Bücher
Dank ihrer Spezialisierung weist die Monografien-Sammlung des Schweizerischen Sozialarchivs seit den 1880er Jahren bis heute einen dichten und – für die jüngste Entwicklung – fast lückenlosen Bestand zu sozialen Ereignissen, Zuständen, Ideen und Bewegungen in der Schweiz auf.
Die soziale Frage
Im Aufbau des Buchbestandes spiegelt sich der Wandel der sozialen Frage seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Standen zunächst soziale Probleme im wirtschaftlich-sozialen Bereich wie Arbeiterschutz, Fabrikgesetz oder Sozialversicherungen im Zentrum der Aufmerksamkeit, verlagerten sich die sozialen Fragen später in neue Bereiche. Beispielhaft genannt seien der Generationenkonflikt, Frauen-, Jugend- und Familienfragen, das Verhältnis der Ersten zur Dritten Welt oder die Umwelt- und Fortschrittsproblematik. In jüngster Zeit wird die soziale Frage insbesondere im Kontext der Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit, Migration oder der sozialen Ungleichheit thematisiert. Eine grosse Konstanz haben seit den Anfängen des Sozialarchivs die verschiedenen Strömungen und Schulen des Sozialismus, ausserdem die Frauenfrage, soziale Sicherheit und Jugendbewegungen.
Wissenschaftliche Verortung
Mit der Transformation der sozialen Frage korrespondiert eine Veränderung der Wissenschaften, die sich mit der Gesellschaft befassen. Daher sind auch das Selbstverständnis und die Entwicklung verschiedener Disziplinen im Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften am Bestand ablesbar.
Zu Beginn waren es die allgemeine Staatslehre, die Nationalökonomie, die Sozialstatistik und die Sozialpolitik, die sich der Erforschung der Gesellschaft zuwandten. Später widerspiegelt die Sammlung die Ausdifferenzierungen der Gesellschaftswissenschaften, insbesondere die Veränderung der Geschichtswissenschaft, der Soziologie und der Politikwissenschaften. Sozioökonomische und politische Fragestellungen beeinflussten die Bestandesbildung in der Zwischenkriegszeit. Auch Bestände, in denen Verbindungen der Soziologie zu Philosophie, Ethik, Psychologie und Geschichte hergestellt wurden, gewannen an Bedeutung.
Heute liegt das Augenmerk vermehrt auf der kulturellen und politischen Dimension des Sozialen, wobei sich das Sozialarchiv auf die historische Tiefendimension konzentriert. Dies bedeutet jedoch keine einseitige Ausrichtung auf die Geschichtswissenschaft, auch andere Disziplinen – Soziologie, Politikwissenschaft sowie Medien- und Kulturwissenschaft – haben längst ein Sensorium für historische Fragestellungen entwickelt.