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Enge Wohnverhältnisse in einer Arbeiterwohnung in Zürich im Jahr 1909, fotografiert für die Schweizerische Heimarbeiterausstellung (SozArch F 5068)
Enge Wohnverhältnisse in einer Arbeiterwohnung in Zürich im Jahr 1909, fotografiert für die Schweizerische Heimarbeiterausstellung (SozArch F 5068)

Buchempfehlungen der Bibliothek

Heinz Looser und Lisbeth Herger: Not wenden. Vom Armenverein Winterthur zur Familien- und Jugendhilfe FUJH, 1870–2020. Winterthur, 2020

Der einstige «Freiwillige Armenverein Winterthur» heisst heute «Verein Familien- und Jugendhilfe Winterthur» (FUJH) und legt zu seinem 150-jährigen Jubiläum eine kleine, aber feine Festschrift vor. Lange waren Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit bestimmende Themen in der Stadt: So liest man etwa von Familien, die sich ein einziges Bett teilten, bis es in der feuchten Wohnung irgendwann morsch zusammenbrach. Oder man begegnet einem begabten Arbeiterkind ohne Aussicht auf eine Ausbildung. In beiden Fällen sprang der Armenverein ein: Er ersetzte der Familie das Bett und verhalf dem jungen Mann zu einer Lehrstelle.
Die historische Aufarbeitung der Vereinsgeschichte zeigt auf eindrückliche Art und Weise das Zusammenspiel von Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Winterthur. Entstanden ist ein attraktiv bebilderter Band (viele Fotos stammen aus dem Sozialarchiv), der zeigt, dass die Probleme der Bevölkerung heutzutage zwar anders gelagert sind, die Institution mit ihren Angeboten wie Familienbegleitung oder Kinderbetreuung in Krisensituationen aber nach wie vor unentbehrlich ist.

Marie-Isabelle Bill: Interniert. Polnisch-schweizerische Familiengeschichten. Herausgegeben von der Interessengemeinschaft der Nachkommen internierter Polen in der Schweiz. Zürich, 2020

Mitte Juni 1940 gewährte die Schweiz 12’500 polnischen Soldaten Schutz als Internierte und nahm während des Krieges auch polnische Zwangsarbeiter oder Flüchtlinge aus Deutschland auf. Die Einheimischen akzeptierten die Internierten bereitwillig. Trotz eines entsprechenden Verbots entstanden viele polnisch­schweizerische Beziehungen und Ehen.
Schweizerinnen verloren bei der Heirat mit einem Ausländer ihr Bürgerrecht – vor den Frischvermählten lag also eine ungewisse Zukunft. Sie mussten ausreisen, suchten ihr Glück in Frankreich, England oder Übersee, manche aber auch in Polen. Einige kehrten in der Folge wieder in die Schweiz zurück. Andere konnten oder wollten nicht heiraten, womit uneheliche Kinder, sogenannte «Polenkinder», geboren wurden. Die Geschichten dieser Familien sind traurig oder glücklich, aufregend oder normal. Sie zeigen die mannigfaltigen Ursprünge polnisch-schweizerischer Verbindungen und die Spuren, die Krieg, Flucht und Internierung im Leben hinterlassen.

Franziska Rogger: «Wir werden auf das Stimmrecht hinarbeiten!» Die Ursprünge der Schweizer Frauenbewegung und ihre Pionierin Julie Ryff (1831–1908). Basel, 2021

Das Buch dokumentiert erstmals und mit neuen Fakten, wie Schweizer Frauen Ende des 19. Jahrhunderts begannen, gegen die patriarchale Ordnung zu kämpfen und sich zu organisieren. Franziska Rogger untersucht, wie sie sich national und international zusammenschlossen – in kaum bekannten Komitees und Gruppen in Genf oder in Bern. Erst baten engagierte Schweizerinnen die Herren in Bittschriften um konkrete Verbesserungen ihrer Lebensumstände. Schliesslich wurde klar, dass dafür Gesetzesänderungen notwendig waren. Als nicht stimmberechtigt waren Frauen von der Gesetzesarbeit indes ausgeschlossen.
Zentrale Figur der Bewegung war die in Basel geborene Julie Ryff (1831–1908). Das Buch stellt mit ihrem Porträt das Leben einer politisch aktiven Frau aus dem späteren 19. Jahrhundert vor und zeigt, wie Schweizerinnen in früheren Jahren ihre Erfahrungen pragmatisch und über viele juristische und vereinspolitische Wege zu politischen Forderungen verdichteten, auf dass hundert Jahre später das Frauenstimm- und -wahlrecht errungen werden konnte.

Benutzte Archivbestände zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl):

  • Ar 6 Frauenstimmrechtsverein Zürich
  • Ar 29 Schweizerischer Verband für Frauenstimmrechte (SVF)
  • Ar 591 Freundinnen junger Mädchen (FJM)
24. März 2021Susanne Brügger zurück