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Quellen zum Hotellerie- und Gastronomiegewerbe der Schweiz

Das Archiv der "Hotel & Gastro Union" (ehemals: "Union Helvetia")


Warum wird den Gästen in amerikanischen Restaurants bis heute Eiswasser vorgesetzt? Was ist ein "Groom"? Wie sah eine professionelle Glacémaschine der Zürcher Firma Autofrigor AG im Jahr 1950 aus? Was wird beim Bedienen von der linken und was von der rechten Seite serviert?

Antworten auf solche Fragen finden Sie im historischen Archiv der Berufsorganisation "Hotel & Gastro Union" (sowie am Ende dieses Beitrags). Dieses Archiv konnte das Schweizerische Sozialarchiv vor zwei Monaten übernehmen. Es gehört sicher zu den interessantesten und farbigsten Beständen im Sozialarchiv. Neben Protokollen, Korrespondenz, alten Rechtsschutzunterlagen und vielen weiteren Akten sind auch eine umfangreiche Fotosammlung, eine Reihe grossformatiger Bände mit historischen Menükarten aus dem In- und Ausland sowie die von der Berufsorganisation herausgegebenen Zeitschriften, Koch- und Lehrbücher vorhanden. Sozialgeschichtlich aufschlussreich sind speziell die umfangreichen Unterlagen zu den verbandspolitischen Themen wie Arbeitszeit, Arbeitslohn, Ruhetagsfrage, Kündigungsfristen oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ein ständiger Streitpunkt war auch das Trinkgeld. Hier wurde erst 1974 eine Lösung gefunden; seither ist der "Service inbegriffen". Der Tourismus ist für die Schweizer Volkswirtschaft von grosser Bedeutung. Er trägt auf nationaler Ebene rund drei Prozent zur Wirtschaftsleistung und 4,2 Prozent zur Beschäftigung bei. Besonders wichtig ist die Hotellerie und Gastronomie in den Tourismusgegenden der Alpen. Das ist auch der Grund, weshalb viele Akten im Archiv der "Hotel & Gastro Union" das Wallis, Graubünden, das Berner Oberland, das Tessin und die Zentralschweiz betreffen.

Organisationsgeschichtliches

Die "Hotel & Gastro Union" wurde am 6. Oktober 1886 in Luzern unter dem Namen "Winkelried-Verein, Hülfs-Verein der schweizerischen Hôtelangestellten" gegründet. Bereits 1887 erfolgte die Namensänderung zu "Union Helvetia". Vereinszweck  war "die geistige und moralische Hebung und Veredelung der Standesgenossen durch gegenseitige Belehrung". Der fachtechnischen Aus- und Weiterbildung dienten die Zeitschriften und Monatsbeilagen und vor allem die 1909 gegründete verbandseigene Schweizerische Hotelfachschule in Luzern. Anfänglich war die Berufsorganisation ausgesprochen wirtschaftsfriedlich eingestellt. Eine zentrale Rolle spielten die Einführung von Versicherungs- und Hilfskassen, weil damals noch keinerlei staatliche Sozialfürsorge bestand, sowie die Stellenvermittlung. Die sozialpolitische Tätigkeit setzte erst mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Ersten Weltkriegs ein. Nun rückte die kollektive Interessenvertretung im Gastgewerbe in den Vordergrund und es wurden erstmals auch weibliche Angestellte und Ausländer zur Mitgliedschaft zugelassen. 1920 entstanden auch die ersten Zweigvereine: der "Schweizer Kochverband" und der "Schweizerische Servierpersonal-Verband". Heute umfasst die "Hotel & Gastro Union" fünf Berufsverbände; neben dem oben erwähnten "Schweizer Kochverband" sind dies die Berufsverbände "Restauration", "Hotellerie-Hauswirtschaft" und "Hotel/Administration/Management" sowie der "Schweizer Bäckerei- und Konditorei-Personal-Verband", der 2009 aufgenommen wurde.

Das Archiv der "Hotel & Gastro Union" ist eine wichtige Ergänzung der Bestände zum Dienstleistungsgewerbe in der Schweiz. Es wird zurzeit bearbeitet und kann nach Abschluss der Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten ohne Benutzungsbeschränkungen eingesehen werden.

Auflösung der Fragen:

  • Während der Prohibition in den USA (1920-1933) war es üblich und manchenorts gar Vorschrift, den Gästen sofort Eiswasser einzuschenken, offenbar um sie nicht auf den Gedanken kommen zu lassen, dass irgendetwas fehle.
  • "Groom" ist der englische Ausdruck für Page oder Hotelboy.
  • Glacémaschine der Firma Autofrigor AG, 1950 (siehe Bild)
  • Beim Bedienen wird Flüssiges von rechts aufgetragen, Speisen von links. Abgeräumt wird von rechts.
14. November 2014Urs Kälin zurück