglichen zugewandt waren die Sendungen zu Themen wie Gärtnern, Kompostieren, Abfallbewirtschaftung und Ernährung.

Der Betrieb von Radio Riesbach basierte auf unbezahlter Freiwilligenarbeit. Organisatorisch sorgten die verschiedene Kompetenzgruppen (Redaktion, Themensuche, Technik) dafür, dass die wöchentlichen Sendungen zustande kamen. Wie bei vergleichbaren Projekten auch spielte die Selbstreflexion und das Werweissen über den einzuschlagenden Weg auch bei Radio Riesbach eine wichtige Rolle. Die bange Frage, ob sich all die Arbeit lohne und ob man überhaupt gehört werde, versuchten die Verantwortlichen mit einer telefonischen Umfrage im Quartier zu beantworten. Und schon 1988 befasste sich eine Diplomarbeit des Geographischen Instituts der Uni Zürich mit dem Thema «Ziel und Wirkung eines Quartierradios am Beispiel von Radio Riesbach». Eine treue Hörerin war übrigens die Staatsschutzabteilung der Stadtpolizei Zürich, die das Radio in den ersten vier Jahren seines Bestehens observierte. Im Archivbestand ist ein Sendungsprotokoll eines Beamten vorhanden, das in seiner Akribie durchaus mit den Erschliessungsstandards des Sozialarchivs konkurrenzieren kann.

Als Trägerschaft fungierte ein Verein, der auf dem Höhepunkt 1985 immerhin 181 Mitglieder zählte. Der anfängliche Enthusiasmus begann aber bald zu erlahmen und nach rund fünf Jahren sank die Mitgliederzahl auf 119. Es zeichnete sich ab, dass ein kontinuierlicher Betrieb immer schwieriger zu organisieren war. Im März 1991 schliesslich stellte das Radio den Betrieb ein, weil die Aktiven keine NachfolgerInnen mehr fanden. Die letzte Sendung ging am 24. März 1991 über den Äther. Im Gemeinschaftszentrum Riesbach fanden sich für die Abschlussfeier und die Live-Sendung nochmals viele RadiomacherInnen und HörerInnen ein.

In den sieben Betriebsjahren entstanden 709 Sendungen. Davon hat Liz Mennel, eine der InitiatorInnen, 144 Sendungen bzw. fast 200 Sendestunden aufgenommen. Vergleicht man die Sendungen mit anderen privaten Radioprojekten, fällt – neben der wohltuenden Absenz von Werbung – der hohe Wortanteil auf. Hintergrundrecherchen, Interviews und Reportagen zeugen von einem grossen Vorbereitungsaufwand. Der Bestand dürfte insbesondere für die Erkundung der Pionierzeit des privaten Radios in der Schweiz interessant sein und für eine noch zu schreibende Mikrogeschichte des Kulturlebens in einem Quartier.

Dank einer Finanzierungsbeihilfe von Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturgutes der Schweiz, konnte der Bestand digitalisiert werden und ist nun online zugänglich.

Quellen:

Ar 598.10.1: Die Radio-Riesbach-Story. Die Geschichte des einzigen Quartierradios der Schweiz, aufgezeichnet von seinen Macherinnen und Machern. Verein Radio Riesbach, Zürich 1992.
Ar 598.10.3a: Brigitta Walser Zalunardo: Radio Riesbach. Ziel und Wirkung eines Quartierradios am Beispiel von Radio Riesbach. Geographisches Institut, Zürich 1988.

Sonos – Schweizerischer Hörbehindertenverband (F 5153)

Der Schweizerische Hörbehindertenverband Sonos wurde 1911 von Eugen Sutermeister als «Schweizerischer Fürsorgeverein für Taubstumme» gegründet. Ein Jahr später wurde der Verein Träger der 1907 ebenfalls von Sutermeister gegründeten «Schweizerischen Taubstummenzeitung». 1933 schloss sich der Verein mit der «Schweizerischen Vereinigung für Bildung taubstummer und schwerhöriger Kinder» zum «Schweizerischen Verband für Taubstummenhilfe» zusammen. Im Jahr 1954 übernahm der Verband die Trägerschaft der Berufsfachschule für Lernende mit Hör- und Kommunikationsbehinderung (BSFH) in Zürich-Oerlikon. In den Jahren 1960 und 1978 folgten weitere Umbenennungen des Verbandes zu «Schweizerischer Verband für Taubstummen- und Gehörlosenhilfe» bzw. «Schweizerischer Verband für das Gehörlosenwesen», bis im Jahr 2002 der Namenswechsel zu «Sonos» stattfand – dannzumal allerdings noch mit dem Namenszusatz «Schweizerischer Verband für Gehörlosen- und Hörgeschädigten-Organisationen». Im November 2017 übernahm Sonos die Plattform «hearZONE», eine Firma von Menschen mit einer Hörbehinderung, die seit 2013 Sensibilisierungskampagnen und Öffentlichkeitsarbeit im Interesse von Menschen mit einer Hörbehinderung leistet. Mit der Übernahme folgten wichtige Änderungen im Dachverband und seit dem Beschluss der ausserordentlichen Delegiertenversammlung im Januar 2018 heisst der Verband «Sonos – Schweizerischer Hörbehindertenverband».

Dem Dachverband Sonos gehören heute 43 Mitgliederorganisationen an; er setzt sich dafür ein, Barrieren für Hörbeeinträchtigte und Gehörlose abzubauen. Ferner bietet Sonos Unterstützung bei der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung von Menschen mit Hörbeeinträchtigung, koordiniert berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung und sorgt zusammen mit Partnern für die Sicherstellung des bedürfnisgerechten Dolmetscherdienstes.

Der Bildbestand von Sonos ist grösstenteils Eugen Sutermeister zu verdanken, welcher bei den meisten Aufnahmen selbst hinter der Kamera stand. Sutermeister wurde am 16. November 1862 in Küsnacht am Zürichsee geboren. Mit vier Jahren erkrankte er an einer schweren Hirnhautentzündung, deretwegen er sein Gehör verlor. Auf Wunsch seines Vaters absolvierte Sutermeister eine Lehre als Graveur mit anschliessender Gesellenzeit an verschiedenen Orten. Die Unzufriedenheit mit seinem Beruf stürzte Sutermeister in eine Krise. Seine Eltern schickten ihn daraufhin in verschiedene Gehörlosenanstalten und -heime. Bei einem Kuraufenthalt in Bad Boll lernte Sutermeister seine spätere Ehefrau Susanna Bieri kennen. 1894 kehrte Eugen Sutermeister in die Schweiz nach Bern zurück, wo er eine Stelle als Gehilfe in einer Buchhandlung antrat. Zwei Jahre später, im Oktober 1896, heirateten Susanna Bieri und Eugen Sutermeister. Kurze Zeit arbeitete er bei der Eidgenössischen Landestopographie als Kupferstecher. Aus gesundheitlichen Gründen musste er die Anstellung wieder aufgeben und wagte danach den Schritt in die Selbstständigkeit. Er eröffnete in Aarau einen kleinen Verlag, in dem er zunächst mehrere Zeitschriften für Hörende herausgab. Schliesslich erschien mit «Lieder eines Taubstummen» seine erste eigene Publikation, auf welche noch zwei weitere Liederbändchen folgten. Ausserdem wirkte Sutermeister ab 1903 als kantonaler Taubstummenprediger von Bern.

Eugen Sutermeister schwebte schon seit Längerem die Herausgabe einer eigenen Taubstummenzeitung für die Schweiz vor, welche den Kontakt zwischen den oftmals weit verstreut lebenden Gehörlosen und deren Weiterbildung fördern sollte. Auf eigenes Risiko gab Sutermeister schliesslich am 1. Januar 1907 die erste Nummer der «Schweizerischen Taubstummenzeitung» heraus. Er blieb bis zu seinem Tod Redaktor der Zeitung, die später «Gehörlosenzeitung» hiess.

Bei seiner Tätigkeit als bernischer Taubstummenprediger und -fürsorger stiess Sutermeister jedoch zunehmend an seine Grenzen. Deshalb veröffentlichte er 1910 eine Broschüre mit dem Titel «Fürsorge für erwachsene Taubstumme in der Schweiz – Denkschrift und Aufruf an das Schweizervolk». Das Echo auf die Publikation war derart positiv, dass sich im März 1911 ein Initiativ-Komitee bildete, dem unter anderem ein Bundesrat, National- und Ständeräte, Ärzte und Pfarrer angehörten. Aus dieser Initiative entstand am 2. Mai 1911 der «Schweizerische Fürsorgeverein für Taubstumme». Eugen Sutermeister wurde als Zentralsekretär und Susanna Sutermeister als Aktuarin gewählt.

Im Rahmen seiner vielseitigen Tätigkeiten im Gehörlosenwesen sammelte Eugen Sutermeister bereits ab 1896 diverses Bild- und Schriftmaterial und brachte dieses in seiner privaten Bibliothek unter. Er pflegte Kontakte im In- und Ausland und besuchte Landesbibliotheken und Staatsarchive, um Dokumente einzusehen und diese teilweise von Hand abzuschreiben. Er besichtigte Schulen und Heime für Gehörlose und machte fotografische Aufnahmen von den Institutionen und Einzelpersonen. Im Jahr 1929 veröffentlichte Eugen Sutermeister mit dem zweibändigen Titel «Quellenbuch zur Geschichte des Schweizerischen Taubstummenwesens: ein Nachschlagebuch für Taubstummenerzieher und Freunde» sein Lebenswerk. Auf rund 1’440 Seiten mit 400 Bildern legte er dar, was er in seiner bisherigen Tätigkeit recherchiert, zusammengetragen oder selbst geschrieben hatte. Neben dem Quellenbuch publizierte Sutermeister weitere Schriften, führte Briefwechsel mit Behörden, Fachleuten und Gehörlosen und wurde regelmässig an Tagungen und Kongresse als Referent eingeladen.

Am 8. Juni 1931 starb Eugen Sutermeister an den Folgen einer Herzschwäche in Bern. Susanna Sutermeister starb vier Jahre später. Sie unterstütze zeitlebens ihren Ehemann bei seiner Arbeit, indem sie ihn unter anderem auf Reisen ins In- und Ausland begleitete und als Vermittlerin und Beraterin für Gehörlose wirkte.

Der Bildbestand des Schweizerischen Hörbehindertenverbands Sonos im Sozialarchiv umfasst rund 460 Glasdias, von denen etwa ein Drittel auch als Papierabzüge vorhanden ist. Einen Grossteil des Bestandes machen sechs Fotoalben aus, welche von Sutermeister persönlich angelegt wurden und mehrheitlich Abzüge der Glasdias beinhalten. Ein Fotoalbum mit dem Titel «Die Schweizerischen Taubstummen-Anstalten und -Heime in Wort und Bild» erstellte Sutermeister für die Landesausstellung 1914. Das Album wurde an der Landesausstellung für die BesucherInnen zur Ansicht ausgelegt und zeigte Aufnahmen von damaligen Gehörlosenanstalten und -heimen in der Schweiz sowie von Gottesdiensten und Kongressen der Gehörlosen. Die weiteren fünf Alben entstanden zu einem späteren Zeitpunkt. Sutermeister porträtierte in ihnen detailliert das Gehörlosenwesen von der Jahrhundertwende bis in die 1920er Jahre im In- und Ausland. Neben den Gehörloseninstitutionen und deren BewohnerInnen sind oftmals die zahlreichen «Taubstummenbünde und -vereine» während ihrer Aktivitäten oder die unterschiedlichen Berufsbilder von Gehörlosen abgebildet. Einige der Aufnahmen finden sich auch im 1929 erschienenen Lebenswerk von Sutermeister, dem «Quellenbuch zur Geschichte des Schweizerischen Taubstummenwesens», wieder. Ausserdem sind einige private Aufnahmen von Eugen und Susanna Sutermeister vorhanden, welche das Paar beispielsweise daheim mit Gästen oder in den Wanderferien zeigen.

Neben diesen Fotos aus der Vor- und Frühzeit des Verbandes sind noch Aufnahmen aus den 1980er und 1990er Jahren vorhanden, die vermutlich für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet wurden. Sie zeigen verschiedene Alltagssituationen von Gehörlosen, beispielsweise einen Arztbesuch oder ein Bewerbungsgespräch. Ausserdem sind rund 40 Objekte aus der Frühzeit der Verbandstätigkeit vorhanden, wobei es sich grösstenteils um Karten, Foto- oder Lauttafeln handelt.

Quellen:

findmittel.ch/archive/archNeu/Ar621.html
hoerbehindert.ch/ueber-uns/
100 Jahre sonos… im Einsatz für Gehörlose und Schwerhörige! 1911 bis 2011. Festschrift. Sonos, Zürich 2011, S. 9-16. Gr 12733

Drogenkonsum in Zürich – mit den Augen von Gertrud Vogler

«Platzspitz» – der Begriff löst visuelle Reminiszenzen unterschiedlichster Art aus. Die einen sehen die grosszügige, gepflegte Anlage hinter dem Landesmuseum in Zürich vor dem inneren Auge, bei anderen dominieren die Schreckensbilder aus der Zeit der offenen Drogenszene. Für viele, zumindest für viele ältere Personen, werden sich beide Bildwelten überlagern und vermischen. Es bleibt ein Staunen, und zwar sowohl darüber, wie es einst hatte soweit kommen können, als auch über den Umstand, dass heute vor Ort vom Schrecken jener Zeit überhaupt nichts mehr zeugt.
Die Jahre zwischen 1986 und 1995 werden ordnungs- und drogenpolitisch allgemein als verheerendes Jahrzehnt wahrgenommen. Der Konsum illegaler Substanzen fand in Zürich (und anderen grossen Schweizer Städten) unter den Augen der Öffentlichkeit und in einem Ausmass statt, der zuerst lähmte und dann zur überstürzten und wenig weitsichtigen Räumungsaktion führte. In Zürich spielten sich der offene Drogenhandel und auch der Konsum zwischen 1986 und 1992 im Platzspitz ab, nach der Räumung im Februar 1992 dann zwischenzeitlich in den umliegenden Quartierstrassen und -höfen und schliesslich auf dem Areal des stillgelegten Bahnhofs Letten. Im Februar 1995 räumte die Polizei auch diesen Ort.
Die Erinnerung an diese Jahre ist wie bei allen intensiven Erlebnissen sinnlich geprägt. Die blauen Lichter in Hauseingängen und Toiletten, die den Süchtigen das Finden der Venen verunmöglichen sollten. Der unerträgliche Gestank nach Exkrementen, Erbrochenem und Blut in dunklen Ecken. Die Bilder der Verelendung jener Menschen, die das Pech hatten, ohne Obdach auf dem Platzspitz, dem Letten oder «auf der Gasse» leben zu müssen. Die Medien sorgten in jener Zeit mit ihrer dichten Berichterstattung dafür, dass krasse Motive Alltagsgut wurden: Der Süchtige, der im vernarbtem Arm nach einer Einstichstelle sucht. Die junge Frau, die sich, notdürftig geschminkt, prostituiert, um sich den nächsten Schuss zu finanzieren. Die Polizei, die einen Kleindealer stellt und ihn nötigt, alle Säcke zu leeren.
Die Motivvarianz der Bilder ist erstaunlich schmal. Gerade deshalb prägten aber Fotos die Wahrnehmung der Öffentlichkeit umso eindeutiger: Auf dem Platzspitz (und später auf dem Letten) manifestierte sich eine grauenerregende Unterwelt, die es so eigentlich gar nicht geben durfte, die aber offenbar doch genug faszinierend war, dass sie in den Printmedien und in der Fernsehberichterstattung permanent visuell wiedergekäut wurde. Dabei darf man nicht vergessen, dass die betroffenen Gebiete damals für Medienschaffende nicht einfach zugänglich waren. FotografInnen und Kameraleuten schlugen Ablehnung, Verweigerung oder Aggression entgegen. Die Arbeit, die sie dort verrichteten, war oft nur gegen Bezahlung oder im Schutz der Polizei möglich. Viele Agenturbilder entstanden deshalb mit dem Teleobjektiv aus sicherer Distanz oder aus der Vogelperspektive. Besonders gut für diese Zoo- oder Safariperspektive eignete sich dafür die Kornhausbrücke, die über den Bahnhof Letten führt.

Kosmos Platzspitz und Lila Bus

Ein wesentlich differenzierteres Bild dieses Jahrzehnts ergibt sich bei der Beschäftigung mit den Aufnahmen der Zürcher Fotografin Gertrud Vogler (1936-2018). Sie hat noch zu Lebzeiten ihr fotografisches Werk – es umfasst rund eine Viertelmillion Negative – dem Sozialarchiv vermacht. Allein aus der Platzspitz- und Letten-Periode sind rund 10’000 Negative vorhanden. Die allermeisten Bilder sind aus eigenem Interesse und abseits journalistischer Verwertbarkeitsüberlegungen entstanden. Zahlreiche Bilder erschienen aber auch im Rahmen der Berichterstattung der WoZ, wo sie als Bildredaktorin angestellt war und die Themen Drogenkonsum und Drogenpolitik mit ihrer Kamera begleitete. Was aber genau hat Vogler auf Film gebannt? Und unterscheidet sich ihr Blick vom fotografischen Mainstream?
Gertrud Voglers Bilder vom Platzspitz zeigen Drogenkonsumierende beim Vorbereiten ihrer Spritzen, PolizistInnen bei Razzien, freiwillige HelferInnen beim Kochen, medizinisches Personal bei der Abgabe von sterilen Injektionsutensilien oder bei der Betreuung von Drogenkonsumierenden, Putzequipen bei der Reinigung der Parkanlage und vieles mehr. Regelmässig machte sie Aufnahmen von den sogenannten Filterlifixern. Die über Monate und Jahre entstandenen Bildserien zeigen die überaus harten Lebensumstände dieser schwächsten Gruppe auf dem Platzspitz und illustrieren zugleich beispielhaft den Leerlauf einer auf Repression ausgerichteten Drogenpolitik. Die Filterlifixer standen oder sassen meist beim Rondell hinter aus Brettern, Kisten und SBB-Gepäckwagen zusammengebauten Tischen. Darauf boten sie den Drogenkonsumierenden saubere Spritzen, Löffel, Ascorbin-Säure, Tupfer, Wasser und Feuerzeug an. Im Gegenzug erhielten sie die Zigarettenfilter, durch die die Süchtigen das unreine Heroin in die Spritzen aufgezogen hatten. 5 bis 15 solcher Filter, die erst ausgekocht werden mussten, ergaben einen Kick. In einem Artikel der WoZ vom 28.4.1989 bezeichnete Gertrud Vogler die Infrastruktur der Filterlifixer als «Selbsthilfe» und «Überlebenshilfe». «Liebevoll und zweckmässig» seien die Filterlitische errichtet worden. An ihnen werde geredet und gestritten, würden Probleme geteilt und Neuigkeiten ausgetauscht. Umso stossender empfand sie die unter Polizeischutz erfolgten Räumungen und Vertreibungen. Zahlreiche Bildserien der Jahre 1989 und 1991 zeigen Angestellte des Gartenbaumamtes und einer Reinigungsfirma, die unter Polizeischutz mit einem Wasserschlauch das Rondell und den davorliegenden Platz abspritzen, während sich die Süchtigen mit ihren Brettern, SBB-Gepäckwagen und weiteren Habseligkeiten davon machen, nur um kurze Zeit später an gleicher Stelle erneut ihre Tische aufzustellen.
Die Behörden rechtfertigten die repressive Drogenpolitik und den mit ihr einhergehenden Sisyphos-Aktionismus mit der vielzitierten «Sogwirkung», die um jeden Preis möglichst minimiert werden sollte. Um die Attraktivität des Platzspitzes für weitere Drogenkonsumierende zu verringern, wurde den Filterlifixern das Leben noch schwerer gemacht. Aber auch Hilfsangebote von Freiwilligen oder die Arbeit von GassenarbeiterInnen litten unter Polizeieinsätzen und Razzien. Für Gertrud Vogler waren solche Massnahmen nichts Anderes als kalte Verwaltungsakte, ähnlich der Errichtung unmenschlicher Notunterkünfte (von ihr als «Notschlafbunker» bezeichnet), die – im Untergrund erstellt – die Segregation von Süchtigen und übriger Bevölkerung förderten, an den Bedürfnissen der Drogenabhängigen aber weitgehend vorbeizielten.
Gegen dauernde Polizeipräsenz und Repression auf dem Platzspitz setzte sich auch die Zürcher Arbeitsgemeinschaft für Jugendprobleme ZAGJP ein. Der gemeinnützige Verein wurde bereits 1971 gegründet und leistete einen unverzichtbaren Beitrag zur Lösung der drängenden Jugendprobleme. Gertrud Vogler fotografierte über mehrere Jahre die Gassenküche auf der Kronenwiese, die Gassenstation zur schwarzen Krähe an der Hörnlistrasse und die Auffangstation Tiefenbrunnen. Aussen- und Innenansichten der Gebäude wechseln sich ab und gewähren Einblicke in die Lebenswelt der BesucherInnen. Auf dem Platzspitz begleitete sie ab 1985 die ZAGJP-Projektgruppe «Parklüüt». Die «Parklüüt» verrichteten zwischen 1985 und 1990 einfache Gartenarbeiten und putzten im Auftrag des Gartenbaumtes die Parkanlage. Leuten aus der Drogenszene wurde so die Möglichkeit einer niederschwelligen Erwerbsmöglichkeit gegeben. Zudem sollte ein Beitrag zur Sauberkeit geleistet werden, ohne die «gestressten DrogenkonsumentInnen» zusätzlich zu belästigen. Ein weiteres Projekt der ZAGJP war der Kiosk an der Walchebrücke. Die Gründe für die Errichtung eines Kioskes beschrieb die ZAGJP im August 1986 so: Der Platzspitz sei heute «ein Aufenthaltsort von verschiedenen Randgruppen-Szenen». Durch Kontrollen der Polizei werde eine «negative Stimmung» verbreitet, so dass «Gruppierungen, die nicht der Drogenszene angehören, den Park immer mehr meiden». Um zu verhindern, dass die «Gassenszene isoliert und gesellschaftlich abgeschottet» werde, sei es nötig, eine «positive Veränderung gegen die repressive Stimmung zu erwirken». Der freistehende Kiosk beim Parkeingang sollte von «gassenfreundlichen Leuten und Gassenleuten» zusammen betrieben werden. Die Eröffnungsveranstaltung am 6.9.1986 wurde mit Querflöte und Fagott musikalisch begleitet. Die an diesem Anlass porträtierten MitarbeiterInnen strahlen allesamt eine grosse Ungezwungenheit aus und zeugen von einer Vertrautheit mit der Fotografin. Bemerkenswert ist auch der von Gertrud Vogler am Eröffnungstag fotografierte NZZ-Aushang «Zürcher Drogenpolitik – Verbot der Spritzenabgabe aufgehoben», der Bezug nimmt auf das 1985 erlassene Spritzenabgabeverbot und somit auf eines der kontroversesten drogenpolitischen Ereignisse der 1980er Jahre. Zwischen 1986 und 1992 schuf Gertrud Vogler eine Reihe von Bildern des «letzten Kiosks vor der Autobahn», den Mitarbeitenden und den diesen Ort frequentierenden Menschen. Neben Zeitungen, Zeitschriften und dem üblichen Kiosksortiment gehörten Sitzgelegenheiten, Bartische und eine Infovitrine zur Ausstattung. Die Vitrine wurde insbesondere genutzt, um auf die Gefahren von Aids, die Möglichkeit einer kostenlosen Gelbsuchtimpfung und auf weitere nützliche Informationen für Drogenkonsumierende aufmerksam zu machen. Der Kiosk war täglich tagsüber geöffnet und prägte die Situation beim Landesmuseum und Eingang zum Platzspitz auf seine ganz besondere Weise.
Zivilgesellschaftliches Engagement war auch der Auslöser für die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Platzspitz. Nachdem die «Arbeitsgemeinschaft Weihnachten 88 am Platzspitz» ein Zelt mit Festbetrieb errichtet hatte, gründete sich Ende Januar 1989 die ARGE Platzspitz. Der heterogen zusammengesetzte Verein umfasste Einzelpersonen verschiedenen Alters, unterschiedlicher sozialer Herkunft und politischer Vorstellungen. «Was uns eint, ist unser Anliegen, für die Drogenabhängigen humanere Bedingungen zu schaffen auf politischer, medizinscher und menschlicher Ebene», heisst es im ersten Jahresbericht von 1989. Der Zweck der Arbeitsgemeinschaft bestand darin, auf dem Platzspitz präsent zu sein, um das «Ghetto» zu durchbrechen und der polizeilichen Repression entgegenzuwirken. Ferner förderte der Verein in der Öffentlichkeit das Verständnis für die Betroffenen und setzte sich für eine Entkriminalisierung der Drogenabhängigen ein. Gertrud Vogler begleitete die Arbeit der freiwilligen HelferInnen. Sie dokumentierte in eindrücklichen Bildern die Zeltaktion, das Aufstellen eines Baugespannes für einen Pavillon und den Transport einer mobilen Baubaracke, die von einer Baufirma mit einem Lastwagen im Auftrag der ARGE Platzspitz in den Park gebracht und bereits zweieinhalb Stunden nach der illegalen Errichtung unter Polizeischutz wieder entfernt wurde. Weitere Bildserien behandeln die Teegruppe und die Kochgruppe, die ab 1989 mit Kochutensilien und später mit einem Holzwagen täglich an die hundert warme Mahlzeiten zubereitete, mit den Süchtigen ins Gespräch zu kommen und sie allenfalls zur Mitarbeit beim Kochen zu motivieren versuchte.
Frauenspezifische und -gerechte Suchtarbeit fand in Zürich mit dem im Seefeld platzierten Lila Bus erstmals 1989 einen Ort. Als Teil der städtischen Kontakt- und Anlaufstellen wandte sich die Pioniereinrichtung an Frauen, die sich ihren Drogenkonsum mit Prostitution finanzierten. In der Folge entstanden durch das beharrliche Engagement zahlreicher Frauen und insbesondere ihrer umfangreichen Vernetzungsarbeit weitere Angebote, auch in anderen Regionen der Schweiz. Im Lila Bus konnten sich die Drogenkonsumentinnen ausruhen, einen Rechtsdienst in Anspruch nehmen oder ärztliche Betreuung erhalten. Es gab die Möglichkeit auf Verpflegung und natürlich auf unterstützende Gespräche mit den Mitarbeiterinnen. Im Innern der Sozialeinrichtung hing ein Ordner, der mit «Schwarze Liste Freier» beschriftet war und vor skrupellosen Freiern warnte. Personal und Benützerinnen erlaubten Gertrud Vogler, den Innenraum dieses intimen und geschützten Ortes zu fotografieren. Gleiches gilt für das Atelier Purpur der ZAGIP. Auch hier dokumentierte sie den Alltag von Frauen, die – um ihre Sucht zu finanzieren – keinen anderen Weg als den Gang in die Prostitution sahen. Im geschützten Raum des Ateliers fanden sie Geborgenheit, aber auch Zeit für einen stressfreien Drogenkonsum, konnten sich künstlerisch betätigen oder ihren Ängsten auf Plakaten Ausdruck verleihen.

Der andere Blick

Gertrud Vogler erfasste durch ihre intensive fotografische Arbeit den Alltag verschiedener Personengruppen. Sie fotografierte herumliegende Spritzenverpackungen, Graffiti, Transparente, Infotafeln, Infozettel, Hausordnungen und ein an die Wand geheftetes Gedicht über die Heroinsucht. Kontinuierlich entstanden Aufnahmen in Notschlafstellen, medizinischen Einrichtungen und an Manifestationen, Veranstaltungen und Demonstrationen gegen die Drogenpolitik. Von grosser Bedeutung sind zudem Bilder, die nach der Schliessung des Platzspitzes entstanden sind. Hierbei standen neben der Situation am Bahnhof Letten vorab der Kreis 5 und seine Bevölkerung im Mittelpunkt ihres Interesses. Und ein besonderes Augenmerk richtete Gertrud Vogler auf Gitterabsperrungen, die während Jahren die visuelle Wahrnehmung der Zürcher Innenstadt prägten.
Der Fotografin gelang es, die Vielschichtigkeit von Drogenpolitik, Drogenkonsum und Drogensucht in unzähligen Nuancen bildlich einzufangen. Dank Empathie mit den Süchtigen, langjährigen persönlichen Bekanntschaften und einem Zugang jenseits jeder Sensationslust erweiterte und diversifizierte sie das landläufige Bild des Drogensüchtigen und nahm Partei, ohne vereinnahmend zu wirken. Als aufmerksame Augenzeugin und Chronistin setzte sie sich für eine humanere Drogenpolitik und vor allem für die Würde der von der Sucht Betroffenen ein. 1990 veröffentlichte Gertrud Vogler zusammen mit Chris Bänziger «Nur saubergekämmt sind wir frei»: Bänziger schrieb aus der Innensicht eines Junkies, Vogler steuerte den Bildteil bei. Das Gemeinschaftswerk wurde zu einem Erfolg, 1991 erschien bereits die dritte Auflage.
Gertrud Vogler hat dem Sozialarchiv keine Auflagen gemacht im Umgang mit ihren Fotos. Einzige Ausnahme: Nie sollte eines ihrer Fotos für Werbezwecke verwendet werden. Im Fall der Platzspitz- und Letten-Aufnahmen haben wir uns bei der Selektion für eine Publikation auf der Datenbank Bild + Ton für folgendes Vorgehen entschieden: Grundsätzlich von einer Veröffentlichung ausgeschlossen bleiben aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes Aufnahmen, bei denen die Abgebildeten eindeutig identifizierbar sind. Wir sind damit bewusst rigider als Gertrud Vogler es beispielsweise bei ihrer Buchpublikation war – sie kannte die Fotografierten und konnte vor einer Veröffentlichung deren Einwilligung einholen. Die anderen Negative haben den üblichen archivischen Bewertungsprozess durchlaufen: Motivwiederholungen, nicht metadatierbare sowie technisch nicht gelungene Fotos wurden nicht in die Datenbank Bild + Ton aufgenommen. Online sind nun über 3’000 Fotos aus dem Zeitraum 1985-1995 zugänglich, die mit der Suchtproblematik, dem Platzspitz oder dem Letten zu tun haben. Es bleibt zu hoffen, dass sie unser Bild jenes Jahrzehnts ergänzen und in visuellem Sinn bereichern.

Stefan Länzlinger / Alexander Lekkas
(Alexander Lekkas wirkte 2017/18 als Mitarbeiter des Sozialarchivs an der Erschliessung der Fotos von Gertrud Vogler mit; er arbeitet als Archivar bei Schneider History AG.)

SozArch F 5107-Na-22-088-005 (Ausschnitt)
SozArch F 5107-Na-22-088-005 (Ausschnitt)

Frauenstreik – gestern und heute

Nebst der laufend sich erweiternden Sammlung zum Frauenstreik vom 14. Juni 2019 in der Sachdokumentation stellt das Sozialarchiv auch zwei Dossiers mit digitalisierten Flugschriften zum Frauenstreik vom 14. Juni 1991 zum Download zur Verfügung:
Teil 1 (PDF, 12 MB)
Teil 2 (PDF, 15 MB).

Zudem stehen rechtzeitig zum diesjährigen Frauenstreik auch die Fotos von Gertrud Vogler zum Frauenstreik 1991 online bereit (Suche nach «Vogler Frauenstreik»).

Across the Universe zum Walgesang

Das Audioarchiv des WWF

Die letzten Nachzügler sind im audiovisuellen Bestand des WWF integriert. Es handelt sich vor allem um Tonträger aus den 1970er und 1980er Jahren.

Der WWF versteht es bekanntlich meisterlich, seine Anliegen einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Das Logo mit dem Pandabären gehört zu den weltweit bekanntesten Brands. Die intensive Öffentlichkeitsarbeit mit Sammelaktionen, eigenen Zeitschriften, Kinowerbung, Briefmarken etc. spricht vor allem Kinder und Jugendliche an. Bis vor wenigen Jahren existierten in der Schweiz in mehreren Städten Panda-Boutiquen, die Plüschtiere, Kleider und Gadgets mit dem Panda-Logo verkauften. Etwas weniger bekannt und massenwirksam waren die Bemühungen des WWF, akustisch auf sich aufmerksam zu machen. Immerhin gelang es aber bis in die 1980er Jahre immer wieder, mehr oder weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler an Bord zu holen, die sich mit ihren Tonträgern in den Dienst des WWF stellten.

Bereits 1969 erschien die LP „No one’s gonna change our world“. Angestossen hatte das Projekt der britische Komiker Spike Milligan. Die LP vereinigt Songs von bekannten Bands wie den Hollies, den Bee Gees oder Cliff Richard. Besonders aufsehenerregend war, dass es Milligan gelungen war, einen bislang unveröffentlichten Song der Beatles als Opener zu präsentieren. Die Lennon-Komposition „Across the Universe“ sollte im Jahr darauf in einer etwas süsslichen Version auf dem letzten Beatles-Album „Let it be“ erneut erscheinen. Der für den US-amerikanischen und europäischen Markt konzipierte Sampler steht am Anfang einer neuen Ära von Benefizanlässen und Charity-Plattenveröffentlichungen. Allgemein gilt das von George Harrison initiierte Concert for Bangla Desh (1971 im Madison Square Garden in New York) als Auftakt für eine Reihe von ähnlichen Veranstaltungen, bei denen sich Musikstars auf die Bühne stellen, um den Hunger in Afrika oder AIDS zu bekämpfen.

Auch der WWF Schweiz sprang – in bescheidenem Ausmass – auf diesen Zug auf. 1970 veröffentlichten die Minstrels eine Single namens „Dodo“, und zwar auf dem neuen, WWF-eigenen Label Panda-Records. Die Minstrels waren die Shooting Stars der Schweizer Pop- und Folkszene, die 1969 mit „Grüezi wohl, Frau Stirnimaa“ ihren ersten und grössten Hit hatten. Die Jazzfreunde bediente der WWF Schweiz mit drei Tonträgern von Roland Fisch’s Wild Life Jazz Band. Zwischen 1970 und 1975 erschienen die drei Platten „Listen to the Tigers“ (Panda Records), „Swinging Dixieland Evergreens“ (Tell Records) und „Roland Fisch’s Wild Life Jazz Band plays for the World Wild Life Found“ (Panda Records). Als Support für die WWF-Kampagne „Das Meer muss leben“ veröffentliche der Bündner Liedermacher Walter Lietha 1977 die Single „Delphin“. Und 1979 nahm der ex-Sauterelles Toni Vescoli die fortschrittskritische Single „s’chunt immer druf aa“ auf. Damit war das Popmusik-aktive Jahrzehnt des WWF aber auch schon wieder vorbei, diesen Schluss legt zumindest die aktuelle Archivsituation nahe. Als Ausklang erschienen 1983 noch der Schlager „Lasst die Tiere Tiere sein“ der mässig populären Sängerin Bea Abrecht und 1986 die LP „Special Session für WWF“ einer Formation namens d’Wöschbrätt Band.

Inhaltlich geben die wenigsten Beiträge etwas her. Wer griffige Parolen, kluge Reflexionen oder eine substanzielle Auseinandersetzung mit ökologischen Themen der 1970er Jahre sucht, wird enttäuscht. Beim Sampler „No one’s gonna change our world“ reichten offenbar Titelreizworte wie „Universe“, „Tiger“ oder „Wings“, damit das Stück berücksichtigt wurde. Die Minstrels setzen sich immerhin mit dem Thema von aussterbenden Tierarten auseinander. Mit dem titelgebenden „Dodo“ fokussieren sie allerdings auf ein Tier, das bereits im 17. Jahrhundert ausgestorben war, und kleiden das Ganze in einen munteren Folksong. Die B-Seite („That Hippo Feeling“) ist ein Instrumental. Die Musik des Jazzers Roland Fisch (mit Unterstützung der Sängerin Sonja Salvis) ist ohne jeden Bezug zu Ökologie; Fisch will nach eigenen Aussagen mit seinen Werken nicht Jazzgeschichte schreiben, sondern „erhalten – durch unterhalten“. Dafür warten die Linernotes mit einem ideellen Bekenntnis auf: „Die Wild Life Jazz Band sind die akustischen Mitstreiter des WWF.“ Umweltschutz sei das Gebot der Stunde, der Einsatz für aussterbende Tierarten dringend nötig. Die Band unternahm sogar eine Tour in Afrika, bei der auch die Unterweisung lokaler Machthaber nicht zu kurz kam: „Auf einer Ostafrika-Tournee erläuterten die weissen Musiker mit den schwarzen Rhythmen Staatspräsident Kenyatta und den Eingeborenen der Tierreservate, was die Erhaltung der natürlichen Umwelt und der Tiere wert ist.“

Walter Liethas Loblied auf die Delphine war perfekt auf die Kampagne „Das Meer muss leben“ abgestimmt. Die Meeressäuger sind „guet und gschied“ und haben gar eine eigene Sprache, um unter Wasser zu kommunizieren. Merkwürdigerweise erschien die Single nicht bei Panda Records, sondern beim Label des Trio Eugster. Toni Vescolis „s’chunt immer druf aa“ vermittelt noch am ehesten die zeitgenössische Öko-Moral: Die Umwelt kann nur genesen, die Tiere nur überleben, wenn alle ihr Verhalten ändern.

Eine der letzten akustischen Veröffentlichungen des WWF Schweiz gelangte 1987 auf den Markt. Kurz vor der Lancierung der Zweitauflage der Kampagne „Das Meer muss leben“ entstand die Kassette „Der Gesang der Wale“. Ursprünglich als Prämie für die Neuanwerbung von Mitgliedern gedacht, konnte die Kassette während der Kampagne im Herbst 1987 auch käuflich erworben werden, als der WWF (wie bereits 1977) wieder zu Ausstellungszwecken mit einem präparierten Finnwal durch die Lande zog. Die Kassette vereint Aufnahmen von Buckelwalen, Pottwalen und Delphinen. Der WWF versuchte damit an den kommerziellen Erfolg anderer Walgesangskonserven anzuknüpfen. Vorbild war insbesondere die LP „Songs of the Humpback Whales“, mit der dem US-amerikanischen Zoologen Roger Payne 1970 ein Bestseller gelungen war: Innert kurzer Zeit wurden über 100‘000 Tonträger verkauft. 2010 wurde die LP sogar ins National Recording Registry der Library of Congress aufgenommen. Die Faszination für die akustischen Äusserungen von Walen und Delphinen riss auch nach Paynes Grosserfolg nicht ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. Paynes Aufnahmen waren eine Sensation, weil man erst seit wenigen Jahren überhaupt Kenntnis von diesen Lauten hatte. Die Walstimmen konnten isoliert aufgenommen werden, es gab keine anderen störenden Laute. Daraus entstanden tatsächlich liedähnliche Strukturen mit einem gewissen Wohlklang, der auch den tiefen Tonfrequenzen geschuldet ist. In den 1970er Jahren lancierte der WWF mehrere grosse Kampagnen zum Schutz von Tierarten, die vom Aussterben bedroht waren. Die Wale standen im Zentrum der Kampagne „Rettet die Meere“ (1977). Im Zuge dieser Aktion wurden neue biologische Erkenntnisse popularisiert: Die grossen Meeressäuger erhielten das Image von klugen, in matriarchalen Familienverbänden lebenden Tieren. Mit ihren Lautäusserungen waren sie ganz offensichtlich fähig, untereinander zu kommunizieren. Ihre Friedfertigkeit zeigte sich auch darin, dass sich die meisten Wale ausschliesslich von Krill ernährten. Früher gebräuchliche Zuschreibungen wie „Killerwal“ für diejenigen Wale, die sich nicht an diesen Speiseplan hielten, wurden mit einem Bann belegt. Akustischer Ausdruck all dieser positiven Attribute war der Walgesang. Dass seine Entzifferung nicht bis in Detail möglich war, tat der Faszination keinen Abbruch, sondern verlieh dem Phänomen noch eine zusätzliche, geheimnisvolle Aura. Der Walgesang gehört bis heute zu den wenigen tierischen Stimmen, die ausschliesslich positiv konnotiert sind.

Der kurze Einblick ins Tonarchiv des WWF Schweiz zeigt, dass populäre Musik offenbar nur bedingt geeignet ist, tierschützerische Anliegen zu transportieren. Was bis heute von den Anstrengungen des WWF auf dem Gebiet bekannt ist, deutet nicht darauf hin, dass man dem Medium (im Gegensatz zu anderen audiovisuellen Propagandamitteln) allzu grosses Entwicklungspotenzial zugestanden hätte. Das eigene Label Panda Records wurde offenbar in den 1980er Jahren wieder eingestellt.

> Das Tonarchiv des WWF Schweiz ist online: https://www.bild-video-ton.ch/bestand/signatur/F_1023

Digitalisiert wurden alle Eigen- oder Fremdproduktionen im Auftrag des WWF Schweiz. Auf die Digitalisierung von Eigenproduktionen wurde in den wenigen Fällen verzichtet, wo die Tonträger in den Findmitteln der Fonoteca Nazionale nachgewiesen sind.

Anspieltipps:
> Der Gesang der Wale
> Toni Vescoli: S’chunt immer druf aa