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Rauchpause von Porteuren, Hauptbahnhof Zürich, um 1960 (Foto: Arnold Thiel/SozArch F 5068-Fb-0142)
Rauchpause von Porteuren, Hauptbahnhof Zürich, um 1960 (Foto: Arnold Thiel/SozArch F 5068-Fb-0142)

4.6.2024, 18.30 Uhr: «Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte»

Feier zur Übernahme und zum Abschluss der Erschliessungsarbeiten

«Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte» war die Adresse für alle, welche Bilder zur Sozialgeschichte suchten, denn der vierte Stock im Kanzleischulhaus in Zürich war eine Fundgrube für Fotos und andere Dokumente zur Geschichte der sozialen Bewegungen und des Alltagslebens. Was Roland Gretler mit diesem Fokus seit den 1970er Jahren an Material zusammengetragen hatte, liess über die Zeit eine Sammlung von immensem Wert entstehen, ein bildhaftes Gedächtnis der sozialen und politischen Auseinandersetzungen in der Schweiz.

Nach dem Tod seines Erfinders im Jahr 2018 gelangte das «Panoptikum» ins Schweizerische Sozialarchiv. Die Sammlung und ihre Schätze bleiben damit für die Öffentlichkeit weiterhin und neu sogar besser zugänglich: Ein Grossteil des Bildmaterials wurde digitalisiert und ist nun online verfügbar.

Den Abschluss der Digitalisierungs- und Erschliessungsarbeiten feiern wir im Kanzlei Club, gleich neben dem ehemaligen Standort des Panoptikums. Wir stellen die Sammlung vor und zeigen Highlights aus den Bereichen Fotografie, Film und Objekte.

Dienstag, 4. Juni 2024, 18.30 Uhr
Kanzlei Club, Kanzleistrasse 56, 8004 Zürich

Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 296 KB)

«Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte» im Sozialarchiv

«Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte» war ein Foto- und Bildarchiv zur Arbeiterbewegung, zur Sozial- und Alltagsgeschichte und zur Geschichte der sozialen Bewegungen. Roland Gretler (1937-2018) hatte das Panoptikum 1975 ins Leben gerufen – damals noch unter der Bezeichnung «Bildarchiv zur Geschichte der Arbeiterbewegung». Er trug zusammen mit seiner Frau Anne Gretler im Lauf der Jahrzehnte eine enorme Menge an Fotos, Plakaten, Postkarten, Broschüren, Objekten, Zeitschriften und Büchern zusammen. Nach Gretlers Tod übernahm das Sozialarchiv grosse Teile des Panoptikums; deren Bearbeitung ist nun mehrheitlich abgeschlossen.

Roland Gretler wuchs in St. Gallen auf. Nach der obligatorischen Schule begann er eine Lehre als Fotograf bei Hans Meiner, der in Zürich das Atelier seines renommierten Vaters Johannes Meiner weiterführte. Unterschiedliche Vorstellungen über den Inhalt einer Berufslehre führten dazu, dass Gretler den Lehrmeister wechselte und seine Ausbildung beim erfolgreichen Werbefotografen René Groebli abschloss. Auch neben seiner späteren Sammeltätigkeit arbeitete Gretler noch lange Zeit als Auftragsfotograf in der Werbebranche und als Industrie- und Produktefotograf weiter und sicherte sich so ein Basiseinkommen, denn der Verkauf der im eigenen Labor angefertigten Reproduktionen aus seinem Bildarchiv war ein wenig lukratives Geschäft.

1964 wagte Gretler einen politisch radikalen Schritt und gründete zusammen mit anderen die «Junge Sektion» der Partei der Arbeit. 1969 zerstritt er sich mit der PdA und trat in den VPOD ein. 1971 wurde er Präsident der neu gegründeten Gewerkschaft «Kultur, Erziehung und Wissenschaft» (GKEW). Als visuell orientiertem Menschen müssen Gretler die zeitgenössischen Bleiwüsten in Presse- und Printerzeugnissen ein Dorn im Auge gewesen, das Bild als Kampfmittel für die Umgestaltung der Gesellschaft schien in Vergessenheit geraten zu sein. Abhilfe konnte da nur das eigene Engagement leisten: Schon 1968 hatte er zusammen mit Lilo und Peter König das legendäre «1. Flugblatt der antiautoritären Menschen» gestaltet. Als Fotograf war er oft unterwegs an den Anlässen der Arbeiterbewegung oder für Reportagen, ab den 1970er Jahren oft in Begleitung von Niklaus Meienberg. Das Bild der Gegenwart liess sich also ein Stück weit selber mitgestalten.

Was aber war mit dem Bild der Vergangenheit? Wie sah es in einer Arbeiterwohnung oder einer Fabrikhalle um 1900 aus? Wer hatte die spärliche Freizeit oder die politischen Kämpfe der Arbeiterbewegung in der Zwischenkriegszeit fotografiert? – Antworten in Form von Bildern gab es auf diese Fragen kaum, eigentliche Bildarchive existierten noch nicht. Die Bildagenturen kümmerten sich fast ausschliesslich um die Fotografie der Gegenwart, die Stiftung für Fotografie war noch nicht geboren und das Sozialarchiv hatte offensichtlich andere Prioritäten. Um das visuelle Vergessen zu verhindern und das bildhafte Erbe der Arbeiterbewegung zu bewahren, gründete Gretler deshalb 1975 das «Bildarchiv zur Geschichte der Arbeiterbewegung». «Suchen Sie Fotos und Bilddokumente? Oder haben Sie welche? Das Bildarchiv zur Geschichte der Arbeiterbewegung sammelt, reproduziert und bewahrt sämtliche Bilder auf, welche die Lebensverhältnisse der arbeitenden Bevölkerung und ihre Emanzipation zum Thema haben», so Gretler in einem Informationsblatt zum neuen Archiv.

Gretler betreute seine Sammlung zuerst im Zürcher Seefeld, 1993 erfolgte der Umzug ins Schulhaus Kanzlei im Zürcher Kreis 4. Aus dem Bildarchiv wurde «Gretlers Panoptikum zur Sozialgeschichte» und aus der anfänglich sprichwörtlichen Schuhschachtel voller Fotos wurde allmählich eine Sammlung, die fast die ganze oberste Etage des Schulhauses belegte. Aufgrund seines ausgeprägten Spürsinns und der stetig wachsenden Bekanntheit des «Panoptikums» konnte Gretler auch ganze Fotografennachlässe (z.B. von Adolf Felix Vogel oder Sacha Manoli) vor der Vernichtung retten. Und nur dank seiner Mitgliedschaft beim Arbeiterfotografenbund Zürich fanden Hunderte von Fotos aus der Gründerzeit der Vereinigung in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren ihren Weg ins Panoptikum, wo nicht zuletzt Gretlers Frau Anne – neben ihrem 50%-Pensum als Bibliothekarin – dafür sorgte, dass alles akkurat abgelegt wurde.

Mit der stetigen Zunahme an Material erweiterten sich auch Gretlers Interessensschwerpunkte. Nebst der Arbeiterbewegung sammelte er auch andere soziale Bewegungen, insbesondere die 68er-, die Frauen-, die Friedens- oder die Antirassismus-Bewegungen; nebst Fotos trug er auch Flugblätter, Fahnen, Transparente und Objekte zusammen – bis hin zu Kriegsspielzeug und leeren Zigarettenschachteln.

Mit dem Panoptikum wollte Gretler die Zeugnisse der sozialen und politischen Kämpfe in der Schweiz (und teilweise auch darüber hinaus) erhalten und bewahren, es war aber auch seine erklärte Absicht, diese der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Schon 1988 hatte er in einem Merkblatt für Benutzende seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, «dass es bald möglich sein wird, dem Bildarchiv die Rechtsform einer Stiftung zu geben oder es auf andere Weise in eine von der Öffentlichkeit getragene Institution umzuwandeln». Trotz vereinzelter Anstrengungen wurden diese Pläne zu Gretlers Lebzeiten nicht in die Realität umgesetzt. Nach seinem Tod meldete die Stadt Zürich jedoch ihren Anspruch auf den obersten Stock im Kanzleischulhaus an und es musste plötzlich alles sehr schnell gehen. Das Sozialarchiv, welches schon seit Jahren in Kontakt mit Gretler gestanden und Interesse am Panoptikum gezeigt hatte, konnte Gretlers Lebenswerk übernehmen.

Das Sozialarchiv übernahm Gretlers Sammlung nahezu integral – ausser bei den Büchern und Zeitschriften, wo die Überschneidungen mit den eigenen Beständen zu gross waren. Im Frühling 2019 wurde das Panoptikum während mehrerer Wochen inventarisiert, um eine Berechnungsgrundlage für den Umfang der kommenden Arbeiten zu schaffen, im Frühsommer fuhren die Zügelwagen vor. Parallel dazu wurden umfangreiche Drittmittel für die Finanzierung der Erschliessungsarbeiten eingeworben. Zwischen 2020 und 2024 wurde dann der Kernbestand bewertet, digitalisiert und erschlossen. Zwangsläufig musste das Panoptikum dabei in die Logik eines Archivs überführt werden, wobei der Grundsatz der Provenienz berücksichtigt wurde. Eigentliche Archivbestände in den thematischen Dossiers von Gretler wurden in die Abteilung Archiv, Flugblätter, Pamphlete und Broschüren hingegen in die thematischen Dossiers unserer Sachdokumentation integriert. Unterschiedliche Materialien werden aus konservatorischen Gründen getrennt aufbewahrt.

Das Sozialarchiv dankt folgenden Institutionen für ihre grosszügige Unterstützung der Erschliessungsarbeiten von «Gretlers Panoptikum»: Gemeinnütziger Fonds des Kantons Zürich, Kultur Stadt Zürich, ProLitteris Stiftung, Ernst Göhner-Stiftung, Baugarten Stiftung, Briefmarkenfonds für kulturelles und soziales Engagement, Coop Region Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich, Kaufmännischer Verband Zürich, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Dr. Adolf Streuli-Stiftung, Gewerkschaften Unia, VPOD und SEV.

17.4.2024, 19 Uhr: Schweizer Söldner in Niederländisch-Indien

Buchpräsentation: Swiss Mercenaries in the Dutch East Indies. A Transimperial History of Military Labour, 1848-1914

Zwischen 1848 und 1914 kämpften rund 5’800 Schweizer Söldner in der niederländischen Kolonialarmee in Niederländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien.

Der Historiker Philipp Krauer folgt den Spuren dieser Söldner über die Grenzen des niederländischen Kolonialreiches hinaus. Er beleuchtet in seinem Buch die vielschichtige Entwicklung der militärischen Arbeitsmärkte im 19. Jahrhundert sowie die sozialen und kulturellen Hintergründe der Söldner, ihre Motive und ihre Beziehungen zu lokalen Gemeinschaften und Behörden. Dabei werden die tiefgreifenden sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen des Kolonialismus nicht nur auf die Kolonien selbst, sondern auch auf die Schweiz deutlich.

Buchvorstellung mit Beiträgen von Monique Ligtenberg, Bernhard C. Schär und Hesti Aryani.
Anschliessend Apéro.
Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.

Mittwoch, 17. April 2024, 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

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Vor 50 Jahren: Die Nelkenrevolution

Am 24. April 1974 um 22:55 Uhr spielte der private portugiesische Rundfunksender «Rádio Clube Português» das unpolitische Liebeslied «E Depois do Adeus» («Und nach dem Abschied»), das am Grand Prix Eurovision auf dem letzten Platz gelandet war. Anderthalb Stunden später, um 0:25 Uhr, wurden im katholischen Sender «Rádio Renascença» die ersten Zeilen des verbotenen Kampfliedes «Grândola, Vila Morena» verlesen, im Anschluss erklang das Lied zweimal in voller Länge. Am Vorabend hatte die Zeitung «República» in einem kleinen Hinweis angekündigt, das Musikprogramm der Nacht sei besonders lohnend. Die beiden Liedausstrahlungen waren Signale des linksgerichteten «Movimento das Forças Armadas» (MFA, «Bewegung der Streitkräfte») zum Sturz der jahrzehntelangen portugiesischen Diktatur. Während «E Depois do Adeus» nur von Eingeweihten als Aufruf zum Abschied vom Faschismus verstanden werden konnte, machte das Abspielen von «Grândola, Vila Morena» einem breiteren Publikum klar, dass wichtige politische Veränderungen im Gange waren.

In den folgenden Stunden besetzten die Aufständischen im ganzen Land militärische Stützpunkte und Flughäfen. Um 4:20 Uhr wurde der portugiesische Luftraum gesperrt, wenige Minuten später sendete «Rádio Clube Português» die erste Verlautbarung des MFA. Als die aufständischen Truppen kurz nach 5:00 Uhr die ersten strategischen Ziele in Lissabon ansteuerten, waren die Strassen bereits von Tausenden begeisterter Unterstützer:innen gesäumt. «Grândola, Vila Morena», das seit 2014 auf der UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes figuriert, wurde zur Hymne der Umwälzung, die bald den Namen «Revolução dos Cravos» (Nelkenrevolution) erhielt, da viele aufständische Soldaten rote Nelken in den Gewehrläufen oder am Revers trugen.

Die Aufständischen, zu denen die Mehrheit der Truppen überlief, besetzten am 25. April wichtige Ministerien und militärische Einrichtungen und begannen am Mittag die Belagerung der zentralen Polizeikaserne Lissabons, wo sich der starke Mann der Diktatur, Ministerpräsident Marcelo Caetano, verschanzt hatte. Gegen Abend erklärte sich Caetano zum Rücktritt bereit, allerdings unter der Bedingung, dass die Macht an General António de Spínola übergehe, der nicht Teil des MFA war. Anschliessend ging Caetano ebenso wie Staatspräsident Admiral Américo Tomás über Madeira ins Exil nach Brasilien, wo in jenen Jahren eine Militärdiktatur herrschte. War der wesentlich von Major Otelo Saraiva de Carvalho geplante Umsturz bis dahin friedlich verlaufen, so feuerten Mitglieder der für willkürliche Verhaftungen und Folter berüchtigten Geheimpolizei PIDE/DGS am Abend des 25. April bei der Belagerung ihres Hauptquartiers in die Menge und töteten vier Personen. Ein Geheimpolizist kam auf der Flucht ums Leben. Dies waren die einzigen Toten der Nelkenrevolution. Erst am folgenden Morgen ergaben sich die Geheimpolizisten. 18 Stunden nach dem ersten mysteriösen Rundfunksignal war die portugiesische Diktatur Geschichte.

Salazars «Neuer Staat»

Das gestürzte Regime reichte bis in die Zwischenkriegszeit zurück. Es war damit die am längsten existierende Rechtsdiktatur und nach der Sowjetunion die zweitälteste Diktatur im Europa des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1926 hatte General Manuel de Oliveira Gomes da Costa gegen die politisch sehr instabile Erste Republik geputscht und eine Militärdiktatur errichtet. Diese wurde in den frühen 1930er-Jahren von António de Oliveira Salazar, 1928 bis 1932 Finanzminister und danach Ministerpräsident, unter dem Schlagwort «Estado Novo» zu einem autoritären «Ständestaat» umgebaut. Die Verfassung von 1933 räumte dem auf jeweils sieben Jahre gewählten Staatspräsidenten de jure eine starke Stellung ein, faktisch lag die Macht aber für die folgenden fast vier Jahrzehnte beim Ministerpräsidenten Salazar. Das schwache Parlament bestand aus zwei Kammern: Das Wahlrecht für die Volkskammer war an Besitz und Bildung gebunden, so dass lediglich 15 bis 20% der erwachsenen Bevölkerung (darunter nur ganz wenige Frauen) wahlberechtigt waren. Ausserdem besass die 1930 gegründete Einheitspartei «União Nacional», in die auch die Einheitsgewerkschaft integriert war, bis 1945 das Monopol der Kandidatenaufstellung. Die Korporationenkammer bestand aus von der Regierung ernannten «Vertretern» der Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Landwirtschaft sowie kulturellen und regionalen Institutionen.

Die Ideologie des Regimes war recht schwammig, beruhte auf Nationalismus, Katholizismus und Kolonialismus, zielte aber vor allem auf eine Entpolitisierung der Bevölkerung ab. Einen Personenkult wie andere zeitgenössische Diktatoren lehnte Salazar, der recht asketisch lebte und zeit seines Lebens Junggeselle blieb, ab. Hinzu kamen eine strenge Pressezensur, die Kontrolle der Bevölkerung durch politische Polizei und Justiz, das Verbot oppositioneller Parteien und freier Gewerkschaften und die Abschaffung des Streikrechts. Gesellschaftliche Basis des Salazar-Regimes waren die Armee, die katholische Kirche, die Grossgrundbesitzer:innen, Teile des Bürgertums und die Siedler:innen in den Kolonien. Im Zuge einer weiteren Annäherung an ausländische faschistische Vorbilder entstanden 1936 die paramilitärische Miliz «Legião Portuguesa» und die Jugendorganisation «Mocidade Portuguesa». Im selben Jahr wurde auf den Kapverdischen Inseln das Konzentrationslager «Campo do Tarrafal» eingerichtet, das bald auch als «Lager des langsamen Todes» bekannt war. Auch wurde vom Mussolini-Regime der bei Aufmärschen und Massenversammlungen zu entbietende «römische Gruss» übernommen. Der Antisemitismus der anderen faschistischen Diktaturen spielte in der Ideologie und Propaganda des «Estado Novo» dagegen keine wesentliche Rolle.

Korporatistische Modelle hatten in den 1930er-Jahren auch in der Schweiz eine Anhängerschaft in katholisch-konservativen, frontistischen und gewerblichen Kreisen (s. SozialarchivInfo 5/2020). Neben dem faschistischen Italien und dem kurzlebigen österreichischen «Ständestaat» interessierten sich diese auch für den «Estado Novo» als potenzielles Vorbild. Der rechtskatholische Literaturwissenschaftler und Kulturhistoriker Gonzague de Reynold, Professor an der Universität Fribourg, publizierte 1936 ein Buch über Portugal. Den Militärputsch von 1926 bezeichnete er darin als «Ergebnis einer langen Bemühung um Ordnung und Sittlichkeit», Salazar als einen «Diktator aus Pflicht» und «grossen Staatserneuerer», der Portugal «nach sechzehn Jahren freimaurerischer Republik und einem Jahrhundert parlamentarischem Liberalismus», aus denen «wirtschaftlicher Ruin, politische Unordnung und sittliche Anarchie» resultiert hätten, «wiederaufgebaut» habe. 1938 wurde de Reynold für dieses Werk von Salazar persönlich ausgezeichnet.

Wirtschaftspolitisch verfolgte Salazar einen strikten Austeritätskurs und strebte eine «organische» Industrialisierung an. In der Realität bedeutete dies eine starke Abschottung von den internationalen Märkten und eine schwache industrielle Entwicklung auf Basis von Niedrigstlöhnen. Industrie und Bankwesen wurden von etwa 30 regimenahen Familien kontrolliert. Der Aussenhandel war auf Austausch mit den eigenen Kolonien sowie die britischen Handelsinteressen konzentriert. Zwar trat Portugal 1960 der Freihandelszone EFTA (bei der auch die Schweiz Mitglied wurde) bei und betrieb ab 1965 eine vorsichtige Öffnung für ausländische Investor:innen. Protektionismus, Bürokratie und Klientelismus behinderten aber eine wirtschaftliche Modernisierung. So blieb das Land bis weit in die zweite Jahrhunderthälfte ein Agrarstaat. 1950 war noch fast die Hälfte, 1970 immer noch ein knappes Drittel der Erwerbstätigen in der notorisch unproduktiven Landwirtschaft beschäftigt. Im Norden bestand diese aus zersplittertem Kleinbesitz, im Süden dominierten wenige Grossgrundbesitzer:innen. Trotz des grossen Agrarsektors blieb Portugal so von Nahrungsmitteleinfuhren abhängig.

Entsprechend gross war die Armut breiter Bevölkerungsschichten. Ende der 1960er-Jahre hatte Portugal im nichtkommunistischen Europa das tiefste Pro-Kopf-Einkommen – weniger als ein Drittel desjenigen der Bundesrepublik Deutschland und immer noch etwa ein Viertel tiefer als in Spanien und Griechenland. Hinzu kam nach Albanien und Jugoslawien die dritthöchste Säuglingssterblichkeit Europas. Die Hälfte der portugiesischen Wohnungen verfügte auch um 1970 noch über kein fliessendes Wasser. Gezielt unterband der «Estado Novo» eine für dieses Wirtschaftsmodell nicht erforderliche Ausbildung breiter Bevölkerungsschichten. Ende der 1960er-Jahre hatte Portugal das relativ niedrigste Bildungsbudget und die mit 30% höchste Analphabet:innenrate aller Länder Europas. 90% der Bevölkerung besuchten lediglich die obligatorische Volksschule, die für Knaben vier, für Mädchen drei Jahre dauerte. Vor diesem Hintergrund emigrierten 1965 bis 1973 trotz zeitweiser staatlicher Restriktionen etwa eine Million Portugies:innen ins Ausland.

Politisch hatte das Salazar-Regime um das Ende des Zweiten Weltkriegs eine oberflächliche Entfaschisierung vollzogen, die aber keine Demokratisierung bedeutete. 1944 brach das formal neutrale Land auf britischen Druck hin die zuvor recht intensiven Wirtschaftsbeziehungen zu Nazi-Deutschland ab. 1945 wurde das Monopol der «União Nacional» auf Kandidatenaufstellung bei Wahlen abgeschafft. Die Bildung oppositioneller Parteien und die freie Wahlwerbung für Oppositionskandidat:innen blieben aber verboten, so dass die Opposition bis zum Ende der Salazar-Zeit die Parlamentswahlen boykottierte und manchmal bereits angemeldete Kandidaturen vor den Wahlen wieder zurückzog. Bei den Präsidentschaftswahlen 1949 und 1951 wurden oppositionelle Kandidaten entweder disqualifiziert oder zogen sich nach Repressionen zurück. 1958 hielt der unabhängige General Humberto Delgado, der für den Fall seiner Wahl die Entlassung Salazars angekündigt hatte, seine Kandidatur aufrecht und erhielt offiziell 23% der Stimmen. Nach dieser Erfahrung schaffte das Salazar-Regime die Volkswahl des Präsidenten ab. Weil Delgado den Vorwurf des Wahlbetrugs erhob, wurde er 1959 aus der Armee entlassen und flüchtete nach Brasilien, wo er 1964 eine Exilorganisation gründete. 1965 wurde er von der portugiesischen Geheimpolizei in Spanien in eine Falle gelockt und ermordet. Bei dem Attentat erwürgte ein Geheimpolizist auch Delgados Sekretärin.

Kurz nach der Ermordung Delgados verfasste der Schriftsteller Hugo Loetscher zum Dokumentarfilm «Salazar und Portugal» des Schweizer Fernsehens den Begleitkommentar «Ach Herr Salazar». Darin kritisierte Loetscher in Form eines politischen Klagegedichts die Inhaftierung von Oppositionellen, die Ermordung Delgados, das rückständige Schulsystem, die Armut breiter Bevölkerungsschichten und die Kolonialpolitik. Wenige Augenblicke vor der Ausstrahlung setzte das Schweizer Fernsehen die Sendung ab, da Loetschers Kommentar, den zu ändern der Schriftsteller verweigert hatte, «den Eindruck einer undokumentierten Anklagerede hervorrufe». Die Last-minute-Programmänderung wurde in der Schweizer Presse weitherum kritisiert, allerdings nicht primär wegen ihres möglichen Zensurcharakters, sondern wegen des durch die Kurzfristigkeit der Massnahme hervorgerufenen Eindrucks des Dilettantismus. Loetscher wurde vom portugiesischen Regime in der Folge zur persona non grata erklärt.

1968 erlitt der mittlerweile 79-jährige Salazar eine Hirnblutung und wurde in Erwartung seines baldigen Ablebens vom Staatspräsidenten durch Caetano ersetzt. Als sich Salazars Gesundheitszustand wieder etwas besserte, getraute sich niemand, ihn über seine Entlassung zu informieren, und so führte er im Glauben, immer noch Ministerpräsident zu sein, weiterhin «Kabinettssitzungen» durch. 1970 verstarb Salazar. Caetano setzte zögerlich ein paar Reformen um und gestattete einigen Oppositionellen die Rückkehr nach Portugal. An den Parlamentswahlen 1969 beteiligten sich erstmals drei oppositionelle, kurz nach dem Wahltag wieder verbotene «Wahlkommissionen» mit Kandidaturen. Trotz sehr limitierter Agitationsmöglichkeiten kamen diese auf 12% der Stimmen, erhielten aber aufgrund des Mehrheitswahlrechts keine Sitze. Den letzten Scheinwahlen des «Estado Novo» im Jahr 1973 blieb die Opposition nach der Disqualifikation zahlreicher Kandidaturen wieder fern. Im Juli 1973 entstand in der Armee die konspirative «Bewegung der Hauptleute», aus der wenige Monate später das MFA hervorgehen sollte.

Ein Entwicklungsland mit Kolonialreich

Obwohl Portugal am Vorabend der Nelkenrevolution faktisch ein strukturschwaches Entwicklungsland war, dessen Wirtschaft durch den Ölpreisschock von 1973 (s. SozialarchivInfo 4/2023) einen zusätzlichen Schlag erhielt, pflegte das Regime das rückwärtsgewandte Image kolonialistischer Glorie und hielt daran auch mit militärischen Mitteln fest. Der Höhepunkt des portugiesischen Kolonialreichs lag bereits mehrere hundert Jahre zurück. Angefangen mit den Entdeckungsfahrten von Heinrich dem Seefahrer im 15. Jahrhundert, dem das Salazar-Regime 1960 zum 500. Todestag verschiedene Denkmäler widmete, baute Portugal in der frühen Neuzeit einen umfangreichen Kolonialbesitz mit Territorien und Küstenstützpunkten in Amerika, Afrika und Asien auf. Der interkontinentale Fernhandel mit Gewürzen und anderen Gütern, aber auch Sklav:innen war integraler Bestandteil dieser frühen Globalisierung. 1494 grenzten die Kronen Portugals und Spaniens im Vertrag von Tordesillas mit päpstlichem Segen ihre Ansprüche im Atlantikraum und den Amerikas ab. Auf dieser Basis entstand mit Brasilien die grösste und reichste portugiesische Kolonie, die 1822 aber unabhängig wurde.

Noch zu Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Portugal umfangreichen Kolonialbesitz in Afrika (Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, São João Baptista d’Ajudá, Kap Verde, São Tomé und Príncipe) und Asien (Macau, Osttimor, «Portugiesisch-Indien» mit den Gebieten Dadrá e Nagar-Aveli, Goa, Diu und Damão). Für das Regime waren diese Territorien, obwohl Salazar selber in seiner Regierungszeit nie eine Kolonie besuchte, integraler Bestandteil Portugals und Begründungsfaktor von dessen internationalem Sonderstatus. Ideologische Grundlage bildete die Vorstellung vom «Lusotropikalismus». Diese war vom brasilianischen Soziologen Gilberto Freyre begründet worden und behauptete eine bessere kolonisatorische und zivilisatorische Eignung des klimatisch warmen Portugals in den Tropen als anderer kapitalistischer oder kommunistischer Grossmächte und seine Fähigkeit, verschiedene Kulturen und «Rassen» zusammenzubringen und zu integrieren.

Die koloniale Realität sah allerdings weit weniger rosig aus. Insbesondere in den flächenmässig grössten Kolonien Angola und Mosambik beruhte die Wirtschaft immer noch stark auf Zwangsarbeit und war die Bevölkerung unterteilt in europäischstämmige portugiesische Bürger:innen (deren Zuwanderung vom Salazar-Regime in der Nachkriegszeit gefördert wurde), Einheimische und ganz wenige «Assimilierte» mit je unterschiedlichen Rechten und Pflichten. Schweizer:innen waren in den portugiesischen Kolonien in der Mission und als Geschäftsleute präsent. In Angola und Mosambik gab seit dem späten 19. Jahrhundert katholische und protestantische Schweizer Missionen. In beiden Kolonien fanden sich auch Schweizer Investitionen in Landwirtschaft und Bergbau. Die 1899 gegründete Schweizer Firma Boror bewirtschaftete in den 1960er-Jahren in Mosambik Weideland und die grösste Kokosplantage der Welt und eine weitere, 1922 gegründete Schweizer Gesellschaft baute Sisal-Agaven an und produzierte ein Drittel des von Mosambik exportierten Sisals.

Zwischen 1954 und 1961 verlor Portugal die Kontrolle über seine Besitzungen in Indien, die in die neue Republik Indien eingegliedert wurden, anerkannte dies aber bis zur Nelkenrevolution nicht. Ab 1961 starteten dann Unabhängigkeitskriege in Angola, Mosambik, Guinea-Bissau und Kap Verde mit Angriffen verschiedener Guerillaorganisationen gegen die Kolonialmacht. In Angola gab es gleich drei, sich teilweise aus ideologischen, personellen und ethnischen Gründen auch gegenseitig bekämpfende Unabhängigkeitsbewegungen, die zeitweise auf Unterstützung der USA, der Sowjetunion, Kubas oder der Volksrepublik China und weiterer Länder zählen konnten. Einige führende Unabhängigkeitskämpfer hatten einen schweizerischen Bildungshintergrund. Eduardo Mondlane, Begründer der marxistischen FRELIMO in Mosambik, und weitere Mitglieder dieser Organisation waren ehemalige Schüler von Westschweizer Missionaren. Jonas Savimbi, zunächst maoistischer, dann antikommunistischer Anführer der angolanischen UNITA, hatte kurz an der Universität Fribourg Medizin und dann in Lausanne Politikwissenschaften studiert. Er war 1961 mit einer Gruppe von 19 aus Lissabon geflüchteten angolanischen Studenten durch kirchliche Vermittlung in die Schweiz gekommen.

Während in den 1950er- und 1960er-Jahren die französischen, britischen, belgischen und italienischen Kolonien in Afrika die Unabhängigkeit erlangten (s. SozialarchivInfo 3/2020), isolierte sich Portugal mit seiner Kolonialpolitik international immer mehr. Kritik kam nicht nur seitens der unabhängig gewordenen afrikanischen Länder (1963 bis 1975 wurden die portugiesischen Interessen im an Guinea-Bissau grenzenden Senegal mangels direkter Beziehungen von der Schweiz wahrgenommen) und des Ostblocks, sondern auch aus dem Westen, insbesondere von den USA. 1973 forderte die UNO-Vollversammlung den unverzüglichen Rückzug Portugals aus Guinea-Bissau.

Auch innenpolitisch war die fortgesetzte Kolonialpolitik für das Regime verheerend. Der Anteil der Militärausgaben am Staatshaushalt stieg 1960 bis 1974 von 25 auf 50%. Bis in die frühen 1970er-Jahre kamen Rüstungslieferungen auch aus der Schweiz. Um sich der vierjährigen Militärdienstpflicht mit Kriegseinsätzen in Afrika zu entziehen, setzten sich Zehntausende junger Portugiesen ins Ausland ab. Auch erodierten die Kolonialkriege die Unterstützergruppen des Regimes. Teile von Armee und Kirche forderten eine politische Lösung der Konflikte und Teile der Wirtschaftselite wollten statt dem Kolonialhandel eine Integration in den Gemeinsamen Markt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem ab 1973 auch Portugals wichtigster europäischer Handelspartner Grossbritannien angehörte, das der EFTA den Rücken gekehrt hatte.

Bereits im April 1961 gab es einen erfolglosen Staatsstreichversuch gegen das Salazar-Regime aus Teilen der militärischen und politischen Opposition, der von Verteidigungsminister Júlio Botelho Moniz angeführt wurde und sich hauptsächlich gegen die unnachgiebige Kolonialpolitik richtete. Im Februar 1974 publizierte der General und nachmalige Staatspräsident António de Spínola sein Buch «Portugal und die Zukunft», in dem er betonte, die Kolonialkriege seien für Portugal militärisch nicht zu gewinnen. Daraufhin wurde er seines Postens enthoben. Spínola entstammte einer aristokratischen, Salazar persönlich verbundenen Familie, hatte im Spanischen Bürgerkrieg als Freiwilliger auf der Seite Francos gekämpft und während des Zweiten Weltkriegs als Beobachter in der deutschen Wehrmacht an der mörderischen Belagerung Leningrads mitgewirkt. Von 1968 bis 1973 erhielt er als Militärgouverneur und Oberbefehlshaber in Guinea-Bissau direkten Einblick in die Zustände vor Ort. Obwohl Spínola also kein Linker war, wurde seine Absetzung ein Auslösefaktor für den wenige Wochen darauf erfolgenden Aufstand des MFA.

Nach der Nelkenrevolution beendete Portugal die Kolonialkriege und entliess 1974/75 fast alle Kolonien in die Unabhängigkeit. Dies brachte den meisten dieser Länder aber noch nicht den Frieden. In Mosambik ging der Unabhängigkeitskrieg fast nahtlos in einen bis 1992 dauernden Bürgerkrieg über, der etwa 900’000 Menschenleben forderte und in den direkt die Apartheidstaaten Rhodesien und Südafrika sowie indirekt die beiden Supermächte involviert waren. Ähnlich war die Entwicklung in Angola, wo der Bürgerkrieg zwischen den ehemaligen Unabhängigkeitsbewegungen gar bis 2002 anhielt und etwa 500’000 Menschenleben forderte. Direkt beteiligt waren auch Südafrika und Kuba, indirekt unter anderem die beiden Supermächte. Die Bürgerkriege in Mosambik und Angola hatten zeitweise stark den Charakter von «Stellvertreterkriegen», ihr Andauern über das Ende des Kalten Krieges hinaus zeigte aber, dass dies neben internen und regionalstrategischen Faktoren lediglich eine von mehreren Facetten dieser Konflikte war. Osttimor erlitt unmittelbar nach der Unabhängigkeit eine Invasion indonesischer Truppen. In den folgenden 24 Jahren indonesischer Besetzung kamen fast 180’000 Menschen, mehr als ein Viertel der Bevölkerung, durch Repressionen, Massaker und Guerillakämpfe ums Leben. Nach einer Übergangsphase ab 1999 unter UNO-Verwaltung wurde Osttimor 2002 ein zweites Mal unabhängig. Macau blieb als einzige Kolonie über die Nelkenrevolution hinaus in portugiesischem Besitz und wurde dann 1999 als «Sonderverwaltungszone» an die Volksrepublik China abgetreten.

Südeuropäische Demokratisierung

Am 26. April 1974 war die portugiesische Diktatur zwar beseitigt, die weitere Entwicklung des Landes aber noch nicht absehbar. Wenige Tage nach dem Umsturz kehrten die führenden Linksoppositionellen Mário Soares und Álvaro Cunhal nach Portugal zurück. Soares war ursprünglich Kommunist gewesen, hatte 1951 aber mit der Partei gebrochen. 1964 gründete er in Genf zusammen mit anderen nichtkommunistischen Salazar-Gegner:innen die sozialdemokratische «Acção Socialista Portuguesa», aus der 1973 die Sozialistische Partei Portugals hervorging. Nach der Ermordung Delgados wurde Soares 1965 Anwalt von dessen Familie. Mehrfach inhaftiert, wurde er zusammen mit seiner Familie 1968 nach São Tomé und Príncipe deportiert, durfte nach Caetanos Amtsantritt aber wieder zurückkehren. Bei den Wahlen 1969 kandidierte er für eine oppositionelle «Wahlkommission», anschliessend ging er ins Exil nach Rom und Paris. Kommunistenchef Cunhal war von 1949 bis 1960 inhaftiert gewesen, davon acht Jahre in Isolationshaft. Dann gelang ihm auf spektakuläre Weise die Flucht. In der Folge lebte er im Exil in der Sowjetunion und der Tschechoslowakei. Wegen seiner Ablehnung des Eurokommunismus (und später der Perestrojka) galt er als letzter westeuropäischer Stalinist.

Am 1. Mai 1974 fand in Lissabon eine riesige Demonstration statt. Der Abschlusskundgebung im Sportstadion, an der Soares und Cunhal Reden hielten, wohnten 100’000 Menschen bei. Am selben Tag erliess die provisorische Regierung ein Amnestiegesetz für die zahlreichen Fahnenflüchtigen und Kriegsdienstverweigerer. Wenige Tage darauf wurden Soares (als Aussenminister) und Cunhal (als Minister ohne Geschäftsbereich) in die provisorische Regierung aufgenommen. Insgesamt gab es bis zum 22. Juli 1976 sechs provisorische Regierungen, die aus Militärs wie auch Parteipolitikern bestanden. Parallel dazu spielte bis ins Frühjahr 1975 die aus Militärs bestehende «Junta de Salvação Nacional» eine wichtige Rolle.

Die zwei Jahre dauernde Transitionsphase war von verschiedenen Richtungskämpfen gekennzeichnet, in denen sich ideologische, auch auf die «Systemfrage» abzielende Gegensätze zwischen Militärs und ziviler Politik, zwischen den verschiedenen politischen Parteien und innerhalb der Streitkräfte ebenso manifestierten wie soziale Konflikte in einer extrem ungleichen und nach europäischen Standards «rückständigen» Gesellschaft. 1974/75 verfügten die provisorischen Regierungen Enteignung von Grossgrundbesitz und Verstaatlichungen von Banken und Grossbetrieben. Parallel dazu gab es viele illegale Landbesetzungen durch Landarbeiter:innen. In manchen Betrieben übernahmen Arbeiterkommissionen die Kontrolle. Der von Teilen des MFA zwischenzeitlich propagierte Aufbau eines Arbeiterrätesystems als Alternative zum Parlamentarismus konkretisierte sich aber nicht. Für den 28. September 1974 rief Staatspräsident António de Spínola zu einem «Marsch der schweigenden Mehrheit» auf. Dagegen mobilisierten die linken Kräfte, die einen rechten Staatsstreich befürchteten, und verhinderten die geplante Demonstration. Zwei Tage darauf trat Spínola zurück. Am 11. März 1975 war er dann in einen gescheiterten Putschversuch konservativer Kräfte involviert und floh in der Folge über Spanien nach Brasilien.

Am 25. April 1975, genau ein Jahr nach der Nelkenrevolution, fanden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung statt. Am meisten Stimmen machte die Sozialistische Partei mit knapp 38%, dahinter folgte die bürgerlich-liberale Demokratische Volkspartei mit 26%. Die Kommunistische Partei schnitt unter den Erwartungen ab und kam als drittstärkste Kraft auf 12%, gefolgt von den konservativen Christlichsozialen mit 7%. Eine Reihe linksradikaler Splittergruppen blieb weit unter den eigenen Hoffnungen und gewann insgesamt nur einen einzigen Sitz. Die politischen Parteien waren nach fast einem halben Jahrhundert Diktatur schwach und mussten zunächst ihre Mitgliedschaften, nationalen und regionalen Strukturen aufbauen, um nach der initialen Mobilisierungsphase und Rückkehr aus dem Exil allmählich die Militärs als wesentliche politische Akteure ablösen zu können. Dabei spielte, auch vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, ausländische Unterstützung eine Rolle. Während die Kommunistische Partei auf Support aus dem Ostblock zählen konnte, genoss die Sozialistische Partei Unterstützung durch die Sozialistische Internationale und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Der US-Geheimdienst CIA organisierte ebenfalls Finanzhilfen für die nichtkommunistischen Kräfte, namentlich jene auf der Linken, denen elektorale Erfolgschancen gegen die Kommunistische Partei zugetraut wurden.

Auch nach den Wahlen verlief die Entwicklung zunächst turbulent. Im «heissen Sommer» 1975 kam es zu verschiedenen Akten politischer Gewalt durch unterschiedliche Akteursgruppen, darunter von Spanien aus agierender Rechtsterroristen, die sogar Befürchtungen über einen Bürgerkrieg laut werden liessen. Am 10. November 1975 belagerte ein Demonstrationszug von Bauarbeitern für 36 Stunden das Parlamentsgebäude und setzte zentrale Forderungen zu ihren Arbeitsbedingungen durch. Am 25. November besetzten linksradikale Fallschirmjäger-Einheiten mehrere Luftstützpunkte. Im Gegenzug wurde in Lissabon der Ausnahmezustand ausgerufen und die militärische Hierarchie wiederhergestellt.

Im Februar 1976 gelangte Ex-Präsident Spínola in die Schweiz mit der Auflage, jegliche politische Tätigkeit zu unterlassen. Am 25. März kam er in Düsseldorf mit einem vermeintlichen Waffenhändler mit angeblichen Kontakten zu CSU-Chef Franz Josef Strauss zu Verhandlungen über Waffenlieferungen für einen rechten Putsch in Portugal zusammen. Bei seinem Gesprächspartner handelte es sich aber um den Investigativjournalisten Günter Wallraff, der zehn Jahre später durch seine Undercover-Recherche «Ganz unten» über die Lebens- und Arbeitsumstände türkischer Migrant:innen in der Bundesrepublik bekannt werden sollte. Nachdem Wallraff Spínolas Putschpläne am 7. April publik gemacht hatte, musste dieser die Schweiz unverzüglich verlassen und ging wieder nach Brasilien.

Am 2. April 1976 wurde die neue Verfassung verabschiedet. Nur die Christlichsozialen stimmten in der Versammlung dagegen. Die Verfassung sah ein Einkammerparlament und einen starken Präsidenten vor und wurde rückblickend als «semi-präsidial» charakterisiert. Von anderen westeuropäischen Verfassungen unterschied sie sich durch das Gremium des «Revolutionsrates» aus Vertretern der Armee sowie das Bekenntnis zum Sozialismus und zum Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft in den beiden einführenden Artikeln. Die erste Verfassungsrevision von 1982 schränkte dann die Macht des Präsidenten ein und schaffte den Revolutionsrat ab.

Die ersten Parlamentswahlen fanden am zweiten Jahrestag der Nelkenrevolution statt. Wiederum siegte die Sozialistische Partei mit knapp 35% vor der Demokratischen Volkspartei mit 24%. Die Christlichsozialen verzeichneten starke Gewinne und kamen auf 16% vor der Kommunistischen Partei mit 14%. Nach den Wahlen bildete Mário Soares die erste verfassungsmässige Regierung. Seinem Minderheitskabinett gehörten neben Sozialisten auch Militärs und unabhängige Fachleute an. In der Folgezeit etablierte sich ein relativ stabiles Mehrparteiensystem, bei dem sich die Sozialistische Partei und die stärkste bürgerliche Kraft regelmässig in der Regierungsverantwortung ablösten. Mit dem Ende der Amtszeit von Staatspräsident António Ramalho Eanes, der 1974 dem MFA angehört hatte und 1976 erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt wurde, im Jahr 1986 ging auch dieses Amt in zivile Hände über.

Die Schweizer Medien berichteten über die Vorgänge in Portugal breit. Auf der Linken machten sich Hoffnungen auf einen «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» breit, nachdem in den Vorjahren entsprechende, allerdings von sehr verschiedenen Ausgangslagen gestartete Versuche in der Tschechoslowakei durch den Einmarsch des Warschauer Pakts (1968, s. SozialarchivInfo 1/2018) und in Chile durch einen Militärputsch (1973) gewaltsam unterdrückt worden waren. Auf der bürgerlichen Seite gab es dagegen Befürchtungen, Portugal könnte ins östliche Lager abgleiten. Das Berner «Ost-Institut» veröffentlichte 1975 und 1976 zwei Sonderpublikationen, die vor einer Machtergreifung der moskauhörigen Kommunistischen Partei warnten und dabei Parallelen zur kommunistischen Strategie und Taktik bei den Vorgängen in den ostmitteleuropäischen Ländern der späten 1940er-Jahre zogen. Die «Schweizerische Fernseh- und Radiovereinigung», nach ihrem Gründer, dem Berner SVP-Nationalrat und Geschichtsprofessor Walther Hofer, auch als «Hofer-Club» bekannt, die das Schweizer Fernsehen wegen seiner angeblichen Linkslastigkeit mit einer Flut von Programmbeschwerden eindeckte, publizierte 1977 ein 244-seitiges Buch über die Portugal-Berichterstattung der deutschsprachigen Tagesschau in den Jahren 1974/75 und monierte neben journalistischen Sorgfaltslosigkeiten insbesondere die ihres Erachtens ungenügende Thematisierung der «kommunistischen Frage».

Regen Anteil nahmen insbesondere die Kräfte der Neuen Linken, die bereits vor 1974 Kritik an der Diktatur in Portugal und den Kolonialkriegen geübt hatten. Auch waren seit den 1960er-Jahren besonders in der Romandie verschiedene Solidaritätskomitees für die portugiesische Opposition und die afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen entstanden. Die seit 1957 anhaltende Präsenz Portugals am jährlichen «Comptoir Suisse» in Lausanne wurde zunehmend kritisiert. Nach dem Umsturz organisierten neulinke Gruppierungen dann eine Vielzahl von Veranstaltungen und gaben eine Reihe von Broschüren über Portugal heraus. Die Zürcher «Arbeitsgruppe Portugal» lancierte die Solidaritätsaktion «Trinkt portugiesischen Wein» zwecks Verringerung des portugiesischen Aussenhandelsdefizits und listete auf einem Flugblatt entsprechende Angebote bei den Zürcher Detaillisten auf.

Der Übergang Portugals zur Demokratie war Teil eines Demokratisierungsprozesses, der Mitte der 1970er-Jahre mehrere südeuropäische Staaten erfasste, in der Rückschau dann aber hinter dem osteuropäischen Demokratisierungsprozess von 1989/90 in den Schatten trat. Anderthalb Jahre nach der Nelkenrevolution, am 20. November 1975, musste der spanische Ministerpräsident Carlos Arias Navarro am Fernsehen mit tränenerstickter Stimme bekanntgeben, dass Langzeitdiktator Francisco Franco nach wochenlangem Siechtum verstorben war. Der Generalissimus hatte das Land seit dem Bürgerkrieg von 1936 bis 1939, als er nach einem zunächst misslungenen Militärputsch mit Hilfe Hitlers und Mussolinis sowie logistischer Unterstützung Portugals die Republik zerstört hatte (s. SozialarchivInfo 1/2017), mit eiserner Faust regiert. Zu den Bewunderern Francos, der zwei Monate vor seinem Tod nochmals fünf politische Gefangene hatte hinrichten lassen, zählte im Ausland neben dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet auch der Schweizer Rechtspopulist James Schwarzenbach (s. SozialarchivInfo 2/2020). Francos Nachfolger, König Juan Carlos I., leitete einen zunächst behutsamen Veränderungsprozess ein. 1976 wurde die Bildung politischer Parteien wieder legalisiert und im Sommer 1977 fanden die ersten freien Wahlen seit 1936 statt. Ende 1978 hiessen die spanischen Bürger:innen in einem Referendum eine neue Verfassung gut, die Spanien zur parlamentarisch-demokratischen Monarchie machte. Nach einem misslungenen Putschversuch rechtsgerichteter Kreise aus Armee und Guardia Civil, die im Februar 1981 in einem theatralischen Auftritt die Mitglieder des Parlaments als Geiseln nahmen, führten die Wahlen vom Oktober 1982 zum ersten demokratischen Regierungswechsel vom zentristischen Regierungspräsidenten Leopoldo Calvo-Sotelo zum Sozialisten Felipe González, was gemeinhin als Abschluss der «Transición» gilt.

In Griechenland hatte am 21. April 1967 eine rechtsextreme Militärjunta in einem Putsch die Macht übernommen, um einem erneuten Wahlsieg des zentristischen Reformers Georgios Papandreou zuvorzukommen. Sofort wurden die Zensur eingeführt, Oppositionelle verhaftet und gefoltert, auf verschiedenen Inseln Lager mit Tausenden von politischen Gefangenen errichtet und oppositionelle Auslandsgriech:innen wie die Schauspielerin Melina Mercouri ausgebürgert und enteignet. König Konstantin II., dessen Verhältnis zum Obristenregime zwiespältig war, ging nach einem misslungenen Gegenputsch Mitte Dezember 1967 ins Exil. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung des Regimes verstärkten sich 1973 der internationale Druck wie auch die interne Opposition. Im Mai 1973 wurden Putschpläne von Marineoffizieren aufgedeckt. Im Sommer schaffte Oberst Georgios Papadopoulos, der starke Mann des Regimes, die Monarchie ab und machte sich selber zum Präsidenten. Mitte November kam es im Polytechnikum Athen zu einem dreitägigen Aufstand der Studierenden, den die Junta blutig niederschlug. Kurz darauf wurde Papadopoulos durch einen weiteren Putsch von Hardlinern des Obristenregimes gestürzt. Das Ende der Diktatur kam wenige Wochen nach der Nelkenrevolution durch die Zypern-Krise. Am 15. Juli 1974 putschte die zypriotische Nationalgarde in Absprache mit der griechischen Junta, die damit von ihren inneren Problemen ablenken wollte, mit dem Ziel eines völkerrechtswidrigen Anschlusses an Griechenland. Dies führte fünf Tage darauf aber zu einer Invasion türkischer Truppen auf der Insel und einige Monate später zur Etablierung der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Wenige Tage nach der türkischen Invasion holte die Junta den früheren konservativen Ministerpräsidenten Konstantin Karamanlis aus dem französischen Exil zur Bildung einer zivilen Regierung zurück. Als Resultat dieses «Regime change» («Metapolitefsi») fanden am 17. November 1974 in Griechenland, wo zweieinhalbtausend Jahre zuvor die Demokratie erfunden worden war, die ersten freien Wahlen seit 1964 sowie ein Referendum über die Staatsform statt.

Die Türkei ihrerseits war erst im Jahr zuvor zu einer parlamentarischen Regierung zurückgekehrt. Der 1923 vom General und Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches gebildete Einparteienstaat war 1945 unter dem Eindruck des Sieges der Westalliierten zu einem Mehrparteiensystem umgewandelt worden. Die Armeeführung verstand sich aber weiterhin als über dem Elektorat und den Parteien stehende Hüterin der kemalistischen Staatsideologie. 1960 putschte sie ein erstes Mal gegen eine unliebsame Regierung und übernahm für anderthalb Jahre die Macht. 1969 konnte ein geplanter Putsch im letzten Moment abgewendet werden. 1971 erfolgte der zweite Militärputsch. Nach Ausrufung des Kriegsrechts und Absetzung der parlamentarisch legitimierten Regierung setzte der Staatspräsident unter dem Druck der Generäle ein neues, «überparteiliches» Kabinett mit Politikern beider grosser Parteien sowie Technokraten ein. Parallel dazu erfolgten mehrere Verbote von Parteien, Vereinen und Zeitungen, Verhaftungen und Folter von Oppositionellen sowie Massenprozesse durch Militärgerichte. Im Oktober 1973 fanden einigermassen freie Wahlen statt, aber bereits 1980 erfolgte der nächste Militärputsch.

Die erfolgreichen Demokratisierungen in Griechenland, Portugal und Spanien ermöglichten in den 1980er-Jahren die sogenannte «Süderweiterung» der Europäischen Gemeinschaft. 1981 wurde, trotz gewisser Bedenken wegen des gespannten Verhältnisses zur Türkei, Griechenland als zehntes Mitglied in die EG aufgenommen. Fünf Jahre darauf folgten die beiden iberischen Staaten (s. SozialarchivInfo 4/2022).

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 1.260.54 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Portugal, Schweden
  • Ar 56.40.3 POCH Zürich: Produktion POCH Verlag Zürich, 1972–1976
  • Ar 66.20.1 POCH Bern: Theorie und Strategie
  • Ar 138.50.2 Max Arnold: Internationale der Oeffentlichen Dienste IOeD
  • Ar 165.10.15 Harry Gmür: Presseartikel von Harry Gmür in der Gewerkschaftszeitung «Der öffentliche Dienst» (VPOD), 1967–1975
  • Ar 165.10.16 Harry Gmür: Presseartikel von Harry Gmür in «Helvetische Typographia», 1971–1975

Sachdokumentation

  • KS 335/395 Kommunismus, kommunistische Parteien: Spanien & Portugal
  • KS 338/43 Agrarpolitik & Landwirtschaft: Westeuropa: diverse Länder
  • KS 338/284 Wirtschaftspolitik: Belgien, Spanien, Portugal
  • QS 34.1 Staatsformen: Demokratie
  • QS ESG Griechenland
  • QS ESP Portugal
  • QS ESS Spanien
  • QS OVC Zypern
  • QS OVT Türkei
  • QS SSA Angola
  • QS SSM Moçambique, Mozambique
  • ZA 34.1 Staatsformen: Demokratie
  • ZA 58.0 E Kommunismus, kommunistische Parteien in einzelnen Ländern Westeuropas
  • ZA 77.5 *ES Arbeitskonflikte & Streiks: Südeuropa ausser Italien
  • ZA 78.1 E Gewerkschaften: Europa
  • ZA 81.1 C *3 Aussenhandel der Schweiz: mit Spanien, Portugal und Italien
  • ZA ESG Griechenland
  • ZA ESP Portugal
  • ZA ESP *L Landwirtschaftskollektive in Portugal
  • ZA ESS Spanien
  • ZA OEMa Macao
  • ZA OSI *OT Indonesien: Osttimor
  • ZA OVC Zypern
  • ZA OVT Türkei
  • ZA SSA Angola
  • ZA SSM Moçambique, Mozambique
  • ZA SWP Guinea-Bissau

Bibliothek

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  • Schilling, Barbara: Klassenkämpfe in Portugal heute: Dokumente und Materialen. Frankfurt 1975, 55074
  • Schilling, Jörg: Portugals afrikanische Kolonien im Freiheitskampf: Hintergrundmaterial, Analyse, Unterrichtsplanung. Giessen 1974, 53467
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  • Soares, Mário: Le Portugal baillonné: Un témoignage. Paris 1972, 49374
  • Soares, Mário: Portugal: Rechtsdiktatur zwischen Europa und Kolonialismus. Reinbek 1973, 52006
  • Soares, Mário: Portugal’s struggle for liberty. London 1975, 55088
  • Soares, Mário: Portugal: Welcher Weg zum Sozialismus? Berlin (West) 1976, 58110
  • Soares, Mário: Portugal: Quelle révolution? Entretiens avec Dominique Pouchin. Paris 1976, 57615
  • Sokol, Hans: Salazar und sein neues Portugal. Graz 1957, 23133
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  • Sperling, Urte: Portugal: Von Salazar zu Soares: Krise der Diktatur und Systemstabilisierung in einem europäischen «Entwicklungsland». Marburg 1987, 84624
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  • Steiniger, Klaus: Portugal im April: Chronist der Nelkenrevolution. Berlin 2011, 129748
  • Stellungnahme zum Beitrittsantrag Portugals: Von der Kommission am 19. Mai 1978 dem Rat vorgelegt. Luxembourg 1978, 41638
  • Suisse – Portugal: De l’Europe à l’Afrique. Genf 1973, 50815
  • Thomashausen, André: Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal. Berlin (West) 1981, 70125
  • Ventura, Cândida: Sozialismus, wie ich ihn erlebte: Erfahrungen einer ehemaligen Funktionärin der Kommunistischen Partei Portugals. Bern o. J. [ca. 1986], 82837
  • VII. Ausserordentlicher Parteitag der Portugiesischen Kommunistischen Partei, 20. Oktober 1974: Rede des Generalsekretärs der PKP, Alvaro Cunhal; Proklamation des Parteitages; Schlusswort des Genossen Alvaro Cunhal. Berlin (Ost) 1974, 54126
  • VIII. Parteitag der portugiesischen kommunistischen Partei, 11. bis 14. November 1976: Rede des Generalsekretärs der PKP, Alvaro Cunhal. Berlin (Ost) 1977, 60258
  • Wallraff, Günter: Aufdeckung einer Verschwörung: Die Spínola-Aktion. Köln 1976, 57794
  • Wohin treibt Portugal? Frankfurt 1975, 55093

Periodika

  • Portugal Nachrichten: Wochenzeitung für ein sozialistisches Portugal, D 4730
  • Sondernummer Portugal der Hochschul-Bresche, D 4141
Ungarische Flüchtlinge lesen 1956 die von den Zürcher Medienhäusern produzierte Zeitung «Hiradó» (Foto: Hermann Freytag/SozArch F 5025-Fc-065)
Ungarische Flüchtlinge lesen 1956 die von den Zürcher Medienhäusern produzierte Zeitung «Hiradó» (Foto: Hermann Freytag/SozArch F 5025-Fc-065)

Hintergrundliteratur zum Krieg in Osteuropa, Update Nr. 2

Der Krieg in Osteuropa dominiert seit Februar 2022 die Medien. Neben den aktuellen Berichten, Prognosen und Expert:innenmeinungen dürfen aber auch die vielschichtigen Hintergründe und Kontexte der Tragödie nicht aus dem Blickfeld geraten. Als Hilfestellung zur Orientierung in den umfangreichen relevanten Materialien in unserer Bibliothek (über swisscovery bestellbar) und Sachdokumentation (QS-, ZA- und DS-Signaturen; bestellbar via sachdokumentation.ch) publizierten wir im Juni 2022 eine thematisch gegliederte Auswahlbibliografie zu Sekundärliteratur und Quellen im Sozialarchiv:

Thematisch gegliederte Auswahlbibliografie als PDF (1’006 KB)

Hintergrundliteratur zum Krieg in Osteuropa, Update 24.2.2023 (PDF, 154 KB)

Hintergrundliteratur zum Krieg in Osteuropa, Update 24.2.2024 (PDF, 187 KB)

Die Stellungnahme des Sozialarchivs zum Überfall auf die Ukraine finden Sie hier.

Luna Wedler als Sophie Scholl auf Instagram (Foto: Bayerischer Rundfunk)
Luna Wedler als Sophie Scholl auf Instagram (Foto: Bayerischer Rundfunk)

Buchempfehlungen der Bibliothek

Mia Berg, Christian Kuchler (Hrsg.): @ichbinsophiescholl. Darstellung und Diskussion von Geschichte in Social Media. Göttingen, 2023

Der 100. Geburtstag von Sophie Scholl am 9. Mai 2021 wurde vom Südwestrundfunk (SWR) und vom Bayerischen Rundfunk (BR) zum Anlass genommen, eine Instagram-Story mit dem Titel «@ichbinsophiescholl» zu entwickeln, welche die letzten zehn Lebensmonate der Widerstandskämpferin darstellen sollten. Das Projekt stiess auf enorme Resonanz und erreichte in drei Wochen 6,4 Millionen Nutzer:innen, die etwa 1,25 Millionen Interaktionen auslösten. Trotz dieses grossen Erfolgs rief das Unterfangen nicht nur positive Reaktionen hervor, sondern sorgte in geschichtspädagogischer Hinsicht auch für kontroverse Diskussionen. Der vorliegende Band beleuchtet diese spannende Auseinandersetzung in verschiedenen Beiträgen von Historikerinnen, Geschichtspädagogen, Journalistinnen und Social-Media-Experten.
Medienproduzent:innen kämpfen um das junge Publikum. Beim besagten Projekt «@ichbinsophiescholl» wird die prominente und zugleich populäre historische Figur Sophie Scholl dazu benutzt, ein Massenpublikum anzulocken und möglichst hohe Klickzahlen zu erzielen. Inwiefern dabei eine tiefere Auseinandersetzung mit Scholls Schicksal und dem Holocaust stattfindet und junge Menschen für Geschichte interessiert werden können, sind die zentralen, herausfordernden Fragen. So kam etwa eine Befragung zum Schluss, dass Schüler:innen zwischen 12 und 19 Jahren «@ichbinsophiescholl» kaum zur Kenntnis genommen hatten. Zum Erfolg des Projekts trug hauptsächlich die nächstältere Zielgruppe der 20- bis 35-Jährigen bei. Nichtsdestotrotz werden sich Geschichtslehrer:innen zukünftig mit der Darstellung von Geschichte im Social-Media-Format beschäftigen müssen. Das vorliegende Buch zeigt die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen an einem der erfolgreichsten Produkte der «Public History» auf.

Kai Bird, Martin J. Sherwin: Robert Oppenheimer. Die Biographie. Berlin, 2009

J. Robert Oppenheimer (1904-1967) war Physiker und leitete das streng geheime Manhattan-Projekt in der Wüste von New Mexico, wo am 16. Juli 1945 die erste Atombombe gezündet wurde. Nur einen Monat nach dem Test starben in Hiroshima und Nagasaki mehr als 200’000 Menschen durch die neue «Wunderwaffe» – die Menschheit war ins Atomzeitalter eingetreten.
Über dreissig Jahre hinweg haben die beiden Autoren Interviews mit Angehörigen, Freund:innen und Kolleg:innen geführt, haben FBI-Akten gesichtet und Reden und Verhöre Oppenheimers ausgewertet. Auf dieser Basis gelingt es ihnen, den Menschen Oppenheimer in den Kontext seiner Zeit zu rücken. Das Buch zeigt Oppenheimer in verschiedensten, zum Teil auch widersprüchlichen Facetten. Er war nicht nur Physiker, sondern beschäftigte sich auch mit dem alten Griechenland und interessierte sich für Philosophie und Sprachen. Nicht zu Unrecht wurde er auch als dichtender Wissenschaftler bezeichnet. Christopher Nolans Film «Oppenheimer» (2023) beruht auf dieser Biografie.
Oppenheimers linksliberaler Bekanntenkreis wurde ihm in der McCarthy-Ära in den 1950er Jahren zum Verhängnis. Er fiel in Ungnade und musste deshalb den Staatsdienst nach unzähligen Anhörungen quittieren. Erst ein Jahrzehnt später wurde er für seine Arbeit im Manhattan-Projekt offiziell gewürdigt und rehabilitiert. In seiner späten Lebensphase wandte sich Oppenheimer entschieden gegen die Entwicklung von Wasserstoffbomben, denn er kam nach dem Atombombenabwurf zur persönlichen Überzeugung, dass jede wissenschaftliche Errungenschaft am Ende auch praktisch angewendet wird. Die Gefahr, die für die ganze Menschheit von Atombomben ausgeht, besteht immer noch, und sie ist seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs wieder grösser geworden.

Bestände im Sozialarchiv (Auswahl):

  • Der pensionierte ETH-Physiker Fernando Allidi hat dem Sozialarchiv im April 2018 rund 90 geschichtliche Darstellungen zum Thema «Atombombe» übergeben, darunter auch Werke neueren Erscheinungsdatums. Zu finden sind sie auf swisscovery mit dem Code «E19Atom».
  • ÄrztInnen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges (PSR/IPPNW-Schweiz) (SozArch Ar 526)
  • Archiv der Zeitschrift «Opposition – lebendige Demokratie», 1962-1965 (Signatur N 2468). Herausgegeben wurde die Zeitschrift im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Jugend gegen atomare Aufrüstung (SozArch Ar 201.212).
  • Sachdossier zu Atomwaffen (Dossier 45.5)
  • Sachdossier zur Atombewaffnung der Schweiz (Dossier 45.5 *12)

Jörn Leonhard: Über Kriege und wie man sie beendet. Zehn Thesen. München, 2023

Das Buch des Freiburger Historikers Jörn Leonhard bietet, um es gleich vorwegzunehmen, keine einfachen Patentrezepte für die Beendigung aktueller Kriege. Es arbeitet aber aus der Kriegsgeschichte gewisse Muster der Transformation vom Krieg zum Frieden heraus. Zumeist verläuft diese verschlungen, wird von Verzögerungen und Rückschlägen unterbrochen. Waffenstillstand und eventuelle Unterzeichnung eines Friedensvertrags dürfen noch nicht mit Frieden verwechselt werden – oft sind sie nur eine Gefechtspause, bis sich eine Partei zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen in der Lage sieht. Der eigentliche Friedensprozess beginnt deshalb erst nach dem Waffenstillstand. Aber schon die ersten Friedenssondierungen und Signale von Kompromissbereitschaft unterliegen einer komplexen Psychologie, werden sie von der Gegenseite doch oft als Zeichen der Schwäche gewertet und mit einer Verstärkung kriegerischer Anstrengungen beantwortet. Die Erschöpfung verfügbarer Ressourcen bestimmt den Kippmoment von Kriegen, ruft aber nicht unbedingt entsprechende Einsichten bei den Entscheidungsträger:innen hervor. Vor dem Hintergrund dieser und weiterer Beobachtungen aus der Geschichte prognostiziert Leonhard keine einfache Beendigung des Krieges gegen die Ukraine – weder durch rasche Verhandlungen, die für die Entscheidungsträger:innen beider Seiten aus unterschiedlichen Gründen mit existentiellen Risiken behaftet sind, noch durch «Einfrieren» des Konflikts.

Weitere Literatur zum Thema:

  • Jost Dülffer: Frieden stiften. Deeskalations- und Friedenspolitik im 20. Jahrhundert. Hg. Marc Frey et al. Köln 2008 (Signatur 119005)
  • Jörg Fisch: Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Eine universalgeschichtliche Studie über Grundlagen und Formelemente des Friedensschlusses. Stuttgart 1979 (Signatur 72987)
  • Oliver P. Richmond und Gëzim Visoka (Hg.): The Oxford handbook of peacebuilding, statebuilding, and peace formation. New York 2021 (Signatur Gr 15354)

Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser: Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft. Berlin, 2023

Ist die heutige Gesellschaft tatsächlich so polarisiert, stehen sich in wichtigen Fragen unserer Zeit wirklich zwei unversöhnliche Lager gegenüber? Auch wenn der Gesellschaft der Gegenwart inflationär ihre Gespaltenheit diagnostiziert wird, heisst das nicht zwingend, dass sie generell konfliktiver geworden ist. Denn: «Konflikte werden gesellschaftlich hergestellt – sie werden entfacht, getriggert und angespitzt.»
Die Makrosoziologen der Berliner Humboldt-Universität vermessen die «zerklüftete Konfliktlandschaft» in der Bundesrepublik Deutschland genauer. In vier konkreten «Konfliktarenen der Ungleichheit» – Besitzverhältnisse; Migration; Diversität; Klimawandel – horchen sie mit empirischen Instrumenten die Einstellungen in der Bevölkerung ab. Fazit: In Grundfragen herrscht erstaunlich oft Konsens und die Meinungen driften nur in Teilaspekten stark auseinander. Erst wenn es um bestimmte affektive «Triggerpunkte» geht, bilden sich «eskalatorische Dynamiken» und in der kontroversen Debatte harte antagonistische Fronten. Die Gleichstellung wird nicht infrage gestellt, das Gendersternchen aber sehr wohl; Umweltschutz wird befürwortet, erst bei der Frage, wer die Kosten dafür tragen soll, tun sich Gräben auf.
Die Autoren interessiert überdies die Frage, «ob sich moderne Ungleichheitskonflikte als Klassenkonflikte verstehen lassen» und wie sozialstrukturelle Kontexte mit «Formen affektiver Polarisierung» zusammenhängen.

Patrick Oberholzer: Games. Auf den Spuren der Flüchtenden aus Afghanistan. Bielefeld, 11/2023

Flucht und Immigration sind in den europäischen Ländern seit den 1990er Jahren zusehends zu innenpolitischen Kampfzonen verkommen. Dass wir heute von «Asylanten» statt von Flüchtlingen reden, ist Symptom einer moralischen Verrohung in unserem Umgang mit Menschen, die sich aus einer existenziellen Notsituation heraus dazu entschlossen haben, ihre Heimat zu verlassen.
Patrick Oberholzers dokumentarische Graphic Novel mit fünf realen Fluchtgeschichten junger Menschen aus Afghanistan leistet deshalb einen wichtigen, niederschwelligen Beitrag für unser Verständnis von Flucht, indem wir ganz bildhaft und konkret erfahren, weshalb Afghan:innen aus ihrem Land fliehen, wie sie die Flucht organisieren, welche Hürden sie auf ihrem Weg nach Europa überwinden müssen (die Versuche, über eine Grenze zu kommen, werden «Games» genannt) und welches Aufnahmeprozedere sie in der Schweiz erwartet.
Die gezeichneten Erlebnisberichte von Hamid, Muhammed, Ziya, Afsaneh und Nima basieren auf Interviews und Gesprächen, die der Winterthurer Illustrator mit ihnen geführt und dann zuerst niedergeschrieben hat. Die persönlichen Schicksale werden durch hinzugefügte leicht verständliche Infografiken und -texte mit Hintergrundwissen etwa zum Schlepperwesen, zur Finanzierung der Flucht mit dem «Hawala»-System, zu den verschiedenen Fluchtrouten, zum Dublin-System oder zu Pushbacks in einen allgemeineren Kontext gestellt.

Edizioni Periferia (Hrsg.): Pia Zanetti. Luzern/Poschiavo, 2023

Pia Zanetti (geb. 1943) war – in einer Zeit, da das Fotografieren fast ausschliesslich Männern vorbehalten war – eine der ersten Fotoreporterinnen der Schweiz. Neugierig, engagiert und mutig bereiste sie Europa, später die ganze Welt. Sie war mehrere Male in Kriegs- und Krisengebieten und realisierte zusammen mit ihrem Mann, dem Journalisten Gerado Zanetti, unzählige Reportagen für Publikationen wie Die Woche, Das Magazin, Du und NZZ sowie für internationale Zeitschriften wie Europeo, Espresso und Paris Match.
Der Mensch steht stets im Mittelpunkt ihrer Bilder. Unaufdringlich und einfühlsam dokumentiert sie den Alltag, die Solidarität und den Widerstand. Sie ist immer mittendrin und in Bewegung. In London wird sie anlässlich einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg verprügelt. In Moskau wird sie verhaftet, da sie ohne Visum unterwegs nach Usbekistan ist. Ihr gelingt es in Kohle- und Goldminen zu fotografieren, obwohl Frauen der Zutritt zu den Minen verwehrt war.
Pia Zanetti lebte in Rom, London, im Tessin und heute in Zürich. Im Auftrag der Caritas reiste sie noch einmal rund um die Welt. Sie fotografierte für das Bulletin der Crédit Suisse und finanzierte so ihre Arbeit für NGOs. Seit 2019 ist Pia Zanetti Stiftungsrätin und fotografische Beraterin der Organisation Fairpicture. 2021 wurde sie mit dem Lifetime Award der Swiss Photo Academy ausgezeichnet und die Fotostiftung Schweiz in Winterthur widmete ihr eine Einzelausstellung, zu deren Anlass die Publikation «Pia Zanetti. Fotografin» (Signatur Gr 15163) erschien. Die Fotografien für den vorliegenden Bildband «Pia Zanetti» hat die Fotografin in Zusammenarbeit mit ihrem Sohn Luca Zanetti ausgewählt, der ebenfalls Fotograf ist.

Der Bezug von Bildern ist ab sofort kostenlos

Bildbestellungen sind gebührenpflichtig – dieser Grundsatz ist seit Ende Jahr Geschichte. Der Bezug von Scans aus der Datenbank Bild + Ton ist nun kostenlos.

Die Gebührenordnung für die Abteilung Bild + Ton entstand 2008, als das Sozialarchiv als eine der ersten Gedächtnisinstitutionen der Schweiz mit einer attraktiv gestalteten multimedialen Datenbank online ging. Damals war man der Ansicht, dass die Nutzung der Bilder honorierungspflichtig sein sollte, auch weil man mit dem neuen Angebot in eine gewisse Konkurrenz zu kommerziellen Bildagenturen wie Keystone-SDA trat.

Der Aufwand für Rechnungsstellung, Verbuchung und Mahnungen fiel in etwa gleich hoch aus wie die Einnahmen aus den Gebühren. Viele Benutzende übersahen beim Bestellen, dass sie damit auch die Gebührenordnung akzeptierten, und reagierten entsprechend verständnislos auf die Zustellung einer Rechnung. Andere wollten – zu Recht – nicht einsehen, weshalb sie für die Verwendung eines Bildes in einer studentischen PowerPoint-Präsentation 30 Franken entrichten sollten.

Inzwischen sind in der Schweiz etliche weitere Bildarchive online gegangen und es stellte sich zunehmend die Frage, ob die Bildgebühren noch zeitgemäss seien – schliesslich ist auch die Nutzung von Archivalien kostenlos. Und es gibt eigentlich keinen Grund, traditionelles Schriftgut und audiovisuelles Material im Bereich Archiv ungleich zu behandeln. Denn beides sind historische Quellen, die es verdienen, möglichst niederschwellig zur Verfügung gestellt zu werden!

26.1.2024, 19 Uhr: Ordnungen des Todes

Von Listen, Statistiken und Dunkelziffern über das Sterben und die Verstorbenen

Ob Opfer von Genoziden, Attentaten, häuslicher Gewalt, Unfällen oder Naturkatastrophen: Listen sind nie «unschuldig», sondern verfolgen immer bestimmte Absichten. Register suggerieren Kontrolle, sind aber auch Machtinstrumente. Listen von Verstorbenen dokumentieren gesellschaftliches Handeln und erzählen eine eigene Geschichte des Todes.
Die Beiträger:innen des Bandes «Ordnungen des Todes» untersuchen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart Zählungen von Gefallenen oder Verstorbenen in kolonialen Kontexten, Unfallstatistiken, Todeslisten in der NS-Zeit, Suizide in der DDR sowie Todesfälle von Geflüchteten. Ihre Analysen fokussieren dabei die Hintergründe und Motivationen der Urheber:innen und liefern damit einen erhellenden Einblick in die Macht der Statistik.

Buchpräsentation mit den Autor:innen Nina Kreibig (Humboldt-Universität zu Berlin), Moisés Prieto (Universität Bern) und Philipp Krauer (Staatsarchiv des Kantons Schwyz)

Freitag, 26. Januar 2024, 19 Uhr
Schweizerisches Sozialarchiv, Medienraum

Veranstaltungsflyer herunterladen (PDF, 110 KB)

Berufserkundungstage

Das Schweizerische Sozialarchiv bietet am Mittwoch, 13. März 2024, und am Freitag, 15. März 2024, je einen Berufserkundungstag an. An dem Tag geben wir Einblick in die Lehre als Fachmann/-frau Information und Dokumentation EFZ.

Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt, die Anmeldefrist endet am 4. März 2024.

Anmeldungen bitte mit Geburtsdatum und Namen der aktuellen Schule.

Kontakt und Anmeldung: Andrea Schönholzer, Berufsbildnerin, schoenholzer@sozarch.uzh.ch

Inzwischen sind alle Plätze für die Berufserkundungstage besetzt. Interessierte können sich aber auf die Warteliste setzen lassen.

Vor 50 Jahren: Die Erdölkrise

Am Sonntag, 25. November 1973, stand auf den Schweizer Strassen alles still. Dasselbe Phänomen wiederholte sich an den folgenden beiden Sonntagen. Auch in den Nachbarländern Deutschland und Österreich gab es in jenen Wochen autofreie Sonntage. Die Regierungen reagierten damit auf die von arabischen Ländern aus politischen Gründen verordnete Einschränkung der Ölfördermengen und den scharfen Anstieg der Ölpreise auf dem Weltmarkt. Letzterer trug massgeblich zur ersten grossen Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg bei. Dies hatte weitreichende, bis in die Gegenwart fortwirkende Folgen: Das Ende der durch stetiges Wirtschaftswachstum gekennzeichneten «Trente Glorieuses» erodierte den sozialpartnerschaftlich-keynesianischen Nachkriegskonsens und gab Stimmen von rechts und links Auftrieb, die alternative wirtschafts- und sozialpolitische Strategien propagierten. Zugleich wurde die politische Problematik der internationalen Energieabhängigkeit drastisch vor Augen geführt. Die scharfe Rezession beschleunigte in Ländern wie der Schweiz den bereits im Gang befindlichen Strukturwandel weg von der industriellen Produktion, hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Darüber hinaus stehen die Ereignisse vor einem halben Jahrhundert auch am Beginn verschiedener aktueller Themen: Von der Dominanz «neoliberaler» Wirtschaftspolitik über das klima- und versorgungspolitische Postulat der Dekarbonisierung und die energiepolitische Abhängigkeit von Russland bis hin zu den Terroranschlägen der Hamas zum 50. Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges.

«Trente Glorieuses», «1950er-Syndrom» und die «Grenzen des Wachstums»

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt von einem Wirtschaftsaufschwung mit weitgehender Vollbeschäftigung, stetigen Reallohnzuwächsen und nur gelegentlichen leichten Wachstumsdellen. Die als Lehre aus der Grossen Depression der 1930er-Jahre entstandene keynesianische Wirtschaftstheorie schien den Schlüssel zu einer krisenfreien Entwicklung zu bieten: Bei Wachstumseinbrüchen sollte der Staat zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit und deflationärer Schrumpfung seine Ausgaben erhöhen, in starken Wachstumsphasen zur Inflationsbekämpfung dagegen finanz- und konjunkturpolitisch auf die Bremse treten (s. SozialarchivInfo 5/2020). Es fehlte allerdings auch in der Schweiz nicht an Unkenrufen, die prophezeiten, es könne nicht immer so weitergehen, und Kritik an der «wirtschaftlichen Aufblähung» und «Überkonjunktur» übten. Der Bund reagierte mehrfach mit Massnahmen zur «Konjunkturdämpfung» gegen die vermeintliche «Überhitzung» der Wirtschaft. Als Probleme wurden vor allem die mit dem Wirtschaftsaufschwung verbundene Teuerung sowie die angebliche «Überfremdung» durch immigrierte Arbeitskräfte betrachtet (s. SozialarchivInfo 2/2020), seit den 1960er-Jahren allmählich auch Luft- und Gewässerverschmutzung, Verkehrszunahme und wachsender Energiebedarf.

Tatsächlich führten das rasante Wirtschaftswachstum, der Durchbruch zur Massenkonsumgesellschaft und die Automobilisierung der Gesellschaft in der frühen Nachkriegszeit zu einem sprunghaften Anstieg des Energieverbrauchs – dies weltweit, auf der Ebene der industrialisierten Volkswirtschaften und dort auch pro Kopf. Den Löwenanteil des wachsenden Energiebedarfs, den die wirtschafts- und umwelthistorische Forschung später als «1950er Syndrom» pathologisiert hat, deckten dabei die fossilen Brennstoffe, insbesondere das Erdöl. In der Schweiz verdrängte das Erdöl in den ersten zehn Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg die teurere Kohle als wichtigsten Energieträger. 1946 wurden noch 37 Prozent des Primärenergieverbrauchs mit Kohle gedeckt und nur 11 Prozent mit Erdöl. 1956 entfielen dann auf das Erdöl bereits 37 Prozent und auf die Kohle nur noch 24 Prozent. In absoluten Zahlen nahm indessen auch der Kohleverbrauch bis Ende der 1950er-Jahre noch zu, freilich bei Weitem nicht so rasant wie der Erdölverbrauch, der sich von 1945 bis 1973 mehr als verfünfhundertfachte. Dafür verantwortlich waren etwa eine Verdreifachung des Motorfahrzeugbestands allein in den 1950er-Jahren und eine massive Zunahme des Erdölverbrauchs bei Haushalten, Gewerbe, Landwirtschaft und Dienstleistungen.

Im Verhältnis zu den Preisen für die meisten anderen Güter und zu den Löhnen wurde das Erdöl in dieser Phase immer billiger, so dass ökonomische Anreize zu seinem sparsamen Einsatz fehlten und sich Rationalisierungsbemühungen auf andere Aspekte der Produktionsprozesse und des Konsumverhaltens konzentrierten. So sank in der Schweiz während der «Trente Glorieuses» die Energieeffizienz laufend. Zwar warnten seit den 1950er-Jahren Naturwissenschaftler:innen vor einem durch den wachsenden CO2-Ausstoss verursachten Temperaturanstieg und zirkulierten in der Presse auch bereits apokalyptische Zukunftsbilder überfluteter Grossstädte nach einem Abschmelzen der Polkappen. Wirklich wahrhaben wollten dieses Problem aber nur wenige (s. SozialarchivInfo 6/2019). Hinzu kam eine zunehmende weltwirtschaftliche Abhängigkeit von den Staaten des Persischen Golfs: Noch 1940 hatte diese Region lediglich etwa 5 Prozent der globalen Erdölproduktion beigesteuert, bis 1973 stieg dieser Anteil auf über 40 Prozent.

Anderthalb Jahre vor Beginn der Erdölkrise trat dann der «Club of Rome» mit seiner aufsehenerregenden Studie «Grenzen des Wachstums» an die Öffentlichkeit (s. SozialarchivInfo 1/2022). Die am Massachusetts Institute of Technology (MIT) erstellte Studie beruhte auf einer kybernetischen Computersimulation, die in unterschiedlichen Szenarien fünf wesentliche Tendenzen mit globaler Wirkung analysierte: Zunahme der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion, Bevölkerungswachstum, Ausbeutung von Rohstoffreserven und Zerstörung von Lebensraum. Aufgrund der Modellrechnungen gelangten die Wissenschaftler:innen zum Schluss, dass mit unveränderten Zuwachsraten die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Lauf der nächsten hundert Jahre erreicht sein würden. Danach könnte es aufgrund der Erschöpfung der Rohstoffreserven (nicht zuletzt des Erdöls) und irreparabler Umweltschäden zu einem raschen Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität kommen. Der Bericht sah diese Entwicklung nicht als unabwendbar an. Eine Veränderung der Wachstumsvoraussetzungen in Richtung eines ökologischen und ökonomischen Gleichgewichtszustandes erschien möglich, allerdings wären dazu rasches und global koordiniertes Handeln und innovative Lösungsansätze Voraussetzungen.

Die geopolitische Problematik des wachsenden Erdölkonsums hatte sich schon in der ersten Hälfte der «Trente Glorieuses» mehrfach gezeigt. Bereits eine der ersten Ost-West-Konfrontationen des beginnenden Kalten Krieges drehte sich ums Erdöl. Nachdem während des Zweiten Weltkriegs Grossbritannien und die Sowjetunion gemeinsam den Iran besetzt hatten, um die dortigen Ölfelder für die Alliierten zu sichern, verweigerte der Kreml nach Kriegsende den Truppenabzug, versuchte, den Nordiran abzuspalten und dauerhaft unter die eigene Kontrolle zu bringen, und wälzte gar Pläne für einen kommunistischen Umsturz in Teheran. Dies führte zu amerikanischen Drohungen bis hin mit dem Einsatz von Atomwaffen sowie zur Einschaltung des eben erst geschaffenen UNO-Sicherheitsrates. Im Frühjahr 1946 zog die Rote Armee aus dem Iran ab und bis Ende 1946 unterdrückte die iranische Armee die separatistischen Bestrebungen im Norden.

Im Oktober 1947 lehnte das iranische Parlament die von Stalin geforderte Gründung einer sowjetisch-iranischen Ölgesellschaft ab, forderte aber auch eine Revision des Konzessionsvertrags mit der «Anglo Iranian Oil Company». 1949 wurde die staatliche «Iran Oil Company» gegründet, die unabhängig vom Einfluss der Grossmächte dem iranischen Staat Einnahmen bescheren sollte. Eine Gruppe von Petrogeologen erhielt den Auftrag, in verschiedenen Landesteilen nach Ölvorkommen zu suchen. Der Kern dieses Teams bestand aus Schweizern, die Leitung oblag dem Zürcher Geologen Arnold Heim. Nachdem die Verhandlungen über eine Revision der Konzession der «Anglo Iranian Oil Company» ergebnislos geendet hatten, verstaatlichte der Iran 1951 die gesamte Ölindustrie. Daraufhin organisierte Grossbritannien einen internationalen Boykott gegen iranisches Öl. Für Aufsehen sorgte, als die Briten im Juni 1952 in Aden den von einer Schweizer Tarnfirma gecharterten Öltanker «Rose Mary» kaperten, der im Auftrag einer italienischen Firma iranisches Rohöl getankt hatte. Im Frühjahr 1953 gab dann Gottlieb Duttweiler bekannt, dass auch die im Aufbau befindliche Migros-Tochter «Migrol» iranisches Öl beziehe.

Neben dem Ölboykott drängte die britische Regierung die USA zu einem gemeinsamen Umsturzplan gegen den iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh und spielte dabei die Karte des Antikommunismus. Im Sommer 1953 starteten die Geheimdienste CIA und MI6 die «Operation Ajax» zur Destabilisierung der iranischen Regierung durch Bestechung von Politikern, Journalisten und anderen Meinungsmachern und Anzettelung von Unruhen. Schliesslich wurde Mossadegh vom Schah entlassen und verhaftet. Die Förderung und Vermarktung des iranischen Öls ging 1954 auf ein westliches Konsortium über. Der Anteil der aus der «Anglo Iranian Oil Company» hervorgegangenen «British Petroleum Company» (BP) wurde auf 40 Prozent reduziert, dafür stiegen fünf US-Unternehmen sowie «Royal Dutch Shell» und die «Compagnie Française des Pétroles» ein. Schiedsinstanz zur Schlichtung eventueller Konflikte zwischen dem Konsortium und der iranischen Regierung wurde die Schweiz.

Die Ölwaffe im arabisch-israelischen Konflikt

Zeitgleich zu den Konflikten ums iranische Öl spielte das schwarze Gold auch im beginnenden arabisch-israelischen Konflikt eine Rolle. Während des grossen arabischen Aufstands im Völkerbund-Mandatsgebiet Palästina von 1936 bis 1939 hatten die Rebellen wiederholt die kurz zuvor eröffnete Kirkuk-Haifa-Pipeline attackiert, welche Erdöl vom Irak durch Jordanien und Galiläa zum Mittelmeer leitete. Die Pipeline wurde in dieser Phase von britischen Sicherheitskräften und jüdischen Paramilitärs bewacht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Erdölinfrastruktur dann Ziel zahlreicher Terroranschläge der rechtszionistischen Untergrundorganisationen Irgun und Lechi («Stern Gang»), die den Abzug der britischen Mandatsverwaltung beschleunigen wollten. So zerstörten Sternisten im Frühjahr 1947 zwei Öltransportzüge und verübten einen Brandanschlag auf die Raffinerie von Haifa, der 16’000 Tonnen an Ölprodukten zerstörte. Ende 1947 töteten Irgun-Mitglieder mit einem Granatenanschlag vor derselben Raffinerie sechs arabische Tagelöhner, die um Arbeit anstanden, aus Rache für arabische Angriffe auf Juden. Daraufhin attackierten arabische Raffineriearbeiter ihre jüdischen Kollegen und töteten 39 von ihnen. Als Vergeltung richtete die paramilitärische Organisation Haganah in der folgenden Nacht ein Massaker an der Bevölkerung des Dorfes Balad al-Sheikh an. Die von «Royal Dutch Shell» und der «Anglo-American Oil Company» (heute: ExxonMobil) betriebene Raffinerie befand sich am Ende der Kirkuk-Haifa-Pipeline, die ab 1945 zum Ziel zahlreicher Attacken wurde. Ein im November 1947 von der UNO verabschiedeter Teilungs- und Konföderationsplan für Palästina wurde von der «Jewish Agency» akzeptiert, von den meisten arabischen Regierungen aber abgelehnt. Nach der Gründung von Israel am 14. Mai 1948 und der Kriegseröffnung von Ägypten, Syrien, Jordanien, Libanon und Irak gegen den neuen Staat wenige Stunden danach verweigerte die irakische Regierung die weitere Belieferung der Kirkuk-Haifa-Pipeline.

Auch im nächsten arabisch-israelischen Krieg spielte das Erdöl eine Rolle und die Verknüpfung von Öl und Geopolitik wurde auch in Europa spürbar. Im Juli 1956 kündigte Ägyptens panarabisch-nationalistischer Präsident Gamal Abdel Nasser die Verstaatlichung der britisch-französischen Suezkanal-Gesellschaft an. Insbesondere für Grossbritannien war der Suezkanal in der Erdöllogistik von grosser Bedeutung. Grossbritannien, Frankreich (dem die ägyptische Unterstützung der algerischen Unabhängigkeitsbewegung missfiel) und Israel (das sich mit Attacken von Ägypten ausgerüsteter palästinensischer Guerillas konfrontiert sah) vereinbarten daraufhin ein gemeinsames Vorgehen gegen Nasser. Dieses sollte mit einem israelischen Angriff auf Ägypten beginnen, einer als Vermittlungsmission getarnten britisch-französischen Luftlandeaktion am Suezkanal fortgesetzt werden und indirekt zu Nassers Sturz führen. Die Operation startete Ende Oktober 1956 und setzte sich Anfang November – zeitgleich zur sowjetischen Invasion in Ungarn (s. SozialarchivInfo 5/2016) – fort.

Die Weltöffentlichkeit und beide Supermächte reagierten auf das an Aktionen aus der Zeit des Hochimperialismus erinnernde Vorgehen der beiden ehemaligen europäischen Grossmächte empört. Die USA übten massiven diplomatischen Druck aus und stellten vorübergehend die Wirtschaftshilfe für Israel und Grossbritannien ein. Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow stoppte die Öllieferungen an Israel und drohte gar mit Atomschlägen gegen London und Paris. Die NATO-Partner fühlten sich durch das eigenmächtige militärische Vorgehen Grossbritanniens und Frankreichs brüskiert. Und die UNO-Generalversammlung forderte einen unverzüglichen Abbruch der Militäraktion und einen Truppenrückzug und beschloss die Stationierung von «Peace Keeping»-Einheiten (den ersten ihrer Art) im ägyptisch-israelischen Grenzgebiet.

Ende Dezember 1956 bis März 1957 zogen die Invasionstruppen von ägyptischem Territorium ab. Parallel dazu verliess in diesen Monaten ein bedeutender Teil der jüdischen Gemeinschaft Ägyptens das Land – als Teil eines generellen Prozesses von Fluchten und Vertreibungen der jüdischen (v.a. sephardischen) Bevölkerungsgruppen aus arabischen Ländern vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu Beginn der 1970er-Jahre, der die ursprünglich europäisch bzw. aschkenasisch geprägte jüdische Mehrheitsbevölkerung Israels veränderte und vom offiziellen Israel teilweise mit der quantitativ vergleichbaren Flucht und Vertreibung von Palästinenser:innen in den Jahren 1947 bis 1949 (je etwa 800’000 Menschen) aufgerechnet und begrifflich gleichgesetzt wurde («jüdische Nakba»). Nasser ging aus der Suezkrise trotz der militärischen Niederlage politisch als Sieger hervor und stärkte seine Position als Anführer der arabischen Welt.

Wegen der Versenkung zahlreicher Schiffe durch Ägypten blieb der Verkehr durch den Suezkanal von Ende Oktober 1956 bis im April 1957 gesperrt. Ebenso sprengten syrische Kommandos Anfang November die als Ersatz für die Kirkuk-Haifa-Pipeline errichtete Kirkuk-Baniyas-Pipeline, die Erdöl vom Irak durch Syrien zum Mittelmeer leitete, und Saudi-Arabien verhängte ein Ölembargo gegen Grossbritannien und Frankreich. Die Erdölabhängigkeit der Industriestaaten war indessen noch zu gering, als dass dadurch eine Wirtschaftskrise verursacht worden wäre – die kurze Rezession von 1958 hatte andere Ursachen. Der Bundesrat erliess aber angesichts der Doppelkrise im Nahen Osten und Ungarn und der geringen Ölreserven im Inland für die vier Sonntage ab dem 18. November 1956 ein generelles Autofahrverbot. Andere europäische Länder führten vorübergehend die Benzinrationierung aus dem Zweiten Weltkrieg wieder ein. In verschiedenen europäischen Staaten starteten im Anschluss an die Suezkrise inländische Erdölexplorationen. In der Schweiz erfolgte 1959 die Gründung der Swisspetrol AG, die nach Erdöl und Erdgas suchte und bis 1966 siebzehn erfolglose Bohrungen durchführte.

Die Suezkrise sollte nicht der letzte arabisch-israelische Krieg bleiben. Die Attacken aus arabischen Staaten operierender palästinensischer Guerillas auf Israel setzten sich fort, hinzu kamen in den frühen 1960er-Jahren konkurrierende wasserwirtschaftliche Projekte Israels und der arabischen Staaten, die auch zu militärischen Grenzscharmützeln führten. Der von Nasser erzwungene Abzug der UNO-Blauhelmtruppen vom Sinai im Frühjahr 1967, die völkerrechtswidrige ägyptische Sperrung der Strasse von Tiran für die israelische Schifffahrt und damit deren Abschnürung vom Roten Meer und Indischen Ozean, falsche sowjetische Geheimdienstberichte an das militärisch unterstützte Ägypten über angebliche israelische Truppenkonzentrationen an der Grenze zu Syrien sowie ein massiver, von Vernichtungspropaganda begleiteter Truppenaufmarsch Ägyptens an den Grenzen Israels mündeten am 5. Juni 1967 in den Ausbruch des Sechstagekrieges. Dieser begann mit einem israelischen Luftschlag, der die gesamte ägyptische Luftwaffe ausschaltete, und bescherte Ägypten, Jordanien und Syrien eine schwere Niederlage. Am zweiten Kriegstag beschlossen mehrere arabische Staaten eine Einschränkung des Ölexports. Der Irak, Kuwait, Algerien und Bahrain verhängten ein Ölembargo gegen die USA und Grossbritannien, Syrien stellte den Ölexport ganz ein. Diese nur halbherzig befolgten Massnahmen dauerten über das Kriegsende hinaus bis zum 1. September 1967. Sie schadeten den USA und Westeuropa wirtschaftlich aber kaum.

Innert weniger Tage erlangten die israelischen Streitkräfte die Kontrolle über die ägyptische Sinaihalbinsel, den seit 1948 ägyptisch besetzten Gazastreifen, das seit 1948 jordanisch besetzte Westjordanland samt Ostjerusalem und die syrischen Golanhöhen. Damit gerieten alle Gebiete, die gemäss dem UNO-Plan von 1947 für einen arabischen Staat in Palästina vorgesehen gewesen waren, unter israelische Herrschaft, ebenso etwa eine Million Palästinenser:innen. Etwa ein Drittel von ihnen floh, hauptsächlich nach Jordanien. Zeitgleich intensivierten sich in verschiedenen arabischen Staaten die Verfolgungen der verbliebenen jüdischen Gemeinschaften, was deren Flucht nach Israel oder in westliche Länder nach sich zog. Auch die jüdischen Gemeinschaften im Ostblock wurden zum Ziel von Repressionen und ausser Rumänien brachen alle Ostblockstaaten die diplomatischen Beziehungen zu Israel ab. Am 1. September 1967 einigten sich die Regierungschefs der Arabischen Liga in der Resolution von Khartum auf die «drei Nein»: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel. Damit wurde das israelische Angebot einer Rückgabe von Sinaihalbinsel und Golanhöhen gegen die Anerkennung Israels durch Ägypten und Syrien hinfällig.

Es folgte der sogenannte Abnützungskrieg, in dem Ägypten erfolglos den Sinai zurückzuerobern versuchte. Er dauerte bis zum Abschluss eines Waffenstillstands im August 1970. Ebenfalls in diese Zeit fielen das Aufkommen der palästinensischen Luftpiraterie, der Bürgerkrieg in Jordanien mit Gefechten jordanischer Sicherheits- und Streitkräfte gegen palästinensische Guerillas und syrische Truppen in den Jahren 1970/71 sowie die Geiselnahme des israelischen Teams an den Olympischen Spielen 1972 in München durch die palästinensische Terrororganisation «Schwarzer September», die mit siebzehn Toten endete.

Ebenso erfolgte ein Prozess, der zeitgenössisch als «Souveränitätswechsel beim Erdöl» weg von den westlichen Ölkonzernen, hin zu den Förderländern bezeichnet wurde. 1968 gründeten Kuwait, Libyen und Saudi-Arabien die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) als Ergänzung zur Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Die 1960 entstandene OPEC verstand sich als Kartell zur Kontrolle der Fördermengen, Anhebung der Weltmarktpreise und Verhandlungsgegenspieler der grossen Ölkonzerne (sog. «sieben Schwestern»). 1967 verweigerte aber das OPEC-Mitglied Venezuela die Beteiligung an den Fördereinschränkungen der arabischen Staaten. Bis 1973 traten Algerien, Bahrain, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Irak, Syrien und Ägypten der OAPEC bei. Zwischen 1971 und 1973 kam es zudem zu einer Verstaatlichungswelle westlicher Erdölförderkonzessionen in Algerien, Irak, Kuwait, Katar, Abu Dhabi, Saudi-Arabien und im Iran. Dieser Umbruch führte auch zur Entstehung neuer Vertriebskanäle, wovon etwa der Rohstoffhändler Marc Rich profitierte, dessen Marc Rich + Co AG (heute: Glencore) ab 1974 in Zug domiziliert war.

Der nächste arabisch-israelische Krieg startete am 6. Oktober 1973 mit einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens auf Israel am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Während der ersten beiden Tage, als das völlig überrumpelte Israel seine Streitkräfte mobilisierte, rückten die arabischen Armeen so rasch vor, dass die israelische Regierung darüber diskutiert haben soll, Atombomben gefechtsbereit zu machen. Dann wendete sich das Blatt aber, die durch einen irakischen Panzerverband verstärkten syrischen Streitkräfte wurden am Golan schwer geschlagen und die ägyptischen Einheiten auf der Sinaihalbinsel teilweise eingekesselt. Am 16. Oktober überquerten israelische Verbände sogar den Suezkanal. Am 24. Oktober trat unter dem Druck der UNO ein Waffenstillstand in Kraft. Trotz der militärischen Niederlage stellten die Regime Ägyptens und Syriens diesen Krieg in der Folge als erfolgreiche Revanche für 1967 dar.

Dieses Mal wirkte die Ölwaffe aufgrund der neuen Strukturen des Ölmarktes weit stärker als während der vorangegangenen Nahostkriege. Bereits am ersten Tag des Jom-Kippur-Krieges beschlossen die Ölminister der arabischen Staaten einen Lieferboykott gegen den Westen. Am 16. Oktober hoben die Förderländer des persisch-arabischen Golfs die Rohölpreise um 70 Prozent an, weitere OPEC-Länder folgten diesem Vorbild. Am folgenden Tag beschloss die OAPEC eine Reduktion der Ölfördermenge um 5 Prozent für so lange, bis sich Israel aus den 1967 eroberten Gebieten zurückzöge. Auf Grundlage einer Einteilung der Verbraucherländer in «befreundet», «neutral» und «feindlich» erhielten erstere volle Lieferumfänge, die «Neutralen» die noch zur Verfügung stehenden Restmengen und die in arabischen Augen proisraelischen «Feinde» gar nichts mehr. Die Fördereinschränkung wurde zwar bereits Ende Dezember 1973 wieder aufgehoben. Am 23. Dezember beschlossen die Golfstaaten aber auch eine Verdoppelung des Ölpreises. Im März 1974 hoben die OAPEC-Staaten ihr Ölembargo gegen die USA als Anerkennung der amerikanischen Vermittlungserfolge zwischen Ägypten und Israel auf. Bei diesen Massnahmen der Ölförderländer gingen politische Absichten und das aussenwirtschaftliche Ziel einer langfristigen Anhebung der Weltmarktpreise Hand in Hand. Tatsächlich stieg der Ölpreis am 17. Oktober 1973 von 3 auf über 5 Dollar pro Barrel und steigerte sich im folgenden Jahr sogar auf über 12 Dollar.

Die Zuspitzung des Nahostkonflikts ab den späten 1960er-Jahren hatte auch abseits der Ölversorgung Rückwirkungen auf die Schweiz. Dreimal wurde das Land direkt von der Luftpiraterie betroffen (s. SozialarchivInfo 4/2021): Im Februar 1969 beschossen vier Attentäter:innen der «Volksfront zur Befreiung Palästinas» (PFLP) auf dem Flughafen Zürich-Kloten eine El-Al-Maschine und töteten den israelischen Co-Piloten. Die drei überlebenden Attentäter:innen, die sich nach ihrer Verhaftung auf Wilhelm Tell berufen hatten, wurden zu je zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Animiert durch diesen Terroranschlag schloss sich 1970 der junge Tessiner Linksradikale Bruno Breguet der PFLP an und wurde wenige Monate darauf nach einem von den israelischen Behörden vereitelten Sprengstoffattentat als erster Nichtaraber in Israel wegen Terrorismus verurteilt. Nach sieben Jahren Haft stiess Breguet dann zur Terrororganisation von «Carlos», bevor er sich vom CIA rekrutieren liess und 1995 unter mysteriösen Umständen verschwand.

Im Februar 1970 detonierte auf einem Swissair-Flug nach Tel Aviv eine PFLP-Briefbombe. Das Flugzeug stürzte bei Würenlingen ab, alle 47 Menschen an Bord kamen ums Leben. Im September gleichen Jahres entführten PFLP-Mitglieder einen Swissair-Flug nach New York und lenkten ihn nach Jordanien um. Zusammen mit zwei weiteren Flugzeugentführungen diente diese Aktion der Freipressung in verschiedenen Ländern inhaftierter palästinensischer Luftpirat:innen, darunter der drei Attentäter:innen von Zürich-Kloten. Nach langwierigen Verhandlungen, die zur Haftentlassung der drei in der Schweiz gefangenen Attentäter:innen führten, wurden die insgesamt rund 300 Geiseln freigelassen und die drei Flugzeuge gesprengt. Die 2016 vom NZZ-Journalisten Marcel Gyr formulierte These, dass kurz danach ein streng geheimes «Stillhalteabkommen» zwischen Aussenminister Bundesrat Pierre Graber und der «Palästinensischen Befreiungsorganisation» (PLO) abgeschlossen worden sei, liess sich quellenmässig nicht belegen. Hingegen arbeitete die Schweiz ab 1969 im «Club de Berne» mit den Geheimdiensten acht europäischer NATO-Staaten und indirekt auch Israels beim Informationsaustausch über Terrorismus und Spionage zusammen.

Die öffentliche Meinung der Schweiz war zu jener Zeit überwiegend israelfreundlich. Hunderte von jungen Schweizer:innen verbrachten eine Zeit in einem Kibbuz. Demgegenüber stellten die Schweizer Medien Nasser sowie die palästinensische Nationalbewegung überwiegend sehr negativ dar. Der Sechstagekrieg löste in der Schweiz eine Sympathiewelle zugunsten Israels aus, dessen militärische Stärke oft als Vorbild für andere Kleinstaaten angesehen wurde. Auch ein 1969 aufgedeckter Spionagefall zugunsten Israels («Frauenknecht-Affäre») vermochte das positive Israel-Bild nicht zu trüben. Zugleich wurden aber die Palästinenser:innen zunehmend nicht mehr lediglich als «Araber:innen», sondern als Leidtragende des arabisch-israelischen Konflikts wahrgenommen. Nach dem Sechstagekrieg entstanden verschiedene lokale Palästinakomitees, die sich 1976 dann zur «Gesellschaft Schweiz – Palästina» (GSP) zusammenschlossen. Auch erschienen vermehrt Publikationen zum Nahostkonflikt aus arabischer bzw. palästinensischer Perspektive in westlichen Sprachen.

Direkt mit den radikalen palästinensischen Organisationen arbeitete der Westschweizer Bankier und Altfaschist François Genoud zusammen, der seit 1934 mit dem nazifreundlichen Mufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini in Kontakt stand und 1961 den Rechtsbeistand für den NS-Verbrecher Adolf Eichmann beim Prozess in Jerusalem finanziert hatte. Aber auch innerhalb der Neuen Linken nach «68» gab es zunehmend Sympathien für die damals noch nicht islamistisch, sondern linksnationalistisch-«antiimperialistisch» dominierten palästinensischen Organisationen und Kritik an der israelischen Besatzungspolitik in den 1967 eroberten Gebieten. Daraus entwickelte sich auch ein linksradikaler Antizionismus, dessen Argumentationsmuster zuweilen die Grenzen zu antisemitischen Stereotypen und Interpretationen überschritten.

In den Schweizer Medien verschlechterte sich spätestens ab dem Jom-Kippur-Krieg das Image Israels. Umfragen zur Einstellung der Schweizer Bevölkerung zum Nahostkonflikt zeigten zwischen 1970 und 1975 einen leichten Trend zu einer positiveren Wahrnehmung der «Araber:innen», das überwiegend positive Bild von Israel und Verständnis für dessen Haltung im Nahostkonflikt veränderte sich dagegen zunächst kaum. Erst die israelische Intervention in den libanesischen Bürgerkrieg 1982 und die Erste Intifada ab 1987 führten zu einem gewissen Wandel.

Rezession und Desindustrialisierung

Die Liefereinschränkungen und der massiv ansteigende Ölpreis im Gefolge des Jom-Kippur-Krieges kamen für die westlichen Industrieländer als ein Schock und führten zu hastigen Gegenmassnahmen. Österreich und Schweden begannen mit der Rationierung von Heizöl und Benzin, die USA gaben Bezugsscheine aus. In fast allen westeuropäischen Ländern wurde für den Automobilverkehr die Höchstgeschwindigkeit begrenzt, hinzu kamen Sonntagsfahrverbote und Benzinrationierungen. Die deutsche Bundesregierung verabschiedete am 9. November 1973 das «Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Mineralöleinfuhren», das eine Reihe von Sparmassnahmen vorsah. Am 25. November folgte der Erlass eines Sonntagsfahrverbots für vier Wochen. Italien führte aus Sorge um einen Rückgang des Tourismus für Urlauber:innen Gutscheine ein, mit denen subventioniertes Benzin bezogen werden konnte.

Im weiteren Verlauf führte die Krise zur Entstehung eines informellen Zusammenschlusses der wichtigsten Industriestaaten. Im November 1975 trafen sich die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, der USA, Grossbritanniens, der Bundesrepublik, Japans und Italiens in Rambouillet zu Gesprächen über die wirtschaftspolitischen Herausforderungen angesichts der internationalen Rezession und bekannten sich in der Abschlussdeklaration zu Freihandel, Multilateralismus und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern und dem Ostblock. Aus diesem Treffen entstand die «Gruppe der Sechs» (G6), die bereits im folgenden Jahr um Kanada erweitert zur G7 wurde. Eine indirekte Folge des Ölpreisschocks war die Wiedereinführung der Sommerzeit. Bereits in den beiden Weltkriegen hatten verschiedene Länder (so die Schweiz in den Jahren 1941 und 1942) zur besseren Ausnützung des Tageslichts aus Energiespargründen vorübergehend eine Zeitumstellung im Sommer eingeführt. Während der Erdölkrise kehrte Frankreich ab 1976 als Sparmassnahme zu diesem System zurück, im folgenden Jahr zogen mehrere EG-Länder nach, 1980 die beiden deutschen Staaten und 1981 im zweiten Anlauf auch die Schweiz.

Effektiv bestand zu keinem Zeitpunkt wirklich eine Mangellage in der Ölversorgung. Der Einsatz der Ölwaffe verursachte in den westlichen Ländern jedoch einen psychologischen Schock, aktualisierte er doch Befürchtungen, die bereits zuvor im Raum gestanden hatten und mit dem Begriff «Energiekrise» umschrieben worden waren. So hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund bereits in seinem Aufruf zum 1. Mai 1964 festgehalten: «Das rasche wirtschaftliche Wachstum lässt den Energiebedarf der Schweiz ständig ansteigen. Der nahende Vollausbau unserer wirtschaftlich nutzbaren Wasserkräfte und die starke Auslandsabhängigkeit in der Energieversorgung rufen gebieterisch nach einer vorausschauenden Energiepolitik.» Bundeskanzler Willy Brandt kündigte in seiner Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 ein Energieprogramm an und US-Präsident Richard Nixon hielt am 18. April gleichen Jahres vor dem Kongress eine ausführliche Rede zur Energieversorgung. Hinzu kamen seit 1972 die eindringlichen Warnungen des «Club of Rome» bezüglich der grundsätzlichen Endlichkeit der fossilen Ressourcen, von deren Erschöpfung nun gleichsam ein Vorgeschmack vermittelt wurde.

Die Thematik fand auch in cineastischen Produktionen der Zeit ihren Niederschlag. In der französisch-italienischen Komödie «Les Aventures de Rabbi Jacob» mit Louis de Funès in der Hauptrolle, deren Premiere am 18. Oktober 1973 just während des Jom-Kippur-Krieges über die Bühne ging, reichten sich der französisch-jüdische Chauffeur Salomon und der arabische Exilrevolutionär Mohamed Slimane als «cousins éloignés» die Hände, während sich der französische Minister nach Slimanes Machtübernahme sofort um die Weiterführung der Öllieferungen sorgte und Slimane einen roten Teppich ausrollen liess. Im 007-Film «The Man with the Golden Gun», dessen Dreharbeiten Anfang November 1973 begannen und der vom Kampf um einen hochwirksamen Solarenergie-Generator handelte, belehrte dann James Bond seinen Vorgesetzten «M»: «But Sir, the energy crisis is still with us.»

Die Vervierfachung der Erdölpreise innert Jahresfrist versetzte den Volkswirtschaften der westlichen Industriestaaten aber auch einen realen Schock. Sie war ein wesentlicher, wenn auch nicht der einzige Grund für die erste grosse Rezession der Nachkriegszeit und führte dazu, dass sowohl die Inflation als auch die Arbeitslosigkeit stark anstiegen (sog. «Stagflation») – ein Phänomen, gegen das die keynesianische Wirtschaftspolitik kein Rezept hatte. Die schon vor dem Ölpreisschock hohen Inflationsraten von um die 6 Prozent im Jahr 1972 kletterten auf um die 13 Prozent im Jahr 1974. Die Arbeitslosenquoten betrugen 1973 in den USA 4,9 Prozent und in der Bundesrepublik 1,2 Prozent, zwei Jahre darauf dann in den USA 8,4 Prozent und in der Bundesrepublik 4,7 Prozent.

In der Schweiz stieg die Arbeitslosenquote von 0,0% im Jahr 1973 über 0,3% im Jahr 1975 auf ein Maximum von 0,7% im Jahr 1976. Diese im internationalen Vergleich sehr tiefen Zahlen täuschten aber über das wahre Ausmass der Krise hinweg, die in der Schweiz schärfer war als in den meisten westeuropäischen Ländern. Von 1973 bis 1977 ging das Sozialprodukt um 4,5 Prozent zurück, die Industrieproduktion um 6 Prozent und die Beschäftigung gar um 12 Prozent. Allein in der Maschinen- und Metallindustrie wurden rund 50’000 Stellen abgebaut. Die Bauwirtschaft brach in der Krise regelrecht zusammen – die pro Jahr erstellten Wohnungen sanken in der Krise um mehr als die Hälfte. Weil aber bis 1977 eine obligatorische Arbeitslosenversicherung fehlte, reisten viele entlassene Ausländer:innen ab bzw. mussten das Land verlassen, wodurch die Schweiz einen grossen Teil ihrer Arbeitslosigkeit exportierte. Von den insgesamt 340’000 abgebauten Arbeitsplätzen betrafen nicht weniger als 230’000 ausländische Arbeitskräfte. Ebenso zogen sich ungeschützte Einheimische (vor allem Frauen, Jugendliche und Ältere) vom Arbeitsmarkt zurück und tauchten in den Statistiken nicht mehr auf.

Krisenverschärfend kam hinzu, dass wenige Monate vor dem Ölpreisschock das 1944 geschaffene Bretton-Woods-System fester Wechselkurse mit dem Dollar als Ankerwährung zusammengebrochen war. Seit den 1960er-Jahren hatten die Zahlungsbilanzdefizite der USA zu einer Dollarschwäche geführt und das System liess sich nur noch durch Stützungskäufe der europäischen Zentralbanken am Leben erhalten. 1971 gaben die USA die Dollar-Gold-Konvertibilität auf und die Bundesrepublik den D-Mark-Wechselkurs frei. In der Folge sank der Dollarkurs erheblich, was die OPEC-Länder zum Argument für die Erhöhung der Ölpreise machten. Im März 1973 erfolgte der definitive Ausstieg verschiedener europäischer Länder (darunter die Schweiz) aus dem System fixer Wechselkurse. Daraufhin kam es zunächst zu starken, dem Welthandel abträglichen Wechselkursschwankungen. Die Schweizerische Nationalbank setzte zur Eindämmung importierter Inflation auf eine restriktive Geldpolitik und einen starken Franken. Während der Krise stieg der reale Wechselkurs des Frankens um über 50 Prozent an, was die Exporte massiv verteuerte und den Werkplatz Schweiz zusätzlich schädigte.

Der massive Verlust von Arbeitsplätzen und die Betriebsschliessungen führten im Arbeitsfriedensland Schweiz zu einer, wenn auch im Vergleich zum frühen 20. Jahrhundert zahlenmässig bescheidenen, Streikwelle. 1976 wurden 19’586 Streiktage registriert, dies war der höchste Stand seit dreizehn Jahren. Eine Reihe dieser Arbeitskämpfe stellte dabei die vertragliche Friedenspflicht in Frage, die einen Eckpfeiler des sozialpartnerschaftlichen Systems der Nachkriegszeit bildete. Im Juni 1975 wurde bei der Genfer Firma SIP gestreikt, ohne dass die Gewerkschaft SMUV eine Rolle spielte. 1976 kam es in der durch die Krise schwer gebeutelten Uhrenindustrie zu einem spektakulären Arbeitskampf. Der amerikanische Uhrenkonzern Bulova-Watch hatte 1974/75 in seinen beiden Schweizer Filialen Biel und Neuchâtel 500 der 1’300 Stellen abgebaut und die Weiterbeschäftigten auf Kurzarbeit gesetzt. Als im Januar 1976 bekannt wurde, dass das Werk in Neuchâtel geschlossen und die Beschäftigten nach Biel versetzt würden, besetzten die Arbeiter:innen die Fabrik. Der SMUV handelte einen Kompromiss aus, der unter anderem die Verschiebung der Werkschliessung um ein Jahr vorsah und nach neun Tagen zum Abbruch der Besetzung führte.

Wenige Monate später kam es zum grössten Streik in der Maschinenindustrie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die kompromissbereite SMUV-Verhandlungstaktik gegenüber der Waadtländer Firma Matisa SA, die 1975 den Teuerungsausgleich gestrichen, Kurzarbeit eingeführt und über fünfzig Beschäftigte entlassen hatte, führte im März 1976 dazu, dass die Vertretung der Belegschaftsinteressen auf den Christlichen Metallarbeiter-Verband (CMV) überging. Dieser rief an einer Betriebsversammlung zum Streik auf, der von zwei Dritteln der Belegschaft befolgt wurde. Daraufhin lehnte das Unternehmen jegliche Verhandlungen mit der mehrheitlich mit SMUV-Leuten besetzten Betriebskommission ab, obwohl diese nicht streikte. Erst nach beschlossener Streikunterstützung gelang es dem SMUV, die Annahme eines Kompromissvorschlags zu erwirken. Kurz darauf kam es zu einem Arbeitskampf beim Strickmaschinenunternehmen Dubied, das drei Produktionsstätten in Couvet, Marin und Peseux unterhielt. Bis 1976 war die Belegschaft gegenüber dem Höchststand von 2’400 Beschäftigten bereits um 1’000 Personen reduziert worden. Als die Unternehmungsleitung nun auch noch den 13. Monatslohn abschaffen wollte, kam es im August 1976 zum Streik, der wiederum vom CMV sowie neulinken Gruppierungen forciert wurde. Der SMUV unterstützte den Streik abermals erst nach einigem Zögern. Die Vermittlung durch die Neuenburger Regierung führte nach ungefähr einem Monat zum Streikabbruch.

Aus einer längerfristigen Perspektive beschleunigte die Rezession in der Schweiz einen Prozess, der bereits zuvor begonnen hatte und sich in den folgenden Jahrzehnten fortsetzen sollte: Den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Der Anteil der in der Industrie Beschäftigten hatte seit der Wende zum 20. Jahrhundert relativ stabil bei etwa 45 Prozent gelegen. Mit dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit stieg er dann bis 1960 vorübergehend auf fast die Hälfte an. Die Zahl der in Fabriken Beschäftigten kletterte in dieser industriellen Spätblüte von einer halben Million 1941 auf 830’000 im Jahr 1960. Kurz danach drehte der Trend. 1970 waren nur noch knapp mehr Beschäftigte in der Industrie als im Dienstleistungssektor tätig (46,2 gegen 45,5 Prozent). 1990 arbeiteten dann bereits doppelt so viele Leute im Dienstleistungssektor wie in der Industrie (63,6 gegen 32,2 Prozent), im Jahr 2000 sogar dreimal so viele (71,9 gegen 24,0 Prozent). Allein in der Uhrenindustrie verschwanden zwischen 1970 und 1984 zwei Drittel der 90’000 Arbeitsplätze.

Zerfall des Nachkriegskonsens und Krisenbewältigungsstrategien

Die «Stagflation» führte international und auch in der Schweiz von verschiedenen Seiten zu Kritik am in den «Trente Glorieuses» dominanten Keynesianismus, dem sozialpartnerschaftlichen Neokorporatismus und dem in der Aufschwungsphase aufgebauten Wohlfahrtsstaat. Neulinke Intellektuelle interpretierten die Rezession als ursächlich kapitalistisches Krisenphänomen. In den Gewerkschaften wurde Kritik am vertragsbasierten Arbeitsfriedenskonzept laut. So gab es im SMUV 1973/74 anlässlich der Verhandlungen zur Erneuerung des «Friedensabkommens» von Westschweizer Seite Forderungen nach einer Abkehr von der Politik des absoluten Arbeitsfriedens, die am SMUV-Kongress 1976 erneut laut wurden. 1977/78 eskalierte der innergewerkschaftliche Konflikt in der Debatte um das «Manifest 77», in welchem Westschweizer Vertrauensleute vergeblich eine Lockerung des Arbeitsfriedens und militantere Vertretung der Arbeitnehmer:inneninteressen forderten. Ebenso wurden ab 1975 die ersten Arbeitslosenkomitees gegründet, die oft von den neuen sozialen Bewegungen und der Neuen Linken inspiriert waren, hauptsächlich aus ehemals in der Industrie tätigen Männern bestanden und sich organisatorisch zum Teil an kirchliche oder gewerkschaftliche Strukturen anlehnten. 1977 entstand mit der «Schweizerischen Interessengemeinschaft für eine neue Arbeitslosenpolitik» (SINAP) eine national tätige Arbeitslosenlobby.

Der internationale wirtschaftspolitische Trend lief mittelfristig aber in eine andere Richtung. Die Krise des Keynesianismus gab ökonomischen Denkschulen wieder Auftrieb, die eine aktive staatliche Konjunkturpolitik ablehnten, generell staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zugunsten eines Vertrauens auf die Kraft des freien Marktes zurückdrängen wollten und einen Abbau des Wohlfahrtstaates propagierten. Im Dilemma der «Stagflation» priorisierten sie die Inflationsbekämpfung klar gegenüber dem Problem der Arbeitslosigkeit. Zum Laboratorium solcher Ideen wurde zunächst unter autoritären Bedingungen Chile, wo ein Monat vor dem Beginn der Erdölkrise durch einen Militärputsch die Diktatur von General Augusto Pinochet errichtet worden war und ab Ende 1974 unter dem Einfluss der wirtschaftsliberalen «Chicago Boys» eine radikale Privatisierungs- und Sparpolitik umgesetzt wurde. Als Folge dieser Schocktherapie sank die Inflationsrate von über 500 Prozent im Jahr 1973 kontinuierlich auf knapp 40 Prozent am Ende des Jahrzehnts, allerdings sackte 1975 das chilenische Sozialprodukt um 15 Prozent ab, fielen die Reallöhne um 60 Prozent und verdoppelte sich die Arbeitslosigkeit. Unter demokratischen Bedingungen verfolgte diesen Ansatz ab 1979 die britische Premierministerin Margaret Thatcher, in deren erster Amtsperiode die Arbeitslosigkeit von 4,2 auf über 8 Prozent kletterte. Die verschiedenen wirtschaftspolitischen Rezepte der neoklassischen Ökonomie, des Monetarismus, «Thatcherismus» und der «Reaganomics» wurden ab den 1980er-Jahren zunehmend unter dem Begriff «Neoliberalismus» (der ursprünglich eine andere Bedeutung gehabt hatte) subsumiert und zum dominanten Paradigma der folgenden Jahrzehnte.

In der Schweiz zeigte bereits 1975 die Abstimmung über den Konjunkturartikel der Bundesverfassung eine gewisse Richtungsänderung. Die noch aus der Hochkonjunktur stammende, keynesianisch geprägte Vorlage wollte die bisher mit Dringlichkeitsrecht umgesetzte Konjunkturpolitik auf eine verfassungsrechtliche Grundlage stellen und dem Bund die Kompetenz geben, bei der Bekämpfung von Inflation und Arbeitslosigkeit nötigenfalls auch von der Handels- und Gewerbefreiheit abzuweichen. Die von allen Bundesratsparteien sowie den meisten Verbänden unterstützte Vorlage wurde neben der extremen Linken und Rechten auch vom Gewerbeverband, zahlreichen bürgerlichen Kantonalparteien sowie einem «Komitee gegen permanente Staatseingriffe» bekämpft. Sie erreichte zwar eine Volksmehrheit von 53 Prozent, galt aber wegen Gleichstands bei den Ständestimmen als abgelehnt. Drei Jahre später schaffte eine neue Vorlage, die die staatlichen Interventionsmöglichkeiten enger fasste, problemlos ein Volksmehr von 68 Prozent mit einem Ja in sämtlichen Kantonen. 1979 zog die FDP dann mit der Parole «Mehr Freiheit – weniger Staat» in den Wahlkampf. Erst in der langen Rezessions- und Stagnationsphase der 1990er-Jahre beherrschten die Konzepte «Deregulierung» und «Privatisierung» indessen die politische Agenda, wobei manche Projekte dieser Stossrichtung allerdings an den Hürden der direkten Demokratie scheiterten.

Neben der Wirtschafts- forderte der Ölpreisschock auch die Energiepolitik heraus. Die schon vor dem Jom-Kippur-Krieg zirkulierenden Diskurse über eine «Energiekrise», die apokalyptischen Szenarien des «Club of Rome» und das wachsende Bewusstsein für die ökologischen Folgen eines ungebremsten Verbrauchs nichterneuerbarer Energien erhielten durch die Krise einen weiteren Schub. 1979/80 kam es dann infolge der iranischen Revolution und des beginnenden Krieges zwischen dem Irak und dem Iran zu einem zweiten Ölpreisschock, bei dem sich die Preise vorübergehend verdoppelten. Dies stürzte erneut verschiedene Länder in die Rezession.

Am 15. November 1974 wurde die Internationale Energie-Agentur (IEA) als autonome Einheit der OECD gegründet, um ein funktionsfähiges System der Krisenvorsorge auszuarbeiten und die Energiepolitik ihrer Mitgliedstaaten zu koordinieren. Ebenfalls 1974 setzte der Bundesrat die Gesamtenergiekommission (GEK) ein, die erstmals eine langfristige Strategie für die Energieversorgung der Schweiz ausarbeitete. Auf deren Grundlage sollte dann ein Energieartikel für die Bundesverfassung formuliert werden. Zeitgleich entstanden verschiedene Organisationen, die sich für eine «Energiewende» stark machten, so 1974 die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie (SSES) und 1976 die Schweizerische Energie-Stiftung (SES).

Der 1981 vom Bundesrat präsentierte Entwurf für einen Energieartikel enthielt eine Vollmacht zur Aufstellung von Grundsätzen für die sparsame und rationelle Energieverwendung, das Recht zum Erlass von Vorschriften über den maximal zulässigen Verbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten sowie die Ermächtigung, die Entwicklung von sparsamen Verbrauchsmethoden und neuen Erzeugungstechniken zu fördern. Hingegen wurde zur Enttäuschung der Umweltverbände und Linksparteien auf eine verbrauchslenkende, technische Innovationen zur Steigerung der Energieeffizienz begünstigende und erratische Preisveränderungen abfedernde Energiesteuer verzichtet, obwohl diese Massnahme auch von der liberalen Umweltökonomie stark favorisiert wurde. Die Vorlage, die den einen zu weit, den anderen zu wenig weit ging, erzielte 1983 an der Urne zwar eine knappe Mehrheit, scheiterte aber am fehlenden Ständemehr.

Im folgenden Jahr erreichte die 1981 von Umwelt- und Anti-AKW-Organisationen eingereichte Volksinitiative «für eine sichere, sparsame und umweltgerechte Energieversorgung», die Energieeinsparungen, eine Neuverteilung der Mittel für Energieforschung zugunsten einheimischer und erneuerbarer Energien und die Erhebung einer zweckgebundenen Energiesteuer forderte, mit knapp 46 Prozent Ja-Stimmen an der Urne einen Achtungserfolg. Sechs Jahre zuvor hatte das Volk eine andere direkt aus der Erdölkrise hervorgegangene Vorlage versenkt: Inspiriert von den autofreien Sonntagen von 1973 hatte eine Gruppe von Burgdorfer Technikumsstudent:innen 1975 die Volksinitiative «Für zwölf motorfahrzeugfreie Sonntage pro Jahr» eingereicht, die 1978 an der Urne mit rund 63 Prozent Nein-Stimmen klar scheiterte.

International und in der Schweiz war die Energiepolitik nach der Erdölkrise vom Bemühen um Diversifizierung geprägt. Zur Reduktion der Abhängigkeit vom Erdöl sollte verstärkt auf Erdgas, Atomenergie sowie erneuerbare Energien gesetzt werden. Zugleich wurde die Suche nach neuen Ölvorkommen intensiviert. Der Begriff Diversifizierung konnte sich aber auch schlicht auf das Bemühen um den Erdölbezug aus unterschiedlichen Weltregionen beziehen. Demgegenüber traten Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Abkoppelung des Wirtschaftswachstums vom Wachstum des Ressourcenverbrauchs, wie sie der in den 1970er-Jahren entstandene Begriff des «Qualitativen Wachstums» postulierte, eher in den Hintergrund. Ab der Erdölkrise blieb die Energieeffizienz in der Schweiz bis zur Jahrtauendwende stabil, was mit dem wieder einsetzenden Wirtschaftswachstum auch ein weiteres Wachstum des Energieverbrauchs bedeutete – dies insbesondere im Bereich des Verkehrs.

Die Diversifizierungsbestrebungen waren allerdings nicht frei von politischen Problemen. Gerade in den 1970er-Jahren nahm in manchen Ländern, so der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich, der Widerstand gegen die zivile Nutzung der Atomenergie stark zu (s. SozialarchivInfo 6/2016). Der Ersatz von Erdöl durch Erdgas wiederum führte zunehmend in eine energiepolitische Abhängigkeit von der Sowjetunion. Angesichts der Erfahrungen von 1973/74 erschien dies in Westeuropa trotz der Konstellation des Kalten Krieges vielen als geringeres Übel denn die Abhängigkeit von den Ländern des Nahen Ostens. Bereits in den 1960er-Jahren war die Sowjetunion zu einem wichtigen Erdöllieferanten für Europa aufgestiegen. Im Zuge der Erschliessung der westsibirischen Gasfelder schlossen 1970 die Sowjetunion und die Bundesrepublik den ersten «Gas für Röhren»-Deal ab und im Oktober 1973, just zur Zeit der Erdölkrise, gelangte über eine Erweiterung des osteuropäischen Pipelinesystems erstmals sowjetisches Erdgas nach Westdeutschland. Zu Mitte der 1970er-Jahre wurden solche Kooperationen westeuropäischer Länder mit der östlichen Supermacht dann ausgebaut.

Als nach dem zweiten Ölpreisschock die Erdölpreise in den frühen 1980er-Jahren wieder sanken und bis zur Jahrtausendwende tief blieben, erlahmte auch der Elan zum Ersatz des Erdöls wieder – dies trotz der Erfahrungen von 1973 und 1979 sowie des Wissens um die Endlichkeit der Ölvorräte und die Problematik des durch die Verbrennung fossiler Energieträger verursachten Klimawandels. Letzterer wurde von einigen Ölkonzernen trotz eindeutiger interner Studien noch jahrzehntelang öffentlich geleugnet – auch durch strategische Diskreditierung der Klimawissenschaft und Finanzierung von Desinformationskampagnen.

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 1.510.9 Sozialdemokratische Partei der Schweiz: Wirtschaftskonzept SPS
  • Ar 40.70.6 Federazione Colonie Libere Italiane in Svizzera FCLIS: Politica comunale, cantonale e federale
  • Ar 57 Gesellschaft Schweiz – Palästina, Sektion Zürich (GSP)
  • Ar 73.30.15 Christlicher Holz- und Bauarbeiterverband der Schweiz (CHB): Wirtschaft- und Sozialfragen 2 1934–1983
  • Ar 74.30.1 Christlicher Metallarbeiter-Verband der Schweiz CMV: Streiks etc. 1976–1983
  • Ar 74.30.2 Christlicher Metallarbeiter-Verband der Schweiz CMV: Matisa S.A. / SIP Genève Matisa S.A. Crissier, 1976–1977
  • Ar 174.10.1 Karl Aeschbach: Reden, Artikel: 1964–1983
  • Ar 180.10.30 Rosmarie Hohl: Nahost Allgemein
  • Ar 510 Schweizerische Energie-Stiftung
  • Ar 673 Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie (SSES)
  • Ar 692 Burgdorfer Initiative (Eidgenössische Volksinitiative für 12 motorfahrzeugfreie Sonntage pro Jahr)
  • Ar SMUV 02A-0014 SMUV Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen: Manifest 77: Broschüre des Manifests zur Krise
  • Ar SMUV 10A-0015 SMUV Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen: Referate von Hans Mischler: 1951–1976

Sachdokumentation

  • QS 75.0 C Beschäftigungspolitik; Vollbeschäftigung; Arbeitsmarkt: Schweiz
  • QS 75.8 C Ausländische Arbeitskräfte, Gastarbeiter/-innen in der Schweiz
  • QS 89.0 C Wirtschaftspolitik, Konjunkturpolitik: Schweiz
  • QS 92.0 C Energiepolitik; Energiewirtschaft in der Schweiz
  • QS 92.5 Erdöl
  • QS 93.0 C Industrie in der Schweiz
  • QS 93.7 *1 Maschinen- & Metallindustrie; Elektroindustrie
  • QS OV *Pal Palästina; Israel und Palästina; Palästinenser/-innen
  • QS OVAR Arabische Halbinsel
  • QS OVJ Jordanien
  • QS OVP Iran
  • QS OVS Syrien
  • QS OVZ Israel: Allg.
  • QS OVZ 4 Israel: Aussen- & Sicherheitspolitik
  • ZA 73.0 *1 S Sommerzeit
  • ZA 75.0 C Beschäftigungspolitik; Vollbeschäftigung; Stellenmarkt (Arbeitsmarkt): Schweiz
  • ZA 75.8 C Ausländische Arbeitskräfte, Gastarbeiter/-innen in der Schweiz
  • ZA 89.0 C Wirtschaftspolitik, Konjunkturpolitik: Schweiz
  • ZA 92.0 *1 Energiepolitik; Energiewirtschaft: Ausland & Schweiz
  • ZA 92.5 Erdöl
  • ZA 93.0 C Industrie in der Schweiz
  • ZA 93.7 *1 Maschinen- & Metallindustrie; Elektroindustrie
  • ZA OVAR Arabische Halbinsel gesamt
  • ZA OVJ Jordanien
  • ZA OVP Iran
  • ZA OVS Syrien
  • ZA OVSA Saudi-Arabien
  • ZA OVZ Israel
  • ZA SNE Ägypten

Bibliothek

  • Al-Chalabi, Fadhil J.: OPEC and the international oil industry: A changing structure. Oxford 1980, 69600
  • Asseburg, Muriel: Palästina und die Palästinenser: Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart. München 2021, 147304
  • Asseburg, Muriel und Jan Busse: Der Nahostkonflikt: Geschichte, Positionen, Perspektiven. München 2016, 138056
  • Barudio, Günter: Tränen des Teufels: Eine Weltgeschichte des Erdöls. Stuttgart 2001, 108612
  • Begin, Menachem: The revolt. Jerusalem 1972, Lu 3488
  • Ben Elissar, Eliahu und Zeev Schiff: La guerre israelo-arabe, 5–10 juin 1967. Paris 1967, Bo 1172
  • Ben-Zvi, Abraham: Between Lausanne and Geneva: International conferences and the Arab-Israeli conflict. London/New York 2018, 144893
  • Besançon, Julien: Bazak: La guerre d’Israël. Paris 1967, Bo 2277
  • Bini, Elisabetta et al. (Hg.): Oil shock: The 1973 crisis and its economic legacy. London/New York 2016, 136199
  • Binswanger, Hans Christoph et al. (Hg.): Der NAWU-Report: Wege aus der Wohlstandsfalle: Strategien gegen Arbeitslosigkeit und Umweltkrise. Frankfurt 1978, 62071
  • Brönnimann, Willi: Der internationale Erdölmarkt und die Versorgung der Schweiz mit Erdöl und Erdölprodukten: Forderungen an eine schweizerische Energiepolitik. Zürich 1978, 55910
  • Carré, Olivier: Proche-Orient, entre la guerre et la paix. Paris 1974, 52806
  • Cattani, Alfred: Israel – ein Jahr nach dem Sechstagekrieg. Zürich 1968, 86720
  • Chesnoff, Richard Z. et al.: If Israel lost the war. New York 1969, 43110
  • Chevalier, Jean-Marie: Energie, die geplante Krise: Ursachen und Konsequenzen der Ölknappheit in Europa. Frankfurt 1976, 56681
  • Confino, Michael und Shimon Shamir (Hg.): The U.S.S.R. and the Middle East. Jerusalem 1973, 51684
  • Coudroy, Roger: Widerstand in Palästina. Bonn o. J. [1970?], Hf 619
  • Däniker, Gustav: Israels Dreifrontenkrieg: Tatsachen und Lehren. Frauenfeld/Stuttgart 1967, 37484
  • Davis, John H.: Israel als Provokation?. Olten/Freiburg/Br. 1969, 39755
  • Dayan, Moshe: Die Geschichte meines Lebens. Wien 1976, 58783
  • Dayan, Yael: Mein Kriegstagebuch: Die Tochter Moshe Dayans im Sinaifeldzug 1967. Frankfurt 1967, 45535
  • Deininger, Roman und Uwe Ritzer: Die Spiele des Jahrhunderts: Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland. München 2021, 148288
  • Derriennic, Jean-Pierre: Israël en guerre: Succès et échecs d’une politique de défense. Paris 1974, 54727
  • Deshusses, Frédéric: Grèves et contestations ouvrières en Suisse, 1969–1979. Lausanne 2014, 130262
  • Dietrich, Christopher R.W.: Oil revolution: Anticolonial elites, sovereign rights, and the economic culture of decolonization. Cambridge 2017, 139576
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  • El-Abid, Ibrahim: Gewalt und Frieden: Eine Studie über die zionistische Strategie. Rastatt 1969, 43757
  • El Kodsy, Ahmed und Eli Lobel: The Arab world and Israel: Two essays. New York 1970, 43370
  • Elon, Amos und Sana Hassan: Dialog der Feinde: Ein leidenschaftliches Streitgespräch um die Zukunft der Araber und Israels. Wien 1974, 53729
  • El-Sadat, Anwar: Unterwegs zur Gerechtigkeit: Auf der Suche nach Identität: Die Geschichte meines Lebens. Wien 1978, 62148
  • Elsenhans, Hartmut (Hg.): Erdöl für Europa. Hamburg 1974, 52153
  • Erel, Shlomo: Öl: Panik im Schatten der Bohrtürme. Stuttgart 1975, 55875
  • Errera-Hoechstetter, Irène: Le Conflit israélo-arabe: 1948–1974. Paris 1974, 55586
  • Esen, Elena-Sezgi und Nicolas Mermoud: La grève de Matisa (1976): Les mouvements (re)découvrent les ouvrier-ère-s. Lausanne 2011, Gr 14173
  • Frei, Daniel: Wirtschaftliches Wachstum und die Zukunft des internationalen Systems. Zürich 1977, K684: 117
  • Friedemann, Jens: Die Scheiche kommen: Arabien – Zentrum neuer Macht. Bergisch Gladbach 1974, 53538
  • Genaries, Sabri: Les Arabes en Israel. Paris 1969, 41032
  • Gres, Sabri: Die Araber in Israel. Bonn o. J. [ca. 1967], 85763
  • Gisler, Monika: Erdöl in der Schweiz: Eine kleine Kulturgeschichte. Zürich 2011, Gr 12712
  • Gisler, Monika: «Swiss Gang» – Pioniere der Erdölexploration. Zürich 2014, 129123
  • Glässer, Wiebke: Marktmacht und Politik: Das internationale Kartell der Ölgesellschaften, 1960–1975. Berlin 2019, 143687
  • Graf, Rüdiger: Öl und Souveränität: Petroknowledge und Energiepolitik in den USA und Westeuropa in den 1970er Jahren. Berlin 2014, 131070$
  • Guillebaud, Jean-Claude: Les jours terribles d’Israël. Paris 1974, 52310
  • Guttmann, Aviva: The origins of international counterterrorism: Switzerland at the forefront of crisis negotiations, multilateral diplomacy, and intelligence cooperation (1969–1977). Leiden 2018, 140857
  • Gyr, Marcel: Schweizer Terrorjahre: Das geheime Abkommen mit der PLO. Zürich 2016, 132993
  • Hacker, Friedrich: Terror: Mythos – Realität – Analyse. Wien 1973, 50658
  • Hadawi, Sami: Brennpunkt Palästina. Rastatt 1969, 42570
  • Hänni, Adrian: Terrorist und CIA-Agent: Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet. Basel 2023, 149571
  • Hager, Wolfgang (Hg.): Erdöl und internationale Politik. München 1975, 56500
  • Haller, Lea: Transithandel: Geld- und Warenströme im globalen Kapitalismus. Berlin 2019, 141571
  • Harkabi, Yehoshafat: Palästina und Israel. Stuttgart 1974, 51597
  • Henle, Hans: Der neue Nahe Osten. Frankfurt 1972, 48548
  • Heradstveit, Daniel: Nahost-Guerillas: Eine politologische Studie. Berlin 1973, 51687
  • Herzog, Chaim: Entscheidung in der Wüste: Die Lehren des Jom Kippur-Krieges. Berlin 1975, 57701
  • Herzog, Chaim: Kriege um Israel, 1948 bis 1984. Frankfurt 1984, 76222
  • Hochschul-Bresche: Palästina Sondernummer. Zürich 1974, D 4141
  • Hohensee, Jens: Der erste Ölpreisschock 1973/74: Die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der arabischen Erdölpolitik auf die Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. Stuttgart 1996, 103035
  • Hussein, Mahmoud und Saul Friedländer: Arabes et Israéliens: Un premier dialogue. Paris 1974, 62454
  • Internationales Komitee für die Befreiung von Bruno Breguet (Hg.): Dossier Bruno Breguet, 70–77. Zürich 1977, Gr 3053
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  • Kergomard, Zoé: «Mehr Freiheit, weniger Staat»: Zum Neoliberalismus als Patentrezept gegen die Krise der Schweizer Parteien um 1980, in: Ludi, Regula et al. (Hg.): Zwang zur Freiheit: Krise und Neoliberalismus in der Schweiz. Zürich 2018, S. 111-136, 139626
  • Khaled, Leila: Mein Volk soll leben: Autobiographie einer Revolutionärin. München 1974, 53733
  • Khouri, Fred J.: The Arab-Israeli dilemma Syracuse 1968, 39094
  • Konzelmann, Gerhard: Die Schlacht um Israel: Der Krieg der Heiligen Tage. München 1974, 52231
  • Konzelmann, Gerhard: Öl – Schicksal der Menschheit? Thalwil 1976, 60488
  • Koopmann, Georg et al.: Oil and the international economy: Lessons from two price shocks. Hamburg 1984, 78219
  • Krämer, Hans R.: Die Europäische Gemeinschaft und die Ölkrise. Baden-Baden 1974, 55695
  • Krause, Klaus Peter: Das grosse Rohstoffmanöver: Wie abhängig ist unsere Wirtschaft? Frankfurt 1975, 54173
  • Krause, Klaus Peter: Das grosse Rohstoffmanöver: Wie abhängig ist unsere Wirtschaft? Frankfurt 1975, 54173
  • Kreutner, Jonathan: Die Schweiz und Israel: Auf dem Weg zu einem differenzierten historischen Bewusstsein. Zürich 2013, 128778
  • Kühner, Claudia: Nahost: Geschichte einer Unversöhnlichkeit: Juden, Zionismus, Araber. Frauenfeld 1975, 54478
  • Laqueur, Walter: Nahost – vor dem Sturm: Die Vorgeschichte des Sechstage-Krieges im Juni 1967. Frankfurt 1968, 38306
  • Laqueur, Walter: Confrontation: The Middle-East war and world politics. London 1974, 53632
  • Laske, Karl: Ein Leben zwischen Hitler und Carlos: François Genoud. Zürich 1996, 100450
  • Ledergerber, Elmar: Wege aus der Energiefalle: Handlungsspielräume und Strategien für eine unabhängigere Energieversorgung der Schweiz. Diessenhofen 1979, 65166
  • Mafféï, Benoît: Les guerres du pétrole: Une histoire alternative des relations internationales au XXe siècle. Genf 2021, 148184
  • Maroun, Salah: Der Westen und Palästina. Rastatt 1973, 59076
  • Maull, Hanns: Ölmacht: Ursachen, Perspektiven, Grenzen. Frankfurt 1975, 57410
  • Meadows, Dennis L. et al.: Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart 1972, 48456
  • Medzini, Meron: Golda Meir: A political biography. Berlin 2017, 138169
  • Meier-Cronemeyer, Hermann: Israel: Geschichte des Zionismus – Religion und Gesellschaft – der Nahost-Konflikt. Hannover 1970, 48549
  • Meir, Golda: Mein Leben. Hamburg 1975, 56174
  • Mejcher, Helmut: Die Politik und das Öl im Nahen Osten. 2 Bde. Stuttgart 1980-1990, 67474: 1+2
  • Merkli, Ugo: Die schweizerische Mineralölwirtschaft 1970 bis 1983: Branchenanalyse aus der Sicht der Inlandniederlassungen multinationaler Erdölkonzerne. Zürich 1985, 67930
  • Meyer, Werner und Carl Schmidt-Polex: Schwarzer Oktober: 17 Tage Krieg um Israel. Percha 1973, 51361
  • Michaelis, Alfred: Erdöl in der Weltwirtschaft und Weltpolitik. Berlin 1974, 53358
  • Mishan, E. J.: Die Wachstumsdebatte: Wachstum zwischen Wirtschaft und Ökologie. Stuttgart 1980, 68463
  • Mosley, Leonard: Weltmacht Öl: Der Kampf um das schwarze Gold: Boykott, Erpressung, Korruption, Wirtschaftskrisen, Krieg. München 1974, 52598
  • Müller, Felix et al.: Krise: Zufall oder Folge des Kapitalismus? Die Schweiz und die aktuelle Wirtschaftskrise: Eine Einführung aus marxistischer Sicht. Zürich 1976, 58465
  • Ortlieb, Sylvia: Palästinensische Identität und Ethnizität: Genese und Entwicklung des Selbstverständnisses der Palästinenser. Köln 1995, 99722
  • Oz, Amos und Avraham Shapira: Man schiesst und weint: Gespräche mit israelischen Soldaten nach dem Sechstagekrieg. Frankfurt 2017, 136822
  • Pabst, Martin: Der Nahostkonflikt: Eine Einführung. Stuttgart 2018, 138115
  • Palästina: Die Massen sind die Triebkraft der Revolution: Der Kampf geht weiter bis zum Sieg: Interviews und Gespräche mit Kämpfern der PLO, Al Fatah, PFLP-Allgemeine Führung und PFLP. Hamburg 1974, Gr 2400
  • Perović, Jeronim: Rohstoffmacht Russland: Eine globale Energiegeschichte. Wien 2022, 147477
  • Peter, Alfred: Wirtschaftliche Voraussetzungen und Folgen einer schweizerischen Erdöl- und Erdgasförderung. Zürich 1961, 28934
  • Pfister, Christian (Hg.): Das 1950er Syndrom: Der Weg in die Konsumgesellschaft. Bern 1995, 97678
  • Pirani, Simon: Burning up: A global history of fossil fuel consumption. London 2018, 144573
  • Quandt, William B. et al.: The politics of Palestinian nationalism. Berkeley 1973, 51763
  • Rodinson, Maxime: Israël et le refus arabe: 75 ans d’histoire. Paris 1968, 56527
  • Roʾi, Yaacov: From encroachment to involvement: A documentary study of Soviet policy in the Middle East, 1945–1973. Jerusalem 1974, 56773
  • Rubinstein, Danny: Yassir Arafat: Vom Guerillakämpfer zum Staatsmann. Heidelberg 1996, 100651
  • Rühl, Walter: Energiefaktor Erdöl: In 250 Millionen Jahren entstanden – nach 250 Jahren verbraucht? Zürich 1989, 87767
  • Rustow Dankwart, A. und John F. Mugno: OPEC: Success and prospects. London 1977, 59614
  • Schliwski, Carsten: Nahostkonflikt: 100 Seiten. Ditzingen 2023, 150167
  • Schmassmann, Norbert: Verteilungswirkungen von Erdölpreissteigerungen: Versuch einer empirischen Analyse für die Schweiz: 1972–1980. Diessenhofen, 75613
  • Schmidt, Manfred G.: Der schweizerische Weg zur Vollbeschäftigung: Eine Bilanz der Beschäftigung, der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsmarktpolitik. Frankfurt 1985, 78814
  • Schoppig, Josef: Israel im Spiegel der Schweizer Presse 1967–1977: Der Bund, Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger, Vaterland. Konstanz 2022, 150037
  • Schubert, Alexander: Erdöl: Die Macht des Mangels. Berlin 1982, 72518
  • Segev, Tom: 1967: Israels zweite Geburt. München 2007, 119012
  • Seifert, Thomas und Klaus Werner: Schwarzbuch Öl: Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld. Wien 2005, 116177
  • Seligmann, Rafael: Israels Sicherheitspolitik: Zwischen Selbstbehauptung und Präventivschlag, eine Fallstudie über Grundlagen und Motive. München 1982, 72432
  • Shwadran, Benjamin: The Middle East, oil and the great powers. 3. erw. Aufl. Jerusalem 1974, 56776
  • Sirhan, Bassem: Die Generation der Befreiung: Palästinensische Kinder. Basel 1975, 56701
  • Späti, Christina: Die schweizerische Linke und Israel: Israelbegeisterung, Antizionismus und Antisemitismus zwischen 1967 und 1991. Essen 2006, 115927
  • Starke, Peter: Krisen und Krisenbewältigung im deutschen Sozialstaat: Von der Ölkrise zur Finanzkrise von 2008. Bremen 2015, 131726
  • Stoffel, Mathis: «Die Grenzen des Wachstums»: Beurteilung der Kritik. Bern etc. 1978, 64423
  • Ströbele, Wolfgang: Das Wachstum der Weltwirtschaft: Untersuchungen mit Hilfe eines regionalisierten Weltmodells. Berlin 1976, 59413
  • Teveth, Shabtai: The cursed blessing: The story of Israel’s occupation of the West Bank. London 1969, 45317
  • Teveth, Shabtai: Moshe Dayan: Politiker, Soldat, Legende. Hamburg 1973, 50129
  • Tibi, Bassam: Konfliktregion Naher Osten: Regionale Eigendynamik und Grossmachtinteressen. München 1989, 88234
  • Tophoven, Rolf: Fedayin – Guerilla ohne Grenzen: Geschichte, soziale Struktur und politische Ziele der palästinensischen Widerstandsorganisationen: Die israelische Konter-Guerilla. Frankfurt 1974, 52008
  • Trost, Ernst: David und Goliath: Die Schlacht um Israel 1967. Wien 1967, 37435
  • Tugendhat, Christopher: Erdöl: Treibstoff der Weltwirtschaft – Sprengstoff der Weltpolitik. Reinbek 1972, 49348
  • Türk, Henning: Treibstoff der Systeme: Kohle, Erdöl und Atomkraft im geteilten Deutschland. Berlin 2021, 148599
  • Witassek, David: Zwischen Frieden und Krieg: Terrorismus und Terrorismusdiskurs in der Schweiz, 1969 bis 1980. Bern 2019, 143520
  • Yergin, Daniel: Der Preis: Die Jagd nach Öl, Geld und Macht. Frankfurt 1991, 92259
  • Zadoff, Noam: Geschichte Israels: Von der Staatsgründung bis zur Gegenwart. München 2020, 144579
  • Zahn, Anina: Wider die Verunsicherung: Arbeitslosenkomitees in der Schweiz 1975–2002. Zürich 2021, 145776
  • Zala, Sacha et al.: Die Debatte zu einem «geheimen Abkommen» zwischen Bundesrat Graber und der PLO: Eine Zwischenbilanz, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 66/1 (2016). S. 80-103, D 4212
  • Zündorf, Lutz: Das Weltsystem des Erdöls: Entstehungszusammenhang, Funktionsweise, Wandlungstendenzen. Wiesbaden 2008, 120036

Periodika

  • Journal of Palestine studies: A quarterly on Palestinian affairs and the Arab-Israeli conflict, D 4002
  • Kämpfendes Palästina: Zeitschrift der Gesellschaft Schweiz – Palästina, D 3144
  • Palästina. Hg. Palästina-Komitee Zürich, D 3144