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Vor 40 Jahren: Junta-Generäle werden Fussball-Weltmeister

Bald rollt das runde Leder wieder. Die früheste Fussball-WM, an die sich der Schreibende persönlich erinnern kann, fand 1978 in Argentinien statt. Die Panini-Alben hatten damals noch einen bescheideneren Umfang als heute und der Konfetti-Regen zu Beginn des Finalspiels der Gastgeber gegen die Niederlande ist im visuellen Gedächtnis haften geblieben. Hingegen war dem Schreibenden damals der schnauzbärtige Herr nicht speziell aufgefallen, der nach dem Spiel auf der Ehrentribüne die siegreichen argentinischen Spieler beglückwünschte. Dieser Mann, General Jorge Rafael Videla, regierte Argentinien seit zwei Jahren mit eiserner Faust.

Die Popularität des Fussballs in Lateinamerika, lange neben Europa das zweite Epizentrum des Weltfussballs, und die im 20. Jahrhundert in dieser Weltregion weite Verbreitung von Militärdiktaturen haben verschiedentlich zu unschönen Szenen geführt. Das seit dem frühen 20. Jahrhundert permanent ad absurdum geführte, aber gleichwohl bis heute hochgehaltene Dogma der Trennung von Sport und Politik erlebte auch in diesem Zusammenhang zahlreiche Verstösse. Im Jahre 1969 wirkten die Qualifikationsspiele zwischen El Salvador und Honduras für die WM 1970 als Katalysator, der die aufgestauten Spannungen zwischen den beiden von Generälen regierten Nachbarstaaten sich entladen liess: Nach den ersten beiden Spielen gab es Übergriffe gegen salvadorianische ImmigrantInnen in Honduras mit Todesopfern. Unmittelbar nach dem 3 : 0-Sieg El Salvadors im dritten und entscheidenden Match liessen beide Staaten Truppen aufmarschieren, bombardierten strategische Ziele im Nachbarland und brachen die diplomatischen Beziehungen ab. Die fünftägige militärische Auseinandersetzung, die rund 3’000 Menschleben forderte, ist als „Fussballkrieg“ in die Geschichte eingegangen. Sie wurde zum Ausgangspunkt des Romans Mit dem Ball zu den Sternen (2005) des Zürcher Medizinprofessors Alfred Bollinger.

Als das chilenische Militär unter General Augusto Pinochet am 11. September 1973 mit Unterstützung der CIA gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende putschte, spielte der Fussball ebenfalls eine traurige und international beachtete Rolle: Das riesige „Estadio Nacional“ in Santiago de Chile, wo das Endspiel der WM 1962 stattgefunden hatte, wurde temporär in ein Gefangenen-, Folter- und Exekutionslager umgewandelt, in dem ingesamt etwa 40‘000 politische Häftlinge interniert waren. Auch andere Sportstätten wurden zu improvisierten Lagern umfunktioniert, so der polysportive Komplex „Estadio Chile“, wo wenige Tage nach dem Putsch unter anderem der Sänger Víctor Jara (nach dem die Anlage seit 2004 benannt ist) mehrfach gefoltert und dann mit einer Maschinengewehrsalve ermordet wurde. Als im November 1973 in einem Kreuzvergleich zwischen Chile und der Sowjetunion um den letzten zu vergebenden Platz an der WM 1974 im „Estadio Nacional“ gespielt werden sollte, weigerte sich die östliche Supermacht, zur Partie anzutreten. Daraufhin gab es eine propagandistische Inszenierung, bei der vor mehreren Tausend geladenen Gästen der chilenische Captain Francisco Valdez ins leere Tor schoss und auf der Anzeigetafel ein 1 : 0-Sieg Chiles verkündet wurde. Eine Kommission der FIFA war vorgängig zum Schluss gelangt, dass sich das Stadion in gutem Zustand befinde; die Gefangenen, die sich allesamt in den Umkleideräumen aufhielten, würden nicht stören. Während der WM-Endrunde in der Bundesrepublik Deutschland kam es dann zu Protestaktionen von Exil-Chilenen und sie unterstützenden Gruppierungen. Im Spiel gegen Australien stürmten einige den Rasen des Berliner Olympiastadions und während der Partie gegen die DDR waren auf den Tribünen Transparente mit Parolen wie „Chile Si – Junta No“ oder „Fascismo No“ zu lesen.

Auch die drei wichtigsten lateinamerikanischen Fussballnationen, Uruguay, Brasilien und Argentinien, blieben im 20. Jahrhundert nicht von Militärregimen verschont und mehrere Fussballtriumphe dieser Länder fielen in Phasen diktatorischer Herrschaft. Uruguay verfügte in den 20er Jahren mit José Leandro Andrade, Sohn eines ehemaligen Sklaven, über den stärksten Spieler der Welt und gewann die Olympischen Fussballturniere 1924 (Finalsieg gegen die Schweiz!) und 1928 sowie 1930 im eigenen Land die erste Weltmeisterschaft. Zwanzig Jahre danach eroberten die Himmelblauen an der ersten Nachkriegs-WM im Maracanã in Rio mit einem Finalsieg gegen die hoch favorisierten Gastgeber vor 200’000 entsetzten ZuschauerInnen den zweiten Weltmeistertitel. Die Demokratie war im Kleinstaat lange Zeit verhältnismässig stabil. Ab 1934 institutionalisierte das Land sogar direktdemokratische Elemente und erlangte den Ruf der „Schweiz Lateinamerikas“. Nach einer wirtschaftlich und politisch krisenhaften Entwicklung ab den späten 50er Jahren ergriff aber 1973 das Militär die Macht und regierte das Land für zwölf Jahre diktatorisch. Nach der Rückkehr zur Demokratie verlief die wirtschaftliche und politische Entwicklung einigermassen erfolgreich und heute gehört Uruguay zu den wohlhabendsten und stabilsten Ländern Lateinamerikas. In die Phase der Militärregierung fiel zum Jahreswechsel 1980/81 die Organisation des „Mundialito“, einer Mini-WM in Montevideo, die aus Anlass des 50. Jubiläums der ersten Weltmeisterschaft sowie des 150. Jubiläums der Unabhängigkeit Uruguays unter den bisherigen Weltmeisterteams ausgespielt und von den Gastgebern gewonnen wurde.

In Brasilien war der Durchbruch des Fussballs zum schichtenübergreifenden Massenphänomen in den 20er Jahren erfolgt und schon im folgenden Jahrzehnt setzte die Professionalisierung ein. Präsident Gétulio Vargas, der 1930 ein autoritäres Regime mit dem Anspruch einer Modernisierungsdiktatur errichtet hatte, erkannte als erster die politische Bedeutung des Fussballs für das Image im Ausland und die nationale Integration im Inland. Unter anderem ordnete er an, dass alle Fussballvereine ihre zum Teil noch englischen Namen brasilianisierten. Im Jahre 1938 – 50 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei – entsandte Brasilien erstmals eine sozial und ethnisch gemischte Mannschaft an die Weltmeisterschaften und der Gewinn der Bronzemedaille rief grosse Begeisterung hervor. 1945 wurde Vargas vom Militär abgesetzt, 1950 wenige Monate nach der traumatischen Niederlage gegen Uruguay an der WM im eigenen Land aber auf demokratischem Weg erneut zum Präsidenten gewählt. Im Jahre 1954 verübte Vargas, der unter Druck durch die Armee, die politische Rechte und die USA geraten war, Selbstmord. Ende der 50er Jahre herrschte eine gesellschaftliche und politische Aufbruchstimmung. Die Präsidentschaft des Mitte-Links-Politikers Juscelino Kubitschek (1956 bis 1961), der „50 Jahre Fortschritt in 5 Jahren“ versprach, war gekennzeichnet von einem Wirtschaftsboom, dem Aufstieg einer eigenen Automobilindustrie, grossen Infrastrukturprojekten und der Einweihung der neuen, auf dem Reisbrett entworfenen Hauptstadt Brasilia, deren Ausbau noch unter Vargas begonnen worden war, aber auch von einer rasch wachsenden Auslandsverschuldung. Parallel dazu etablierte sich die brasilianische Fussball-Nationalmannschaft um die Stürmerstars Pelé und Garrincha mit zwei Weltmeistertiteln in den Jahren 1958 und 1962 als Fussball-Grossmacht.

Sinkende Weltmarkpreise für Kaffee führten Ende der 50er Jahre aber zu einem konjunkturellen Einbruch und der Modernisierungsprozess versandete zunehmend. 1964 putschte das Militär. Legitimationsgrundlage für die nun folgende Diktatur mit ihren massiven Menschenrechtsverletzungen war die Ideologie der „Nationalen Sicherheit“ (Segurança Nacional). Die Generäle Artur da Costa e Silva, Márcio de Souza Mello, Emílio Garrastazu Médici, Ernesto Geisel und João Baptista de Oliveira Figueiredo, die sich in den folgenden zwei Jahrzehnten an der Staatsspitze ablösten, verbanden einen militärischen Wertekanon mit Fortschrittsgläubigkeit und einem fast messianischen Sendungsbewusstsein und zogen einen Apparat von regimetreuen Beamten und Technokraten auf.

In den Jahren 1969 bis 1973 erlebte das Land ein Wirtschaftswunder mit enormen Wachstumsraten, das allerdings die extremen sozialen Gegensätze nicht abmilderte. Gleichzeitig investierte das Regime im Vorfeld der WM 1970 viel in den Sport. So wurden etwa Militärfachleute für die Entwicklung der Sport- und Trainingswissenschaften abkommandiert. Der Ausbau der Übertragungstechnik erlaubte es schliesslich 40 Prozent der Bevölkerung, die Spiele in Mexiko live mitzuverfolgen. Ein Problem stellte für das Regime indessen Nationaltrainer João Saldanha dar, der Mitglied der illegalen Kommunistischen Partei war, Freunde im oppositionellen Untergrund hatte und noch 1969 in Interviews mit europäischen Zeitungen freimütig über Repression, Folter und verschwundene Oppositionelle in Brasilien sprach. Kurz vor der WM wurde er auf Betreiben des eng mit der Diktatur verbundenen Verbandspräsidenten João Havelange, der wenige Jahre danach das Präsidium der FIFA übernehmen sollte, abgesetzt. Den in Mexiko errungenen dritten Weltmeistertitel, der Brasilien zur erfolgreichsten Fussballnation der Welt machte, kostete das Regime als Sinnbild für die Entwicklung und die goldene Zukunft des Landes ausgiebig aus. General Médici präsentierte sich während der Siegesfeierlichkeiten den Massen als brasilianischer Patriot, der sein Versprechen eingelöst hatte.

Wenn auch nach der Welmeisterschaft der Modernisierungsprozess zunächst noch weiterging – bis 1975 wurden etwa 13 neue Stadien mit Kapazitäten von bis zu 100’000 ZuschauerInnen gebaut, neun von ihnen im wenig entwickelten Norden und Nordosten des Landes –, erwies sich die Euphorie von 1970 bald als Strohfeuer. Die mit der Erdölkrise von 1973 einsetzenden wirtschaftlichen Probleme erodierten die Militärdiktatur und gleichzeitig blieben in den 70er und 80er Jahren auch die fussballerischen Erfolge aus. Bezeichnenderweise spielte auch im Vorfeld des Übergangs zur Demokratie 1984/85 der Fussball eine politische Rolle. Anfang der 80er Jahre entstand innerhalb des Spitzenklubs Corinthians São Paulo um den Mediziner Sócrates eine Gruppe politisierter Fussballspieler namens „Democracia Corinthiana“. Diese setzte durch, dass im Verein über Spielerverpflichtungen, Disziplinverordnungen in der Mannschaft und anderes demokratisch abgestimmt werde. Die Mannschaft setzte sich auch mit Aufschriften auf ihren Leibchen für freie Wahlen ein und wurde zum Vorbild für soziale Bewegungen, welche sich nun zu artikulieren begannen. Ihr Motto lautete: „Ganhar ou perder, mas sempre com democracia“ („siegen oder verlieren, aber stets mit Demokratie“).

In der Einwanderungsgesellschaft Argentiniens hatte der Fussball bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert eine wichtige Rolle für die nationale Identitätskonstruktion gespielt. Er wurde vom Staat unterstützt und für politische Zwecke genutzt, zugleich waren die Fussballvereine aber auch Räume bürgerlicher Öffentlichkeit und demokratischer Mitbestimmung. Hatte man im Argentinien der Zwischenkriegszeit den eigenen, „kreolischen“ Spielstil als führend betrachtet und am Olympischen Fussballturnier 1928 sowie der WM 1930 den zweiten Platz errungen, so brachten die folgenden Jahrzehnte eine Ernüchterung in Gestalt langanhaltender Erfolglosigkeit. Auf politischer Ebene wechselten sich zu dieser Zeit demokratische Regierungen, Militärregime (mit neun Putschen zwischen 1930 und 1976) und zwei Präsidentschaften des charismatischen Nationalisten Juan Perón (1946 bis 1955 und 1973 bis 1974) ab.

Im Jahre 1976, als sich das Land in einer schweren Wirtschaftskrise befand und Terroranschläge von links und rechts eskalierten, putschte das argentinische Militär ein weiteres Mal und setzte General Videla als Chef einer Militärjunta ein. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet von politschen Inhaftierungen, Folter in etwa 340 landesweit verteilten Einrichtungen sowie der Ermordung von 15’000 bis 30’000 Oppositionellen. Verschiedene der angewandten Repressionsmethoden – wie die Folter mit Elektroschocks und das „Verschwindenlassen“ von Gefangenen mittels Abwurf aus Flugzeugen über dem offenen Meer – gingen auf die französischen Praktiken während des Algerienskriegs („doctrine française“) zurück, die durch geheimdienstliche Kontakte nach Lateinamerika vermittelt worden waren. Das Regime arbeitete auch mit verschiedenen Todesschwadronen zusammen, die etwa Einwanderer aus den Nachbarländern, Juden, Muslime und Studenten terrorisierten. Unter dem Decknamen „Operation Condor“ kooperierte die argentinische Militärjunta mit den Diktaturen Chiles, Paraguays, Uruguays, Boliviens und Brasiliens in einer von den USA unterstützten Aktion mit dem Ziel, oppositionelle Kräfte grenzüberschreitend zu verfolgen und zu töten.

Die Militärjunta gedachte bei ihrem Amtsantritt nicht nur, den linken Untergrund zu zerschlagen und die Wirtschaft zu stabilisieren, sondern auch die Phase fussballerischer Erfolgslosigkeit zu beenden, dies zumal sie von ihren Vorgängerregierungen die Austragung der Weltmeisterschaft 1978 geerbt hatte. FIFA-Präsident João Havelange betonte nach dem Militärputsch mehrfach, Argentinien sei nunmehr in der Lage, die WM auszurichten. Die tadellose Organisation der Spiele sollte im Ausland die Berichte über Folter und Ermordung politischer OpponentInnen vergessen machen und Argentinien als Land des Friedens erscheinen lassen. Dabei wurden mit gewaltsamen Methoden Elendsviertel aufgelöst, um der Welt das Bild eines „sauberen“ Argentiniens zu vermitteln. Das River-Plate-Stadion in Buenos Aires, das neun WM-Partien, inklusive das Eröffnungsspiel und das Finale, beherbergte, wurde renoviert und auf ein Fassungsvermögen von 76’000 ZuschauerInnen erweitert. Es lag in unmittelbarer Nähe zur „Escuela de Mecánica de la Armada“, in deren Gefangenenlager während der Diktatur etwa 5’000 Menschen gefoltert und ermordet wurden. Die Stadtguerilla der linksperonistischen „Montoneros“ und andere Gruppierungen des linksrevolutionären Untergrunds sicherten für die Zeit der Weltmeisterschaft den Verzicht auf Anschläge zu. Im Mai 1977 hatten sie bei einem Vorbereitungsspiel der Argentinier gegen Polen aber mittels eines Störsenders die Fernsehübertragung mit revolutionären Tonsendungen überblendet. Im Frühjahr 1978 hob das Militär in Buenos Aires eine illegale Fabrik für Störsender aus, als deren Zweck ähnliche Aktionen während der WM-Übertragungen vermutet wurde.

Beraten von der PR-Agentur Burson-Marsteller entfaltete das Regime im Vorfeld der WM eine Charme-Offensive. Weltweit wurden in Inseraten positive Informationen über Argentinien verbreitet, um eventuelle Zweifel wegen der humanitären Situation im Gastgeberland abzuwiegeln. Zudem sollten freundliche, junge und gutaussehende HelferInnen dem Land ein positives und aufgeschlossenes Image verschaffen. Ein gezielter PR-Schachzug des Regimes war es, den linken Nationaltrainer César Luis Menotti im Amt zu belassen – unter der Bedingung, dass er die Weltmeisterschaft gewinne. Parallel zu den PR-Anstrengungen investierte die Junta rund 700 Millionen Dollar – 10 Prozent des Staatsbudgets und etwa dreimal so viel wie das Gastgeberland der folgenden WM 1982 – in neue Stadien, Flughäfen, Autobahnen und die Modernisierung von Fernsehen und Datenleitungen. Diese Aufwendungen erwiesen sich indessen als ein Schlag ins Wasser. Da statt der erwarteten 50’000 nur rund 7’000 ausländische Fans nach Argentinien reisten, endete die Veranstaltung mit einem erheblichen Defizit und trug zur Vermehrung der argentinischen Auslandsverschuldung bei.

Es war dies das zweite Mal, dass eine Fussball-WM in einem offen diktatorischen Land ausgetragen wurde. Die Premiere hatte 1934 das faschistische Italien gemacht. Parallel zur Etablierung des Faschismus in den frühen 20er Jahren war in Italien der Fussball zum äusserst populären Massenzuschauersport avanciert, der auch zahlreiche Berufsspieler aus Grossbritannien und Zentraleuropa anlockte. Das faschistische Regime liess diesen Prozess zunächst laufen. Im Jahre 1926 diktierte der führende Sportfunktionär Lando Ferretti, der seit dem Vorjahr das italienische Olympische Komitee kontrollierte und dieses zu einem Hilfsorgan der Faschistischen Partei umzubauen trachtete, den massgebenden Fussball-Instanzen im Seeort Viareggio dann die so genannte Viareggio Charta. Diese schuf eine landesweite Liga, die „Divisione Nazionale“, und ersetzte die Wahl der Verbandsfunktionäre durch deren Kooptation. Die Haltung von Mussolinis Regime zum Fussball blieb in der Folge diffus. Verschiedene Spitzenfunktionäre vertraten divergente Auffassungen. Augusto Turati, Sekretär der Faschistischen Partei von 1926 bis 1930 und Präsident des italienischen Olympischen Komitees von 1928 bis 1930, und andere Spitzenfaschisten forderten in den späten 20er Jahren eine „Moralisierung“ des als zu kommerziell empfundenen Fussballs. 1927/28 wurde der Einsatz von Ausländern, die führende Faschisten als „Barbaren“ wahrnahmen, untersagt. Turati erfand sogar ein eigenes Spiel namens „volata“, das den britischen Fussball verdrängen sollte. Dieses konnte sich indessen selbst in den faschistischen Freizeitorganisationen nicht durchsetzen und verschwand nach Turatis politischem Sturz 1933 wieder.

Leandro Arpinati auf der anderen Seite, ein persönlicher Freund Mussolinis seit der Vorkriegszeit und Faschist der ersten Stunde, setzte sich in seiner Zeit als Vorsitzender des italienischen Fussballverbandes (1926 bis 1933) und des italienischen Olympischen Komitees (1931 bis 1933) für die Vision eines vom Staat weitgehend autonomen Sportsystems sowie die Verbesserung der Finanzlage der Spitzenklubs ein und führte eine Reorganisation der nationalen Liga durch, die tendenziell die Professionalisierung beförderte. Als Ersatz für die ausländischen Profis rekrutierten die italienischen Vereine nun mit enormem finanziellem Engagement Nachfahren ausgewanderter Italiener in Südamerika, insbesondere in Argentinien, wo die aggressiven italienischen Abwerbungsbemühungen ihrerseits zur Professionalisierung des Spitzenfussballs beitrugen. Zwischen 1929 und 1943 spielten nicht weniger als 118 solcher so genannter „rimpatriati“ in der italienischen Liga; die besten von ihnen verstärkten auch das Nationalteam.

Der „Duce“ selbst interessierte sich zunächst – ähnlich wie seine zeitgenössischen Diktatorenkollegen Stalin und Hitler – nicht für Fussball. Während der 20er Jahre besuchte er nur ein einziges Spiel, eine internationale Partie von Schülern, und 1928 äusserte er sich vor den Direktoren der wichtigsten italienischen Presseorgane abschätzig über Fussball- und Radsportstars. Erst 1930 gab er sich erstmals bei einem Länderspiel die Ehre, wobei er im Vorfeld dem italienischen Kapitän befahl, die Partie zu gewinnen. Die WM 1934 im eigenen Land wurde dann aber mit grossem Aufwand vorbereitet. Mehrere grosse Stadien wurden gebaut, die als Manifestation des Anspruchs auf ewige Herrschaft des Faschismus nicht mehr aus Eisen und Holz, sondern aus Beton bestanden. Einige trugen faschistische Namen, so das „Benito Mussolini“ in Turin, das „Stadio del Partito Nazionale Fascista“ in Rom und das „Giovanni Berta“ in Florenz. Letzteres wies die Form des Buchstabens „D“ auf – D für Duce.

Die Spiele selber waren dann durch zahlreiche Unregelmässigkeiten geprägt. Die Gastgeber setzten vier Spieler ein, die zuvor bereits für Argentinien aufgelaufen waren und auch nach den damaligen, lockereren Regeln nicht spielberechtigt gewesen wären. Verschiedene Schiedsrichterentscheide gaben ebenfalls zu reden. Höhepunkt war der Viertelsfinal Italien gegen Spanien: Der Schweizer Referee Mercet anerkannte einen italienischen Treffer, obwohl der spanische Torhüter von mehreren Italienern klar behindert worden war, verweigerte dagegen den Spaniern zwei reguläre Treffer sowie zwei Elfmeter und ahndete die zahlreichen bösen Fouls der Italiener, die drei spanische Spieler verletzten, nur in den seltensten Fällen. Mercet wurde später vom schweizerischen Verband auf Lebenszeit gesperrt. Vor dem Halbfinale Italien gegen Österreich mahnte der österreichische Konsul die Wiener Kicker, gegen Italien, den wichtigsten Verbündeten des austrofaschistischen „Ständestaats“, nicht zu engagiert zu spielen. Der schwedische Schiedsrichter Eklind fällte während dieser Partie mehrere umstrittene Entscheide zugunsten der Gastgeber und lenkte in einem Fall sogar einen gefährlichen Pass der Österreicher selber mittels Kopfball ab. Gemäss heutigem Forschungsstand wurden diese Manipulationen nicht direkt von Mussolini angeordnet, sondern sind auf eine Allianz von Sportfunktionären und Schiedsrichtern zurückzuführen. Beim Endspiel sollte der „Duce“ dann aber auf der Ehrentribüne dem FIFA-Präsidenten Jules Rimet demonstrativ die Sicht verdecken und sich als grosser Sieger feiern lassen.

Doch zurück zur WM in Argentinien: Die Austragung der Spiele in einer Militärdiktatur rief eine internationale Protest- und Boykott-Kampagne mit Zentrum in Frankreich auf den Plan. Als erste erhob im Oktober 1977 die Zeitung Le Monde die Forderung, die WM entweder in ein anderes Land zu verlegen oder ihr fernzubleiben. Das „Comité pour le boycott de l’organisation par l’Argentine de la coupe du monde de football“ (COBA) zählte schliesslich rund 200 Lokalsektionen im ganzen Land. Es wurde getragen von MenschenrechtsaktivistInnen (insbesondere Mitgliedern von Amnesty International), argentinischen ExilantInnen sowie Militanten der Neuen Linken. Die parlamentarische Linke lehnte einen Boykott dagegen wie die französische Regierung ab; die Chefs der Sozialistischen Partei, François Mitterrand, und der Kommunistischen Partei, Georges Marchais, sprachen sich öffentlich für die Teilnahme der französischen Nationalmannschaft aus.

Resonanz erhielt die Protestkampagne auch in den Niederlanden, Dänemark, Italien, der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinigten Staaten, Schweden, Finnland, Mexiko, Spanien, Israel sowie in der Schweiz, die sich allerdings nach einer blamablen Startniederlage gegen Norwegen („Nacht von Oslo“) zum dritten Mal in Serie nicht für die WM zu qualifizieren vermocht hatte. Die Kampagne in der Schweiz lässt sich anhand von Akten im Vorlass des Grafikers Bernhard Schlup sowie im Vereinsarchiv der entwicklungspolitischen Organisation „Erklärung von Bern“ (heute „Public Eye“) rekonstruieren, die im Schweizerischen Sozialarchiv gelagert sind. Die Kampagne „Aktion WM 1978“ stand unter Federführung der „Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern“ und wurde auch getragen vom „Christlichen Friedensdienst“, der „Vereinigung Dritte-Welt-Läden“, der „Menschenrechtskampagne 78“ und der „Informationsgruppe Argentinien Bern“. Sie sammelte Spendengelder in der Höhe von 27’000 Franken und produzierte nebst Plakaten eine im Layout an die grösste Deutschschweizer Boulevardzeitung angelehnte Schrift namens Kick, die sowohl Fussballinformationen und den WM-Spielplan als auch Artikel über die argentinische Militärdiktatur und Fluchtgelder auf Schweizer Banken enthielt. Das in mehreren Zehntausend Exemplaren gedruckte Blatt wurde unter anderem am Schweizer Cupfinal am Pfingstmontag 1978 im Berner Wankdorfstadion verteilt. In der Romandie produzierte ein „Collectif de contre-information sur le Mundial“ mit Sitz in Lausanne die Zeitung spécial „mundial“. Zwei Tage vor der Eröffnung der WM versuchten sieben Aktivisten der „Revolutionär-Marxistischen Liga“ eine Besetzung der argentinischen Botschaft in Bern, die von der Polizei aber nach wenigen Minuten beendet wurde.

In den Schweizer Medien war, wie das Pressedossier zu Argentinien in der Sachdokumentation des Sozialarchivs zeigt, die Stimmung gegenüber der WM 78 im Allgemeinen kritisch, ohne dass aber offen ein Boykott gefordert wurde. Die Weltwoche wies unter dem Titel „8000köpfige Leibwache für König Fussball“ auf das massive Militär- und Polizeiaufgebot hin und zog folgendes Fazit: „Das alles also gehört zum attraktiven Repertoire einer teuren Schau, die vier Wochen lang nicht nur die Fussballwelt in ihren Bann schlagen, sondern auch viele hässliche Emotionen wecken und im Übrigen nicht bestätigen wird, dass Fussball die ‚herrlichste Nebensache der Welt‘ ist“ (Weltwoche, 29.3.1978). Der Tages-Anzeiger nahm am 24. Mai mit dem Titel „Weltmeisterschaft 1978 wie Olympische Spiele 1936?“ Bezug auf die von den Nazis zu Propagandazwecken missbrauchten Olympischen Spiele von 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin (vgl. SozialarchivInfo 3/2016) und publizierte eine Argentinien-Karte, auf der die Standorte der WM-Stadien sowie von Gefängnissen eingezeichnet waren. Die Neue Zürcher Zeitung sprach sich explizit gegen einen Boykott aus, mahnte aber Widerstand gegen jegliche politische Vereinnahmung des Sports an – auch wenn sie die diesbezüglichen Möglichkeiten pessimistisch einschätzte: „Zurückzuweisen sind von denen, die das können und wollen, alle Machinationen, deren Ziel es ist, Argentinien vor der Weltöffentlichkeit als Paradies darzustellen. Alle Informationsanstrengungen jedoch werden nichts daran ändern können, dass sich mehr Leute – hier und in Argentinien – für Fussball interessieren als für Politik. Das wissen die Generäle, und das schlachten sie aus. Wer sich für dumm verkaufen lassen will, kann es tun – das hat aber mit ‚Argentina 78‘ nicht mehr und nicht weniger zu tun als mit unserem Alltag, dem sportlichen wie dem politischen“ (NZZ, 1.6.1978). Verschiedene Zeitungen kritisierten die massive internationale PR-Kampagne der Militärjunta; die Basler AZ meinte dazu: „Zu diesem widerlichen Propagandaschwindel, mit dem die unmenschlichen Zustände in Argentinien übertüncht werden, gibt es nur einen Kommentar: Pfui Teufel!“ (Basler AZ, 17.4.1978). Lediglich in Teilen der Lokalpresse schien die Öffentlichkeitsarbeit der Generäle vereinzelt zu verfangen; der Zürcher Oberländer publizierte am 27. Mai unter dem Titel „Wie Argentinien schliesslich des Terrorismus Herr wurde“ einen Artikel, der starke Kritik am ehemaligen Präsidenten Perón übte und das Vorgehen des Militärs gegen den Guerilla-Untergrund vorsichtig positiv bewertete.

Im Februar 1978 fand in Paris eine Konferenz der Boykottkampagnen der einzelnen Länder statt. Politisch motivierte Sportboykotte waren in jenen Jahren keineswegs eine Seltenheit. Viele von ihnen bezogen sich entweder auf den Ost-West-Konflikt oder auf die Apartheid-Regime in Südafrika und Rhodesien. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Ungarn 1956 (vgl. SozialarchivInfo 5/2016) entspann sich zunächst in verschiedenen Ländern eine Debatte über den Boykott der Olympischen Spiele in Melbourne, um Wettkämpfe mit sowjetischen AthletInnen zu vermeiden. Die meisten Staaten sprachen sich schliesslich gegen einen solchen Boykott aus. In der Schweiz zogen sich die Diskussionen so lange hin, dass, als man sich gegen einen Boykott entschieden hatte, die Zeit zur Organisation der Flüge zu knapp geworden war und die Schweiz in Melbourne fehlte. Parallel dazu blieben einige arabische Staaten den Spielen wegen der Suez-Krise fern. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Ungarn-Krise boykottierten im Frühjahr 1957 die NATO-Länder USA, Kanada, Bundesrepublik Deutschland, Norwegen und Italien die Eishockey-WM in Moskau – die Schweiz blieb dem Turnier in Ermangelung eines konkurrenzfähigen Nationalteams aus sportlichen Gründen fern. Als Folge des Baus der Berliner Mauer verweigerten die US-Behörden dem Team der DDR im Frühjahr 1962 die Einreise zur Eishockey-WM in Colorado Springs und Denver. Daraufhin wurde dieses Turnier von der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Rumänien, Polen und Jugoslawien boykottiert. Nach der Unterdrückung des Prager Frühlings durch den Warschauer Pakt 1968 (vgl. SozialarchivInfo 1/2018) forderte Celtic Glasgow den Ausschluss der Ostblock-Teams von den europäischen Fussball-Klubwettbewerben und drohte ansonsten einen Boykott an. Die darauffolgenden Diskussionen führten schliesslich dazu, dass sich die Länder des Ostblocks in der Saison 1968/69 selber aus diesen Wettbewerben zurückzogen.

Ebenfalls 1968 bewirkten Boykottdrohungen eines Grossteils der afrikanischen Länder den Ausschluss Südafrikas aus dem IOC, vier Jahre darauf erzwangen 27 afrikanische Staaten mit einer gemeinsamen Boykottdrohung den Ausschluss Rhodesiens. 1976 boykottierten 24 afrikanische Staaten sowie Guyana die Olymischen Spiele, als das IOC den geforderten Ausschluss Neuseelands, dessen Rugby-Nationalteam den internationalen Sportbann gegen Südafrika gebrochen hatte, verweigerte. Vier Jahre später führte die sowjetische Intervention in den afghanischen Bürgerkrieg zu einer Boykott-Bewegung unter Führung der Vereinigten Staaten gegen die Olympischen Sommerspiele in Moskau. Insgesamt boykottierten 42 Länder die Spiele, allerdings aus Westeuropa lediglich die Bundesrepublik Deutschland und Norwegen. Ansonsten unterstützten vor allem islamisch geprägte Staaten den von US-Präsident Jimmy Carter initiierten Boykott. Die Schweizer AthletInnen traten wie diejenigen mehrerer anderer westeuropäischer Staaten unter der olympischen Flagge an. Boykottforderungen gegen die Moskauer Spiele hatte es schon lange zuvor gegeben. Einerseits waren sie nach sowjetischen Visumsverweigerungen an israelische Journalisten und antiisraelischen Manifestationen des Moskauer Publikums an der Universiade 1973 laut geworden, die im Vorfeld des Jom-Kippur-Kriegs (und ein Jahr nach der Terrorattacke auf das israelische Team während den Olympischen Spielen in München) stattfand. Andererseits prangerten Menschenrechtsorganisationen die anhaltende Problematik politischer Gefangener im Arbeiter- und Bauernparadies an. Bis zum Einmarsch in Afghanistan blieben diese Stimmen aber wirkungslos. Im Gegenzug zum Olympiaboykott von 1980 blieben vier Jahre darauf die Staaten des Warschauer Pakts (mit Ausnahme des mit dem Westen liebäugelnden Rumänien unter Nicolae Ceaușescu) den Sommerspielen in Los Angeles fern – offiziell aus Sorge um die Sicherheit ihrer AthletInnen. Für die Fussball-WM 1978 wurde dagegen von keinem Land ernsthaft ein Boykott in Betracht gezogen – weder seitens der westlichen Demokratien noch im Ostblock.

In sportlicher Hinsicht lief das Turnier für die Junta-Generäle rund, allerdings war in einem Fall offenbar ihr Eingreifen nötig, um den Gastgebern den Weltmeistertitel zu sichern. Im letzten Spiel der Zwischenrunde benötigte Argentinien gegen das bereits ausgeschiedene Peru einen Sieg mit mindestens vier Toren Unterschied, um das punktgleiche Brasilien noch zu überholen und ins Endspiel einzuziehen. Der 6 : 0-Sieg der Gastgeber sowie verschiedene Merkwürdigkeiten liessen in der Folge Spekulationen über ein abgekartetes Spiel laut werden. Angeblich versuchte die argentinische Junta über Mittelsmänner und grosse Getreidelieferungen nach Lima einzelne Spieler und den peruanischen Trainer zu beeinflussen. Auch soll General Videla der peruanischen Mannschaft vor dem Spiel einen Besuch in der Kabine abgestattet und an die peruanische Solidarität mit Argentinien appelliert haben. Im Weiteren fiel auf, dass der peruanische Trainer einige Spieler auf die Ersatzbank beorderte, die in den vorangegangenen Partien brilliert hatten. Nach dem argentinischen Finalsieg verweigerten die Spieler der unterlegenen Niederlande sowie gerüchteweise auch der argentinische Trainer Menotti den Junta-Generälen den Handschlag. Ein weiteres Zeichen des Protests waren bei einigen Partien schwarze Bänder am unteren Ende der Torstangen. Die Platzwarte hatten sie im Gedenken an die vielen „verschwundenen“ Menschen angebracht und den Generälen erklärt, es handle sich dabei um eine alte Fussballtradition. Die FIFA-Spitze feierte dagegen zusammen mit den Diktatoren das in ihren Augen gelungene Hochamt des Weltfussballs.

Das Militärregime kostete den sportlichen Triumph ausführlich aus, schien er doch die Propaganda-Rhetorik von der Wiedergeburt Argentiniens als „grosse Nation“ zu plausibilisieren. Der zweite Teil der „Brot und Spiele“-Strategie der Junta ging dagegen gründlich in die Hosen: Die wirtschaftsliberale Sanierungspolitik zeitigte die erhofften Erfolge nicht, vielmehr sank zwischen 1976 und 1983 die argentinische Industrieproduktion um etwa 20 Prozent und explodierte die Auslandsverschuldung von 7 auf 50 Milliarden Dollar. Als Befreiungsschlag liessen die Generäle deshalb im Frühjahr 1982 die Falkland-Inseln besetzen in der Hoffnung, dadurch eine ähnliche nationale Euphorie wie 1978 erzeugen zu können. Dieses Abenteuer scheiterte bekanntlich spektakulär. Der mehrwöchige Krieg erlaubte es der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, das Popularitätstief ihrer ersten Amtszeit zu überwinden und im Jahr darauf ihren zweiten Wahlsieg zu erringen, während sich der Niedergang der argentinischen Militärjunta beschleunigte und die Generäle 1983 die Macht dem demokratisch gewählten Präsidenten Raúl Alfonsín übergaben.

Der Falkland-Krieg überschattete auch die zeitlich daran anschliessende Fussball-WM in Spanien. Als die 71jährige englische Fan-Legende Ken Baily, wie immer einen Zylinder mit dem Union Jack tragend, beim Eröffnungsspiel zwischen Argentinien und Belgien im Fanblock der Südamerikaner auftauchte, um wenigstens sportlich Frieden zu schliessen, wurde er von argentinischen Zuschauern attackiert und musste unter Polizeischutz weggeleitet werden. Anders als vier Jahre zuvor fand die WM 1982 in einem Land statt, das soeben eine 40jährige Diktatur überwunden hatte. Ein Putschversuch franquistischer Kreise im Sicherheitsapparat war im Februar 1981 gescheitert und mit dem ersten demokratischen Regierungswechsel nach den Wahlen im Oktober 1982 war die Phase der „Transición“ von der Diktatur zur Demokratie, die 1975 mit dem Tod Francos begonnen hatte, abgeschlossen. Vier Jahre darauf errang das nunmehr ebenfalls demokratische Argentinien seinen zweiten Weltmeistertitel. Diesmal war die Hilfe der Generalität nicht mehr nötig – dafür stand dem überragenden Diego Armando Maradona bei einem irregulär erzielten Treffer im Viertelfinalspiel gegen England die „Hand Gottes“ (La mano de Dios) zur Seite… Maradona sollte dieses Handstor 2007 in seiner Autobiografie dann als Rache für den Falkland-Krieg rechtfertigen.

Material zum Thema im Sozialarchiv (Auswahl)

Archiv

  • Ar 44.30.2 Arbeitsgruppe Dritte Welt Bern: Motor Columbus/CIAE: Verschiedenes 1977–1987
  • Ar 99.20.41 Brücke der Bruderhilfe – CECOTRET: Projekte Lateinamerika
  • Ar 161.23.3 Bernard Schlup: „Fussball JA Folter NEIN 1978“, Fussball-WM in Argentinien
  • Ar 430.25.4 Erklärung von Bern: Diverse Aktionen 1975–1982, Mappe 1: WM Argentinien 1978
  • Ar 437.10.12 Frauen/Lesben-Archiv: Allgemeine Situation Lateinamerika 1976–2004
  • Ar 442 Freiplatzaktion Chile-Flüchtlinge Schaffhausen: Dossiers Argentinien
  • Ar AI Z 003-016 Amnesty International, Schweizer Sektion: Relief – Argentinien

Archiv Bild + Ton

  • F 5053-Ob-230 Argentinien – Menschenrechte – 1978
  • F Ka-0001-810 „Wir rufen die Fussballfreunde der Welt – Folterrepublik Argentinien“, 1978
  • F Pb-0003-185 „Fußball JA – Folter NEIN“
  • F Pb-0005-224 „1978, Coupe du monde de football“ [Text über die Bemühungen von Amnesty International im Rahmen der Fussball-Weltmeisterschaft in Argentinien 1978]
  • F Pb-0005-292 „Fussball Ja – Folter Nein – Argentinien ’78 – Amnesty International“
  • F Pc-1096 „Mundial 78 – Amnesty Internatonal“
  • F Pd-0652 „Argentina – Amnesty International Svenska Sektionen“

Sachdokumentation

  • QS 23.4 Strafvollzug, Gefängnisse, Folter: Allg. & Ausland
  • QS WSA Argentinien
  • ZA 18.8 * 3 Sport: Olympische Spiele
  • ZA 23.4 Strafvollzug, Gefängnisse, Folter: Allg. & Ausland
  • ZA WSA Argentinien

Bibliothek

  • Verónica Ada Abrego: Erinnerung und Intersektionalität: Frauen als Opfer der argentinischen Staatsrepression (1975–1983). Bielefeld 2016, 134202
  • Jürg Ackermann: Fussball und nationale Identität in Diktaturen: Spanien, Portugal, Brasilien und Argentinien. Wien 2013, 129512
  • Pablo Alabarces: Für Messi sterben? Der Fussball und die Erfindung der argentinischen Nation. Berlin 2010, 122885
  • Amnesty International (Hg.): Argentinien: Bericht über eine Mission vom November 1976. Baden-Baden 1978, 62216
  • Argentinien: Auf dem Weg zum Völkermord. Bonn 1977, 63004
  • Dieter Boris und Peter Hiedl: Argentinien: Geschichte und politische Gegenwart. Köln 1978, 63778
  • Emilio Crenzel: Memory of the Argentina disappearances: The political history of Nunca más. New York 2011, 127471
  • Gerhard Dilger et al. (Hg.): Fussball in Brasilien: Widerstand und Utopie: Von Mythen und Helden, von Massenkultur und Protest. Hamburg 2014, 129734
  • Tilman Tönnies Evers: Militärregierung in Argentinien: Das politische System der „Argentinischen Revolution“. Frankfurt 1972, 49507
  • François Geze und Alain Labrousse: Argentinien: Revolution und Konterrevolution. Westberlin 1976, 56866
  • Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Nie wieder! Ein Bericht über Entführung, Folter und Mord durch die Militärdiktatur in Argentinien. Weinheim 1987, GR 5460
  • Nils Havemann: Samstags um halb 4: Die Geschichte der Fussballbundesliga. München 2013, 130193
  • Marco Impiglia: Fussball in Italien in der Zwischenkriegszeit, in: Christian Koller und Fabian Brändle (Hg.): Fussball zwischen den Kriegen: Europa 1918–1939. Wien 2010. S. 145-182, 124412
  • Marco Impiglia: 1934 FIFA World Cup: Did Mussolini Rig the Game?, in: Stefan Rinke und Kay Schiller (Hg.): The FIFA World Cup 1930–2010: Politics, Commerce, Spectacle and Identities. Göttingen 2014. S. 66-84, 129637
  • Andrew Jennings: The dirty game: Uncovering the scandal at FIFA. London 2015, 132325
  • Wolfgang Kaleck: Kampf gegen die Straflosigkeit: Argentiniens Militärs vor Gericht. Berlin 2010, 124300
  • Thomas Kistner: Fifa-Mafia: Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfussball. München 2014, 133128
  • Willi Ph. Knecht: Der Boykott: Moskaus missbrauchte Oylmpiade. Köln 1980, 69157
  • Christian Koller: Ein König und drei Diktatoren: Profifussball und „Totalitarismus“ in der Zwischenkriegszeit. Sonderdruck aus Stadion 37/2 (2011), Hf 4619
  • Christian Koller und Fabian Brändle: Goal! A Cultural and Social History of Modern Football. Washington D. C. 2015, 132077
  • Albert Longchamp et al.: L’honneur perdu des évêques argentins: La collaboration des évêques catholiques dans la pratique des disparitions forcées et de la torture. Genf 1987, Hf 1438
  • Curt Meyer-Clason: Erstens die Freiheit…: Tagebuch einer Reise durch Argentinien und Brasilien. Wuppertal 1978, 77504
  • Bernhard Moltmann und Peter Lock: Militär zwischen politischer Einmischung und Profession: Zur Demilitarisierung der Politik in Argentinien und Brasilien. Frankfurt 1987, D 4862: 58
  • Arno Münster: Argentinien – Guerilla und Konterrevolution: Arbeiterkämpfe gegen oligarchische Diktatur und Gewerkschaftsbürokratie. München 1977, 59079
  • Raanan Rein: Football, Politics and Protest: The International Campaign against the 1978 World Cup in Argentina, in: Stefan Rinke und Kay Schiller (Hg.): The FIFA World Cup 1930–2010: Politics, Commerce, Spectacle and Identities. Göttingen 2014. S. 240-258, 129637
  • Thomas Renggli: Sepp Blatter: Mission & Passion Fussball. Thun/Gwatt 2016, 133845
  • John Sugden und Alan Tomlinson: FIFA and the contest for world football: Who rules the peoples› game? Cambridge 1998, 109940
  • Jacobo Timerman: Wir brüllten nach innen: Folter in der Diktatur heute. Frankfurt 1982, 72411
  • Philippe Vonnard et al. (Hg.): Beyond boycotts: Sport during the Cold War in Europe. Berlin/Boston 2018, 138165
  • Alfred Wahl: Histoire de la Coupe du monde de football: Une mondialisation réussie. Brüssel 2013, 131653
  • José A. Friedl Zapata (Hg.): Argentinien: Natur – Gesellschaft – Geschichte – Kultur –Wirtschaft. Tübingen/Basel 1978, 63607

Periodika

  • Amnesty-International-Informationen: Monatlicher Rundbrief der Schweizer Sektion, 1970-1981, N 1197
  • SportZeiten: Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft, 2001-, D 6026
  • Zwölf: Fussball-Geschichten aus der Schweiz, 2007-, D 6130
9. Mai 2018Christian Koller zurück