Im Zuge der Rekatalogisierung der Berichtsliteratur sind wir auf eine Reihe von interessanten Beständen gestossen, darunter auch rund zehn Schachteln mit Jahresberichten verschiedener deutscher Hilfsvereine in der Schweiz (siehe Signaturen: K 492, K 492 B, K 492 Z) und im Ausland (siehe Signatur: K 492 A).
Der erste dieser Vereine wurde am 7. Februar 1856 in Zürich gegründet und "begann seine Wirksamkeit durch Ertheilung von Beihülfen am 1. März desselben Jahres". Zweck des Vereins war gemäss Statuten von 1861: "… mit Rath und That hülfsbedürftigen Deutschen in der Stadt Zürich und den angrenzenden Gemeinden beizustehen." Ein weiteres Ziel bestand in der Wahrung der Würde Deutschlands im Ausland.
1861 respektive 1862 folgten Gründungen in Bern und Basel, worauf am 20. September 1863 der "Verband der Deutschen Hilfsvereine in der Schweiz" ins Leben gerufen wurde. Zu der Zeit lebten über 50’000 Deutsche permanent in der Schweiz, während sich Tausende vorübergehend oder auf der Durchreise im Land befanden.
Neben den Beiträgen der Vereinsmitglieder wurden die Kassen der Vereine durch Zuschüsse von deutschen Regierungen und Behörden gespiesen. Geleistet wurde vor allem Reiseunterstützung für wandernde Handwerker und Soldaten sowie Unterstützung für ansässige Familien in Not.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges änderten sich Tätigkeit und Selbstverständnis der Vereine. Verstärkt ging es darum "Deutschlands Ehre und Ansehen hochzuhalten". Unterstützung benötigten nun nicht mehr nur Durchreisende und vereinzelte Notleidende, sondern ein grosser Teil der ansässigen Deutschen. Die Familien der einberufenen Wehrmänner erhielten "Kriegsunterstützung" und viele, die in der Kriegszeit ihre wirtschaftliche und berufliche Grundlage verloren, ersuchten um Unterstützung für die Heimreise. Aus dem Ausland kamen deutsche Flüchtlinge in die Schweiz und mussten versorgt werden.
Die Bedeutung der Hilfsvereine in den Kriegsjahren wuchs trotz oder gerade wegen der wachsenden Schwierigkeiten und Not. 1914 existierten Deutsche Hilfsvereine in 19 Schweizer Städten, 1918 war ihre Zahl auf 27 angewachsen. Die Zeiten blieben auch nach Kriegsende hart, die Fürsorgetätigkeit der Vereine, bei sinkenden Mitgliederzahlen und Einnahmen, wichtig.
Der Machtwechsel in Deutschland 1933 scheint, mindestens vom "Verband der Deutschen Hilfsvereine", positiv bewertet worden zu sein: "Wir stellen uns zur neuen Regierung und wollen mit ihr und in ihrem Dienst unsere Arbeit leisten. Wir führen unsere Arbeit selbständig fort, halten aber immer Verbindung auch mit den Vertretern der N.S.D.A.P. in der Schweiz." Nicht alle scheinen diese Befürwortung der neuen Regierung geteilt zu haben. Sinkende Mitgliederzahlen werden unter anderem wie folgt begründet: "Der Grund dieser Abnahme ist überall recht deutlich. Eine ganze Anzahl Mitglieder, namentlich jüdische, können sich in die Neuordnung der Dinge nicht finden."
Die lang andauernde Not, verbunden mit den sinkenden Mitgliederzahlen und dem Schwinden der Zuwendungen aus Deutschland, brachte manchen Verein in Schwierigkeiten. Nur dank ausserordentlichen Zuwendungen durch den Verband konnte sich beispielsweise der Verein St. Gallen in der krisengeschüttelten Ostschweiz über Wasser halten.
Die Rückkehr nach Deutschland, wo die Arbeitslosigkeit sank, scheint eine Notwendigkeit, je länger je mehr aber auch eine interessante Alternative geworden zu sein: "Hunderte von Deutschen und deutschen Familien, die ihre meist langjährige hiesige Arbeitsstätte oder ihr Geschäft aufgeben mussten, mussten vom Vorort oder den Hilfsvereinen finanziell unterstützt werden. […] Hierbei haben wir als Trost die beruhigende Gewissheit, dass die Rückwanderer in der Heimat jetzt wieder sicher Arbeit und Verdienst finden werden."
Frauenfeld zum Beispiel verlor 1936 durch Rückwanderung einen Drittel seiner Mitglieder. Im selben Jahr lieferten nur noch sechszehn Hilfsvereine einen gedruckten Jahresbericht, die anderen behalfen sich mit einem Schreibmaschinenbericht oder beschränkten sich auf rein statistische Angaben. Während der Kriegsjahre scheinen keine Berichte produziert worden zu sein. Das Vermögen des Deutschen Hilfsvereins wurde 1945 durch den Schweizer Staat beschlagnahmt. 1953 nahm der Verband seine Tätigkeiten jedoch wieder auf.
Die Bestände im Sozialarchiv umfassen den Zeitraum von 1857 bis 1938. Es sind Berichte von 37 Ortsvereinen sowie vom Verband vorhanden. Sämtliche Bestände sind lückenhaft, möglicherweise sind die Berichte auch nicht durchgehend erschienen.