Kurz vor Weihnachten 2012 legte die Zürcher Fotografin Gertrud Vogler dem Sozialarchiv ein ganz besonderes Geschenk unter den Baum: Sie übergab uns ihr gesamtes, rund 200’000 Negative umfassendes Fotoarchiv. Ein erster Teil des faszinierenden Werks ist nun online.
Gertrud Vogler (*1936) gehört zu den herausragenden Fotografinnen sozialer Bewegungen in der Schweiz. Sie brachte sich das Fotografieren selber bei und war ab 1976 zuerst als freischaffende Fotografin tätig, bevor sie in den 1980er und 1990er Jahren als Bildredakteurin und Fotografin bei der Wochenzeitung WoZ arbeitete. In diesem Vierteljahrhundert sind über 200’000 Negative entstanden, die in thematisch beschrifteten Schachteln vorbildlich archiviert sind. Es handelt sich ausschliesslich um Schwarzweissfotografie im Kleinformat.
Gertrud Voglers Werk dokumentiert alle wichtigen Aspekte der sozialen Frage der letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Ihre wohl bekanntesten Arbeiten betreffen die Drogenszenen im Zürich der 1980er und 1990er Jahre (Platzspitz und Letten). Weitere Schwerpunkte ihres Schaffens sind: Aussenseiter (vor allem Jenische), Frauenbewegung, Stadtentwicklung (Verkehr, Brachen, städtische Freiräume, Graffiti, Vergitterung der Stadt), Jugendbewegung (umfassende Dokumentation der Achtziger Bewegung), alternative Jugendmusikkulturen (Techno, Rap, Hip-Hop), Ausländer (Asylpolitik, Demonstrationen) und Wohnen (Häuserbesetzungen, Zaffaraya, Wohnungsnot). Ein Grossteil der Fotografien ist in der Schweiz entstanden, Zentrum von Voglers Wirken war Zürich. Darüber hinaus sind im Archiv aber beispielsweise auch Aufnahmen aus El Salvador oder dem Libanon vorhanden.
Das Fotoarchiv von Gertrud Vogler deckt eine immense Vielfalt von Themen ab, die für das Sozialarchiv im Zentrum seines Sammelauftrags stehen, der Bestand ist damit inhaltlich ein Glücksfall! Quantitativ hat er das Sozialarchiv vor neue Herausforderungen gestellt – noch nie hatten wir es mit solchen Dimensionen zu tun. Zuerst wurde 2013 der Gesamtbestand inventarisiert; seit 2014 werden die Negative digitalisiert, bewertet und in der Datenbank Bild + Ton erschlossen. Mehr als 5’000 Aufnahmen zu den Themen Wohnungsnot, Jugendbewegung, Asylwesen und Ausländer in der Schweiz sind inzwischen bereits online zugänglich. Dank grosszügigen Zuschüssen der Ernst Göhner Stiftung und der Sophie und Karl Binding Stiftung können wir nun im kommenden Jahr die Digitalisierungs- und Erschliessungsarbeit fortsetzen und den Kernbestand von Gertrud Voglers Werk publizieren.